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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Kleinschmidt, Beda: Eine Elfenbeinschnitzerei mit der Himmelfahrt Mariä aus der sog. Metzer Schule
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0016

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1909. _ ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. !'•

etwas lebhafte Bewegung der Figuren, durch
die gleichen Typen und eine treffliche Technik
auszeichnet, steht eine zweite Gruppe gegen-
über, welche durch die harten, scharfkantigen
Umrisse und eine eigentümliche Haarbehand-
lung gekennzeichnet ist. Die beiden Haupt-
werke dieser zweiten Gruppe bilden die Deckel
des Drogosakramentars in Paris und das litur-
gische Elfenbein zu Frankfurt.5) Unsere Platte
nähert sich der ersten Gruppe, welche, worauf
Swarzenski zuerst hingewiesen hat, mit der
Schule von Reims zusammenhängt.6) Außer
den bereits angegebenen charakteristischen
Eigentümlichkeiten der Schule finden wir hier
die gleichen vollen, runden Gesichter wie z. B.
auf dem Heribertkamm, dieselben breiten,
kräftigen Nasen, die quellenden Augen, die
teils strichelnde teils krause Behandlung der
Haare. Die lebhaften, aber nicht übertriebenen
Bewegungen der Apostel weisen gleichfalls auf
die Metzer, bezw. Reimser Schule hin.7) Das
Relief ist sehr flach gearbeitet, hierin über-
trifft unser Stück die meisten Erzeugnisse der
Schule.

Hiermit soll allerdings nicht gesagt werden,
daß die Arbeit in Metz entstanden sei. Manche j
Einzelheiten lassen vielmehr Beziehungen zu
einer andern Schule erkennen. Dahin gehört
zunächst die Behandlung des Erdbodens, der
durch einzelne Erdschollen bezeichnet ist.8)
Soweit das mir zur Verfügung stehende Ver-
gleichungsmaterial zeigt, ist diese Darstellung
in der Metzer Schule nicht üblich, hier stehen
die Personen meistens unmittelbar auf den
Blatt- oder Rankenornamenten. Auch die
etwas flaue, schlichte Blattumrahmung spricht
nicht für Metz, welches sich gerade durch
einen Pflanzenschmuck von hervorragender
Schönheit auszeichnet.9) Endlich scheint auch
die teilweise unverstandene Behandlung der
antiken Tracht nach auswärts zu weisen. Es
sind also Beziehungen zu einer anderen Schule
vorhanden, am ehesten wird man an den
Niederrhein denken. Vielleicht spricht hier-

*) Gute Abbildungen bei Hausmann, » Lothringische
Kunstdenkmale«, Taf. f'8—60.

6) Veigl. Swarzenski, „Die karolingische Malerei
und Plastik in Reims", im »Jahrb. der Kgl. Preuß.
Kunstsammlungen« 23 (1902) 96.

7) Leitschuh, »Geschichte der karolingischen
Malerei«, (Berlin 1894), S 326 f.

*) Vergl. Vöge, »Eine deutsche Malerschule«,
(Trier 1891), S. 336 f.

') Swarzenski, a. a. O. S. 97.

für auch der Umstand, daß die Platte lange
Zeit Eigentum einer in der Westfälischen
Mark altangesessenen Familie war; wahr-
scheinlich stammt sie aus einem der dortigen
Klöster (Werden?).

Was den künstlerischen Wert unserer Platte
betrifft, so zählt ihr Schnitzer jedenfalls nicht
zu den letzten seines Standes. Die empor-
schwebende Muttergottes hat er mit einer
Freiheit und Größe behandelt, die für jene
Zeiten außerordentlich selten ist und die uns
fast modern anmutet. Zum Vergleiche lassen
sich fast nur Himmelfahrtsbilder des Heilandes
heranziehen.10) Während die Kunst vor dem
Jahre 1000 und auch später noch den Heiland
gewöhnlich in starrer — en face — Bildung,
häufig in der Mandorla eingeengt, oder auf
der Weltkugel sitzend darstellt, oder gar nur
in einer keineswegs sehr ansprechenden Weise
die unteren Extremitäten des Erlösers sehen
läßt, bietet unser Künstler mit kühner Freiheit
und seltener Gewandtheit Maria in leicht
geschwungener Haltung mit der Rücken-
ansicht, was ihrem Emporschweben eine weit
größere Natürlichkeit verleiht, als es bei den
meisten Himmelfahrtsbildern Christi der Fall
ist.11) Wie viel freier und feiner hat unser
Meister den Gegenstand auch behandelt als z. B.
der Schnitzer der Sabinatür zu Rom, wo Christus
von zwei Engeln an den Armen schwerfällig
emporgezogen wird.12) Ebenso sind die Engel
zur Rechten und Linken, abgesehen von den
übergroßen Fingern, in Komposition und Aus-
führung vortreffliche Gestalten; bei dem linken
stößt ein wenig die manirierte Behandlung des
Palliums, welches fast bandartig zweimal um
den Leib geschlungen ist. Das schmale Haar-
band legt den Gedanken an eine Beeinflussung
durch die byzantinische Kunst nahe, die be-
sonders den Erzengeln einen solchen Kopf-
schmuck zu geben pflegt.18) Auch die untere

10) Vergl. Kraus, »Geschichte der christlichen
Kunst«, II, 1 (Freiburg 1897) 354.

») Vergl. z. B. Vöge, a. a. O. Abb. 29 f. Swar-
zenski, »Regensburger Buchmalerei«, 1901, Taf. 31.
Beisse 1, »Des hl Bernward Evangelienbuch« Taf. 24.
Auf der Weltkugel zeigt ihn die byzantinische Elfen-
beintafel im Bargello zu Florenz, Abb. bei Labarte,
»Histoire des arts industriels«, ed. 2, I (1872) Taf. IX.
Michel, »Histoire de l'art« I, 1 (Paris 190!>) 834.

12) Abbild, bei Wiegand, »Das altchristl. Haupt-
portal an der Kirche der hl. Sabina«, (Trier 1900)
Taf. 14, 1.

13) Wulff, »Die Koimesiskirche in Nicäa und
ihre Mosaiken«, (Straßburg 1903), S. 243, 279.
 
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