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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Braun, Joseph: Ein Bilderpluviale im Dom zu Salzburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0022

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1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. I.

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bei genauerem Zusehen selbst die jetzige Be-
schaffenheit der Stickerei daselbst klar die
Wirkung der Schere erkennen. Die Rekon-
struktion des Pluviales hat also in der Weise
zu erfolgen, wie es die umstehende Skizze
(Abb. 3) andeutet.

Einen evidenten Beweis für die Richtigkeit
einer solchen Ergän-

schaffenen Medaillons befunden haben werden,
ersehen wir aus den Fragmenten des Londoner
Pluviale, und einer Stickerei der ehemaligen
Spitzerschen Sammlung, ehedem' wohl eben-
falls das Mittelstück eines Pluviales von der
Art des Londoner und Salzburger.2)

Bei jenen sind allerdings nur mehr drei
Medaillons des Jesse-

zung der Stickerei sind
die Reste eines Pluvi-
ales in Corpus Christ
House zu London,
eines genauen Gegen-
stücks des ehemaligen
Salzburger.1) Es sind
genau die gleichen
Rebenranken, die bei
jenem von einem als
Jessebaum behandel-
ten Weinstock in der
Mitte der Rückseite
ausgehend sich über
das ganze Gewand
verzweigen, mit ihrem
Blattwerk den Trauben
und den kleinen Aus-
läufern die Fläche
gefällig beleben und in
den von ihren Zweigen
gebildeten, ein Rund-
medaillonnachahmen-
den Voluten stehende
Einzelfiguren aufwei-
sen. Nur sind es nicht
ausschließlich Ahnen
des Herrn, die hier in
denselben angebracht
sind; denn sie ent-
halten bei den Londo-
ner Fragmenten auch
Propheten und andere
hervorragende Persön-
lichkeiten der alt-
testamentlichen Heils- Abb- 2'
Ordnung. Außerdem sind die Stickereien auf
seidenem Grund ausgeführt, statt wie zu Salz-
burg auf Leinen, das mit Gold abgedeckt ist.
Doch das sind offenbar nur unwesentliche
Verschiedenheiten.

Welche Darstellungen aber sich in den von
dem Jessebaum in der Mitte des Gewandes ge-

') Abbildung bei L. de Farcy, »La broderie du
XIc siede jusqu'a nos jours« pl. 42.

baumes erhalten, bei
diesem dagegen noch
alle vier. Die drei
unteren nun enthalten
hier wie dort David,
Salomon und Maria
mit dem Kind, das
oberste bei der Spitzer-
schen Stickerei eine

Kreuzigungsgruppe.
So also wird es auch
auf dem Salzburger
Pluviale gewesen sein
und dasjetzt mangeln-
de Mittelstück in sei-
nem untersten Medail-
lon David, dann Salo-
mon, hierauf Maria
mit dem Kind und
zuletzt eine Kreuzi-
gung aufgewiesen
haben.

Bilderpluvialien mit
Darstellungen des
Jessebaumes werden
in den mittelalterlichen
Inventaren wiederholt
erwähnt.8) Von Resten
solcher Pluvialien

waren bisher nur be-
kannt die Fragmente
im Corpus Christ
House zu London
und das Mittelstück
in der Spitzerschen
Sammlung. In den
Überbleibseln des Salzburger fügen wir ihnen
ein drittes Beispiel an.

Was das Alter der Salzburger Stickerei
anlangt, so werden wir wohl nicht fehl gehen,
wenn wir sie dem XIII. Jahrh. und zwar der
zweiten Hälfte desselben zuschreiben. Sowohl

2) Abbildung ebcndort pl. 41.

3) Vgl- J- Braun, »Die liturgische Gewandung

im Okzident und Orient.« S. 336 und 343.
 
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