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Der Sturm: Monatsschrift für Kultur und die Künste — 20.1929-1930

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Heft 8
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Voronca, Jlarie: Das Armband der Nächte
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https://doi.org/10.11588/diglit.47222#0122

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Das Armband der Nächte

Jlarie Voronca
Die Nächte gehen von Hand zu Hand wie das
Kleid des Reichen
Sie breiten die Leintücher über die Knochen
der Gletscher
Die Hüften der Hügel empfangen Schatten vom
Schwan,
Die Weiden breiten dem Teich einen Spiegel
aus,
Weiden, ihr durchdämpft die Luft wie die
Fenster des Transatlantikfahrers
Flammen steigen von euch empor wie von den
Urnen der Vergangenheit,
Eure Ruten haben die Wolken wie Stimmen
verdünnt.
Es brannten die Blicke wie die Savannen in
der Hitze
Auf! brecht aus, Kaskaden, von den Steinen der
Ruhe,
Vergießet Bukette von Tränen über die Aus-
dehnung des Schlafes
Die Schulter der Köhler wird zermalmt in den
Docken
Ihr Blut ist aus Kohle wie vom Blitz getroffene
Höhlungen
Und die Schlepper verschlucken mit den Säcken
die letzten Reste vom Lächeln.
Die Körper verwelken wie die Lampen der Blätter
Die Lampen schütteln die Schüssel der Gewässer
in der Salzgrube.
Die Spitzhauen schneiden ins Salz die Spitzen
des Fluges
Salz, Busen des Schaumes, Waffengestell des
Schnees,
Dein Finger beißt wie der Wind der Steppe,
Salz, du gibst dem Schlund ein Land von Durst
Die Arme der Verurteilten umflattern dich wie
ein Schleier
Käfige, eure Schollen haben Wachtel des
Stöhnens eingesperrt,

Und der Rauch eurer Bitternis dringt nicht durch
die Freude der Gäste
Ihr zerreißt nicht die Dunkelheit der Gedanken
wie eine Sirene
Ihr werdet vorbeigehen wie der Schweif eines
Kometen durch die Planeten der Bäuche.
Die Glocken der Salzfässer läuten eine unver-
ständliche Traurigkeit
Salz, in dem die Zähne der Sträflinge*) knirschen
Aber das Geklirre der Becher bedeckt den
Sturm der Ketten
Der elegante Jüngling knüpft die Kravatte des
Himmels.
Er vollführt eine Pirouette vor den hohen
Mysterien
Das Meer legt ein Galakleid an
Es steckt eine Medaille auf den Nacken des
Windes
Die Nerven der Leuchttürme durchfurchen die
Blätter der Täler
Und der Traum flicht die Samtmähne der
Fische auf
Das Meer färbt das Haar der Minuten.
Es füllt die Tassen der Augen, es entfernt die
Barken der Schulter
Das Meer wirft sein Geschmeide in die Schürze
der Dämmerung
Die Zangen des Windes ondulieren ihre Locken
Die Schlangen gehen wie Pflanzen über die
Azurküste
Es erhöht die Statue aus dem Schatten des
Schaumes
Hängende Maste bluten nach Winden
Das Meer verjagt ihre Meute der Stimmen
Es steigt empor aus der Tiefe der Abendstern
*) In Rumänien werden die Salzbergwerke von
Sträflingen bearbeitet. Der Übersetzer.

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