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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Schnütgen, Alexander: Vier getriebene Tabernakeltürchen des XVI. Jahrh.
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0055

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Abhandlungen.

Vier getriebene Tabernakeltürchen
des XVI. Jahrh.

(Mit 4 Abbildungen, Tafel in.)
m Jahre 1879 erwarb ich in
Florenz Nr. 1, in Neapel
Nr. 2, in Rom Nr. 4, erst
kürzlich in Köln, von einem
spanischen Händler, Nr. 3.
Sämtlich haben sie zur
Verschließung und Ver-
zierung von Tabernakeln gedient, die in Italien
schon vom XIV. Jahrh. an aus Marmor, später
auch aus Ton (Majolika) gebildet wurden. —
Während in Deutschland die großen Sakra-
mentshäuschen, wie die kleineren Wandschränke
zumeist mit eisernem Stab- oder Maßwerk,
zuweilen auch mit messinggegossenen, gewöhn-
lich durchbrochenen Türen etwas größerer
Dimensionen geschmückt wurden, waren die
in der Regel niedrigen Altarpredellen Italiens
auf schmale Türchen beschränkt, durch welche
nur kleine Ziborien Einlaß finden konnten.
1. besteht in einer 25 cm hohen, 15 cm
breiten Kupferplatte, welcher der ganz flach
profilierte Rand aufgenietet ist. Die sehr ge-
fällig angeordneten Verzierungen sind durch
Treib-, Gravier- und Punziertechnik bewirkt. In
dem länglich gezogenen Vierpaß stehtdie vortreff-
lich modellierte, flach herausgetriebene Stand-
figur des Heilandes mit dem Siegeskreuz und
mit dem Kelche nebst Patene und Hostie zu
Füßen. Der Grund ist quadratisch gemustert,
rechts und links mit dem Spruchband CO RPVS-
DOMINI, welches durch das Schlüsselloch
unterbrochen ist. Die ebenfalls getriebenen
Brustbilder der Evangelisten sind, auf ge-
körntem Grund, den Ecken angegliedert, die
auf diese Weise entstandenen Zwickel mit ge-
triebenem Blattornament geschmückt. Diese
haben, wie der Fuß des Kelches, einen schon
sehr entwickelten Renaissancecharakter und
verweisen das in seinen figürlichen Teilen noch
etwas gotisierende Türchen in die Mitte des
XVI. Jahrh. Von der ursprünglichen Ver-
silberung haben sich reichliche Reste erhalten.
2. Das rundbogig geschlossene Türchen
von 30 cm Höhe, 18 cm Breite besteht in einer,
zum Teil sehr hoch getriebenen, noch im
vollen Glänze der ursprünglichen Vergoldung

strahlenden Kupferplatte mit wulstartiger,
aufs feinste ziselierter gegossener Blattum-
rahmung. Christus entschwebt mit der Sieges-
fahne in der Linken, im reichsten Strahlen-
kranze, dem barockförmigen Grabmale, an dem
die drei ebenfalls sehr bewegten Wächter in
ganz verschiedenen Reliefhöhen gelagert sind.
Die Fleichteile sind weich modelliert in glatter
Ausführung, die flottierenden Gewänder mit
dem Punzen gerauht. Die meisterhafte Grup-
pierung wie die vorzügliche Hammer- und
Ziselierarbeit verleihen dem kurz vor 1600
entstandenen Relief einen besonderen Wert.

3. hat bei einer Höhe von 41 cm, einer
Breite von 29 ]/2 cm, noch stärkere Ausladungs-
verhältnisse der gertriebenen Kupferplatte
in der Gruppe der hl. drei Könige mit der
Gottesmutter, viel geringere hingegen in der
oberen Partie der drei zuschauenden Personen
mit der reichen Säulenarchitektur und der öden
Landschaft, die dem Ganzen einen sehr male-
rischen Abschluß geben. Die sehr dekorativ
behandelte, in einzelnen Gewändern wie in
den Weihegefäßen und Gewölben reich ver-
zierte, ebenfalls noch den vollen Glanz der
ursprünglichen Vergoldung zeigende Gruppe
dürfte in Spanien um 1600 ausgeführt sein.

4. hat 30 cm Höhe, 19 V2 cm Breite, und
ist in Leder getrieben, geschnitten, gepunzt,
also in einer den Italienern besonders des
XV. und XVI. Jahrh. sehr geläufigen Technik,
wie sie hier zu einem, ihre Leistungsfähigkeit
fast überbietenden, Zwecke verwendet wurde.
Daß dieses Material (Rindsleder) wie Metall
behandelt wurde, mit dem es keine Verwandt-
schaft hat, beweist die Vorliebe und Geschick-
lichkeit, welche ihm gewidmet wurden. Die
teils durch Hochdruck teils durch Tief-Druck
und -Schnitt erreichte Reliefierung ist von
großer Wirkung, welche durch die Punzierung
des Grundes noch gesteigert wird. Reste von
lackiger Bemalung auf dem Untergewande der
Gottesmutter und dem Mantel des hl. Johannes
beweisen, daß auch auf die farbige Illuminie-
rung nicht verzichtet werden sollte. Die auf
der Rückseite erhaltenen Watteausfüllungen
zeigen sich noch unter dem Lederüberzug.
Die Mitte des XVI. Jahrh. wird als Ursprungs-
zeit angenommen werden dürfen. Schnütgen.
 
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