Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

DOI article:
Stummel, Friedrich: Teppichartige Wirkun, [3]: Der Fußboden
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0037

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
45

1894.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 2.

46

Teppicharti

III. Der Fufsboden.

lom Standpunkte des praktischen Be-
dürfnisses ist die erste Anforderung
an jeden Fufsboden, dafs er eine ebene
^^^^^^ Fläche darbiete, bequem zu be-
schreiten. Dem praktischen Bedürfnisse ist da-
mit genügt, und ein Raum, dessen Wände nur
aus dem nackten Steine gebildet sind oder über
demselben nur den kahlen Ueberzug eines glatt
verputzten Mörtels zur Schau tragen, ist hin-
länglich gut ausgestattet, wenn der Bodenbelag
aus einfachen, farblosen Steinplatten hergestellt
ist als bequem zu beschreitende ebene Fläche.
Wenn aber ein Raum aus diesem nackten
Bedürfnifs heraus als Kirche den Ausdruck
seiner heiligen Weihe erhalten soll durch die
Kunst, wenn die Glasfenster mit mystischem
goldenem Lichte ihn durchfluthen und aus
diesen mächtigen Farbenakkorden in Glas die
unabweisbare Nothwendigkeit entsteht, nun auch
den farblosen Gliederungen der Architektur in
der Intention des Baumeisters zu Hülfe zu
kommen und durch kräftige farbige Gegensätze
das Relief der tragenden Glieder zu unter-
stützen und von den zwischengespannten Wand-
flächen hervortreten zu machen, dann erfordert
dieser Farbenreichthum, dafs je nach den Farben-
stimmungen der Gewölbe und Wände auch der
Fufsboden durch verwandte Farben und Formen
aus dem nackten Bedürfnifs zu höherer Schön-
heit erhoben und geschmückt werde. Je reicher
der Farben- und Ornamentschmuck der Wand
entwickelt ist, um so mehr würde ein einfacher
Plattenbelag den ganzen Eindruck des Erha-
benen herabstimmen. Je edler das auf der Wand
verbrauchte Material ist, um so mehr mufs auch
der Fufsboden durch Gediegenheit des Materials
und geistvolle Ausgestaltung der Form ihm
sich anschliefsen. Die Anforderungen an die
Härte und Widerstandsfähigkeit gegenüber dem
Beschreiten beschränken die Wahl der Mittel,
aber wir werden sehen, wie die einzelnen Kunst-
epochen nach neuem farbigeren Material suchen,
sobald die Wand sich reicher in den Farben-
tönen herausbildet, während bei einfacher Deko-
ration der Wände auch der Fufsboden sich in
verwandten Tönen anschliefst.

Wie viel Werth man schon früh auf den
Schmuck des Fufsbodens legte, beweisen manche
Nachrichten und einige erhaltene Reste.

ige Wirkung.

Das heilige Zelt und die Bundeslade, welche
uns Moses beschrieben, und der Tempel Sa-
lomons, welcher nach deren Maafsen gebaut war,
sind im Reichthum ihrer Ausstattung wohl ein
unerreichtes Vorbild des Schmuckes der christ-
lichen Kirchen gewesen. An die Stelle der
reichen Teppichwandungen des heiligen Zeltes
traten im grofsartigen Tempelbau des Königs
Salomon jene aus mächtigen Quadern errich-
teten Mauern. Von dem Innern heifst es im
III. Buch d. Kon. Kap. 6: „Alles war mit Getäfel
von Cedern überzogen, dafs man nichts von
einem Stein sehen konnte. Dies überzog er
mit dem lautersten Golde. Und es war nichts
in dem Tempel, was nicht mit Gold gedeckt
war; auch den Fufsboden des Hauses überzog
er mit Gold, inwendig und auswendig."

Von der Pracht dieser mit Cedernholz in
Dreh- und Schnitzarbeit reich reliefirten und
vergoldeten Wände und des goldenen Fufsbodens
ist es heute kaum möglich, uns einen rechten
Begriff zu machen. Unserer Vorstellungskraft
von der glanzvollen Wirkung metallbekleideter
Wände kommt der Dichterkönig Homer bei
Beischreibung der Königsburgen zu Hülfe; z. B.
Odyssee VII Vers 82—102.

Nun stand er und dachte
Vieles im Herzen, bevor er der ehernen Schwelle sich

nahte.
Gleich dem Strahle der Sonne und gleich dem Schimmer

des Mondes
Blinkte des edelgesinnten Alkinoos prächtige Wohnung.
Eherne Wände liefen an jeglicher Seite des Hauses
Tief hinein von der Schwelle, gekrönt mit blauem

Gesimse.
Eine goldene Pforte verschlofs die innere Wohnung;
Silberne Pfosten, gepflanzt auf ihrer ehernen Schwelle,
Tragen den silbernen Kranz; der Ring der Pforte war

golden;
Jegliche Seite umstanden die gold'nen und silbernen

Hunde,
Welche Hephaistos selbst mit hohem Verstände gebildet,
Um des edelgesinnten Alkinoos Wohnung zu hüten.
Drohend standen sie dort, unsterblich und nimmer

veralternd.
Innerhalb reihten sich Sessel um alle Wände des Saales
Tief hinein von der Schwelle, und Teppiche deckten

die Sessel,
Fein und zierlich gestickt, der Weiber künstliche Arbeit.
Goldene Jünglinge standen auf schön gebauten Altären
Ringsumher und hielten in Händen brennende Fackeln,
Um den Gästen im Saale beim nächtlichen Schmause

zu leuchten."

Dafs diese erzschimmernden Wände keine
dichterischen Phantasien sind, haben die Aus-
 
Annotationen