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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Schnütgen, Alexander: Drei Monstranzen des XV. und XVI. Jahrhunderts
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0095

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Abhandlungen

Drei Monstranzen des XV. und
XVI. Jahrhunderts.

(Mit 3 Abbildungen,
Tafel V.)

§y^ heinischen Ur-
sprunges dürf-
ten die beiden
seitlichen, in
Köln erworbe-
nen Monstran-
zen sein, west-
fälischer Her-
kunft die mitt-
lere, die vor
________________________ mehr als 30 Jah-
ren bei Herford ausgegraben wurde.

1. messingvergoldet, hat 58 cm Höhe und
einen sternförmigen Fuß von 20 cm Durchm.,
bei nur 13 l/2 cm breitem Aufsatz. Der aus
6 breiten und 2 ganz schmalen Segmenten
ungewöhnlich geformte, ganz glatte monumen-
tale Fuß leitet, zum Sechseck sich verjüngend,
in die schlanke Galeiie mit Eckpfeilerchen
über. Aus ihr entwickelt sich der glatte Schaft
mit dem, in Rücksicht auf den mächtigen
Fuß, breit und flach gehaltenen Pastenknauf.
Den Trichter besäumt ein fast zu zierlich
wirkender Lilien bogen, auf dessen Rücken die
ungemein schlanken Strebepfeiler in graziösen
Außensilhouetten aufsitzen,unten durchbrochen,
darüber mit den seitwärts gerichteten Relief-
standfigürchen eines hl. Bischofs und der
hl. Katharina unter hohen Baldachinen, die
von dem Riesen und der Fiale noch weit
überragt werden. Ein sechsseitiger fialenflan-
kierter Helm bildet den Abschluß mit dem
ursprünglichen Kruzifixe. — Diese, auch hinsicht-
lich der Feuervergoldung vortrefflich erhaltene
Monstranz ist eine musterhafte kunstgewerbliche
Leistung aus der Mitte des XV. Jahrh., und
wegen der Schlankheit des Zylinders wohl für
ein Reliquienostensorium bestimmt gewesen.

2. messingvergoldet, ist 74 cm hoch, bei
23 cm Durchm. des mächtigen Sechspaßfußes,
der durch 4 kräftig eingravierte Ranken-
züge und 2 von Maßwerksträngen bekrönte
Rosetten, dank der Kreuzschraffur des Hinter-
grundes, malerisch geschmückt ist. Die Galerie
mit den ausgeschnittenen, nach westfälischer Art

durch flache ßjildachinchen verzierten Eck-
pfeilerchen leitet zu dem flachkugelig ge-
triebenen Rosettenknauf über, der, trotz seiner
Größe, leicht wirkt und von großer Handlich-
keit, also durchaus vorbildlich ist. Das durch-
brochene Zwickelornament des Trichters er-
scheint zu schmächtig gegenüber der starken
mit niellierten Rosettchen besetzten Schräge
nebst Kehlung, auf denen die reich entwickelten
und gegliederten Eckpfeiler sich aufbauen, in
ungemein abwechselnder Silhouettierung, in
der die flachen Baldachinchen wiederkehren
und, als weiteres westfälisches Charakteristikum,
die der Profanarchitektur entlehnten Rund-
türmchen. Der dünne, in 2 Etagen sich auf-
bauende, von 2durchsichtigen Flügeln flankierte
Turm mit dem schlanken kreuzbekrön'en Helm
erscheint als eine so anmutige wie leichte Lösung
mit den beiden, unter Baldachinen aufTrommeln
stehenden Standfigürchen, die neu sind mit
Einschluß des geschindelten Helms. — Die
Tüchtigkeit der westfälischen Goldschmiede
[ um die Mitte des XV. Jahrh. leuchtet auch
aus diesem Prachtexemplar hervor.

3. silbervergoldet, 56 cm hoch bei nur
: 13'/s cm Durchm. des vortrefflich gegliederten
und gravierten Sechspaßfußes. Diese Gra-
vuren bestehen in, den Blattlappen sehr ge-
schickt sich anpassenden Maßwerkrahmen, in
welche die sehr gut gezeichneten, bereits die
Frührenaissance anklingenden Figuren Christi
am Kreuz, der zu ihm aufschauenden hh. Maria
! und Johannes, der Apostelfürsten und St. Katha-
rinas meisterhaft eingraviert sind. Der Fuß
j erweitert sich zu einer Art Bündelgalerie, aus
welcher der sechsseitige Ständer herauswächst
mit seinem sorgsamst behandelten, fastkugeligen
Knauf und mit seinem Rankenzug, der von
elegantem Maßwerk besetzt ist, als dem Träger,
der, im Verhältnis zum Fuß überbreiten, aber
ganz durchsichtigen Strebepfeiler. In diese
sind bereits Renaissancemotive aufgenommen,
obwohl der ganze Aufsatz wie der Fuß noch
von der Spätgotik beherrscht ist mit seinem
aus einem viereckigen Blattgchege aufsteigen-
den Helm und mit der verzierten Befestigungs-
nadel, die sich bei dieser, ohne Zweifel
rheinischen, Monstranz als äußerst seltene
Eigentümlichkeit erhalten hat. Schnütgen.
 
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