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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Cohen, Walter: Ein neuaufgefundenes Werk von Petrus Cristus
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0157

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1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 8.

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anderen Werken des Malers kennt. Das
Untergewand ist tief-braun violett, mit Hermelin-
besatz an den Ärmeln und oben an der Brust.
Das Tuch in den Händen der Maria ist weiß.
Der Kopf des Kindes erscheint etwas flach
modelliert; hier ist der Zustand wohl nicht
mehr ganz ursprünglich. Doch ist im Inkarnat
überall die ursprüngliche feine Craquelure
sichtbar. Der dunkle Hintergrund zeigt ein
neutrales Braun, der alte Bildrahmen Gold-
buchstaben auf dunkelweinrotem Grund. —

Das Marienbild auf Schloß Vollrads gehört
zu den frühesten Schöpfungen des Meisters.
Im Jahre 1444 erwirbt Petrus Cristus das
Bürgerrecht in Brügge; von 1446 stammt das
Bildnis eines Mannes beim Earl of Verulam;
aus dem Jahre 1449, dem Datum des neu-
aufgefundenen Werkes, kannte man bereits
ein ebenfalls bezeichnetes und datiertes Ge-
mälde, den hl. Eligius beim Freiherrn Albert
v. Oppenheim in Köln. Von den datierten
Arbeiten stehen dann zeitlich und auch stili-
stisch am nächsten die beiden Flügel mit der
Verkündigung, der Anbetung des Kindes und
dem jüngsten Gericht im Kaiser-Friedrich-
Museum in Berlin vom Jahre 1452. Die
Signatur des Malers in den genannten Werken
zeigt in der Form der Buchstaben und der
Abkürzung des „Cristus" in das griechische
„XPI" viele Übereinstimmungen.

Der Typus der das Jesuskind nährenden
Maria in Halbfigur ist für das malerische
„Werk"desPetrus Cristus neu. Bei Jan van Eyck
und in seiner nächsten Umgebung kommt
diese Fassung, die die Nachfolger des Rogier
van der Weyden und des Dierick Bouts so
populär gemacht haben, noch nicht vor. Jan
van Eyck hat die das Kind nährende Gottes-
mutter in ganzer Figur nur einmal dar-
gestellt, in der Madonna von Lucca des
Staedelschen Instituts zu Frankfurt. Doch
gibt es ein Werk von Petrus Cristus, das nähere
Beziehungen zu dem Bilde auf Schloß Voll-
rads zeigt als alle die genannten Gemälde.
Es ist die Zeichnung der Albertina in Wien,
die früher als Jan van Eyck galt, aber bereits
von Kaemmerer in seinem Eyck-Buche (S. 91)
als von dem Nachfolger herrührend abgebildet
wird. Maria mit dem Kinde auf dem Arm
steht in ganzer Figur in einer gotischen Kirche,
vor ihr zur Linken kniet ein Karthäusermönch
als Stifter. Die Kopfform der Maria, mit
zurücktretender Stirne und Kinn, stark heraus-

gearbeiter Nase, die Haartracht und die Form
der Hände - alles dies zeigt in weitgehender
Weise starke Übereinstimmungen mit unserem
Madonnengemälde. Ist dieses ein Werk von
Petrus Cristus, so ist auch die Albertinazeichnung
mit noch größerer Bestimmtheit als bisher in
das Gesamtwerk des Malers einzufügen. Eigen-
tümlich ist, daß die Verwandtschaft unseres
Gemäldes mit dem in demselben Jahre ent-
standenen „hl. Eligius" in Köln nur eine lose
ist; dieses Werk fällt allerdings infolge der
durch das ungewohnt große Format bedingten
flächigeren Malweise aus dem übrigen Schaffen
des Meisters heraus.

Wann das Werk auf Schloß Vollrads nach
dem Rheingau gelangt ist, konnte nicht auf-
geklärt werden. Die Übermalung im XVI. Jahrh.
wird wohl als ein Akt der Prüderie anzu-
sehen sein.

Die sonstigen Marienbilder von Petrus
Cristus sind nicht ganz unbestritten. Die
kleine sitzende Madonna des Prado-Museums
in Madrid wird ihm heute ziemlich einmütig
zugeschrieben (vgl. Voll, Altniederländische
Malerei 1906, S. 308). Dagegen scheint die
in der Literatur oft erwähnte Madonna der
Sammlung Graf Stroganoff in St. Peters-
burg — ich verdanke diesen wichtigen Hin-
weis einer freundlichen Mitteilung Max
J. Friedländers — keinen Anspruch auf Echt-
heit zu haben. Das in den Tresors d'art
en Russie 1901 als P. Cristus publizierte Ge-
mälde ist nach Friedländer eine (moderne?)
Replik des echten am 15. Februar 1892 in
Paris im Hotel Drouot versteigerten Werks
von P. Cristus (Nr. 9, „van Eyck", hoch 0,56,
breit 0,31). Ich selbst kenne das Bild in
St. Petersburg nur aus der Abbildung. Maria
steht vor einer Brüstung, die den Blick in
eine bäum- und hügelreiche Landschaft frei-
läßt. Das unbekleidete Kind in ihren Armen
hält in der Linken die Weltkugel, die Rechte
ist segnend erhoben. Zwei einrahmende ge-
malte Pfeiler zu Seiten der Jungfrau sind mit

den Statuetten von Adam und Eva gekrönt.

* *

*

Für Petrus Cristus waren die letzten Jahre,
die auch sonst so viele neue Funde zur
Geschichte der altniederländischen Malerei
brachten, besonders ergiebig. Das Kaiser
Friedrich-Museum in Berlin erwarb zwei aus
Italien stammende stattliche Altarflügel mit
den Heiligen Katharina und Johannes dem
 
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