Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift für christliche Kunst — 7.1894

DOI Artikel:
Stiassny, Robert: Jörg Breu von Augsburg, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.3824#0079

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
115

1894.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 4.

116

(»Gesch. der deutschen Kunst« II, 223) und
Sighart (»Gesch. d. bildenden Künste in Bayern«
II, 601) schrieben das Gemälde dem von ihnen
für Burgkmair gehaltenen Meister der grofsen
Orgelflügel zu; in einem Berichte über die kunst-
historische Abtheilung der Schwäbischen Kreis-
ausstellung von 1886, auf welcher das Epitaph-
bild unter Nr. 20 zu sehen war, nannte
v. Berlepsch zuerst Breu (»Zeitschr. f. bild.
Kunst«, 1887, S. 239). Die Verwandtschaft mit
den grofsen Orgelflügeln ist allerdings eine be-
trächtliche. Auch hier eine unruhig^bewegte
Komposition, eine branstige Färbung, eine
Freude am Verzerrten, Krassen, Abenteuer-
lichen, die in der Zeichnung, der Extremitäten
namentlich, arge Verheerungen anrichtete, da-
gegen in der Schilderung des Höllenspuks,
der Dämone und Unholde eine fast grüne-
waldische Phantastik entwickelt. In einzelnen
Frauenköpfen, im Ausdruck der Affekte bei den
flehenden und heulenden Verdammten schlagen
Reminiszenzen an den Ursula-Altar vor. Diese
Aehnlichkeit, zusammengehalten mit dem
Bildnifskopf des greisen Kaisers Max, der
unter den erlösten Altvätern hinter Christus
erscheint, könnte auf die Vermuthung einer
früheren Entstehung des Bildes führen. Für
die Datirung entscheidend bleiben jedoch die
klassizirenden Profile und akademischen Akt-
figuren, die mit ihrer blechernen Modellirung
Breu in der Nachahmung der Italiener völlig
befangen zeigen.

Noch einmal aber, in seiner letzten Arbeit,
tritt der volksthümliche Zug im sprunghaften
Naturell unseres Malers zu Tage, der in seinen
guten Stunden über sich selbst hinauszuwachsen
scheint, um dann wieder durch minderwerthige
Leistungen die Erkenntnifs seines Kunstcha-
rakters zu erschweren. Er kehrte mit ihr zur
Technik seiner liebenswürdigen Jugendwerke,
dem Holzschnitt, zurück, der im Norden ja
am längsten der Verwälschung widerstanden
hat. 1536 druckte Heinr. Stayner in Augsburg,
„in Kostung und Verlegung Hansen Tirols"
ein aus 18 Platten zusammengesetztes Riesen-
blatt, welches die Belehnung König Ferdi-
nands I. mit den österreichischen Erbländern
durch Kaiser Karl V. auf dem Reichstag zu
Augsburg am 5. September 1530 darstellt
(Nagler »Monogrammisten« III, Nr. 805). Der
zum Wandschmuck bestimmte und auf Illumi-
nirung berechnete Prospekt, der lediglich in

einfacher Querschraffirung und derben Kon-
turen ausgeführt ist, entrollt ein umständliches
aber sittengeschichtlich interessantes Bild alt-
augsburgischen Festtreibens (vgl. A. Schultz
»Deutsches Leben im XIV. und XV. Jahrh.«
S. 473). Die Vertheilung der Massen im Raum,
die kurzproportionirten Figuren, die schweren
Pferde mit kleinen Köpfen, das Detail der
Rüstungen erinnern lebhaft an die Schlacht
bei Zama, die ja ihrerseits etwas von einem
kolorirten Flugblatte hat. In einigen fein ge-
zeichneten Reitergestalten und der Bauern-
gruppe im Vordergrunde, den Landsknecht-
fähnlein, dem Zug der fürstlichen Frauenzimmer,
in mehreren glücklich beobachteten Zuschauer-
typen lebt die alte Neigung des Reifsers zu
formaler Anmuth wieder auf. In einer Publi-
kation des einzigen erhaltenen Exemplares im
Besitze des Germanischen Museums (Frank-
furt a. M., H. Keller, 1887) hat Essenwein den
Holzschnitt als Kompagniearbeit Breu's und
seines ehemaligen Gesellen, späteren Geschäfts-
genossen Hans Tirol bezeichnet, Letzteren aber
als Haupturheber des Werkes hingestellt. Trotz
seines im Texte erhobenen Anspruches, die
Begebenheit „in's Gedächtnifs gebracht" zu
haben, kann aber Tirol nur als Verleger be-
trachtet werden. Dieses monumentale Blatt
ist vielmehr ein opus posthumum Jörg Breu's,
der vor der Drucklegung verstorben war, sich
das Eigentumsrecht auf die Visirung jedoch
durch sein Künstlerzeichen auf dem dritten
Blatte der obersten Reihe gewahrt hatte.Zweifel-
haft bleibt, ob das einfache i daneben von
Essenwein richtig als Monogramm Johann Tirols
gedeutet wurde.

Zwei Jahre vor seinem Ableben (1536)
scheint der alte Breu sich von der Leitung
der Firma zurückgezogen zu haben, denn 1534
erhielt sein gleichnamiger Sohn, Jörg Breu
der Jüngere, der ihm schon längere Zeit als
Gehülfe in der Werkstatt an die Hand ge-
gangen sein mag, die Gerechtigkeit, „so er von
seinem Vater hat". Dieser jüngere Breu, der
das Meisterzeichen des Vaters weiterführte und
1547 in Augsburg starb, scheint noch weniger
eine selbstständige Künstlerindividualität ge-
wesen zu sein als etwa Hans Burgkmair junior.
Nur dreimal, 1539, 1540, 1543 stellt er dem
Handwerk Lernknaben vor; der Junge von
1540 war der zwölfjährige Sigmund Feyerabend
aus Heidelberg, nachmals der grofse Frank-
 
Annotationen