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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Kleinschmidt, Beda: Der Abdinghofer Tragaltar, eine Arbeit des Rogerus von Helmershausen oder des Reinbold von Paderborn?
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0183

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271

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 9.

272

Meinung sind Molinier23) und Adolf Rosen-
berg.24) Mehr als Hypothese ist sie meines
Erachtens auch heute noch nicht. Creutz
hat sich dagegen kürzlich im Sinne von v. Falke
ausgesprochen.

Otto von Falke, der noch in seinem Pracht-
werke über die Emailarbeiten der Düsseldorfer
kunsthistorischen Ausstellungdie Identifizierung
des Künstlers und Schriftstellers Rogkerus für
sehr annehmbar, wenn auch nicht für zwingend
erklärte,25) hat jetzt jeden Zweifel aufgegeben.26)
Bei den auf genannter Ausstellung gemachten
Vergleichungen hat sich ihm auch ergeben,
daß von Rogerus uns außerdem noch fol-
gende Werke erhalten sind: ein Silbereinband
im Domschatz zu Trier (aus Paderborn), ein
prachtvolles Goldkreuz im Kunstgewerbe-
museum zu Berlin (aus Eger bei Herford) und
unser Abdinghofer Portatile. Schnütgen und
Creutz haben neuestens dem „Werke" des
Meister bezw. seiner Werkstatt noch einige
Nummern hinzugefügt.27) Otto v. Falke findet
ferner, daß die schlagende Übereinstimmung
zwischen den vier genannten Werken und den
Vorschriften der „Schedula" die Identifizierung
der beiden Rogerus vollauf bestätigt und be-
kräftigt. Sind diese Beobachtungen und
Schlußfolgerungen richtig, dann ist somit unser
Altärchen aus der Hand eines der hervor-
ragendsten Goldschmiede des Mittelalters her-
vorgegangen. Bevor wir uns zu dieser An-
nahme verstehen, wollen wir noch einmal ah
die beiden Tragaltäre herantreten und sie
einer genauen Prüfung unterziehen.

Sieht man von dem größeren Reichtum
des Heinrich-Portatile ab, so beobachtet man
allerdings zwischen den beiden Altärchen eine
mehrfache Übereinstimmung sowohl in der
Haartracht und in der Gewandbehandlung der
Personen als auch in den Ornamenten. Sie
scheint mir indes nicht zwingend, um beide
Werke ein und demselben Künstler zuschreiben
zu müssen. Denn neben der Überein-
stimmung finden sich auch zahlreiche und
zwar wichtige Unähnlichkeiten. Wenngleich

!S) Molinier, »Histoire generale des ans appli-
ques«. tom IV. L'orfevrerie (Paris) p. 142.

M) Ad. Rosenberg, »Gesch. der Goldschmiede-
kunst«. Niello. (Frankfurt 1907).

M) »Deutsche Schmelzarbeiten« S. 13.

*6) In der »Geschichte des Kunstgewerbes« von
Lehnert, (Berlin 1907), I. 240.

27) Siehe diese Zeitschrift, Jahrg. 1908, 97. 288.

die Bartbildung, wie von Falke hervorhebt,
bei einzelnen Personen in fast auffallender
Weise auf beiden Werken die gleiche ist,
so unterscheiden sich andererseits doch die
Gesichtstypen hier und dort nicht un-
wesentlich. Auf dem Heinrich-Altar sind
die Gesichter edler, voller, energischer,
der Ähnlichkeit des Paulus auf beiden Al-
tären steht die große Unähnlichkeit des Petrus
hier und dort gegenüber. Ein anderer Unter-
schied betrifft die Technik. Mit leicht bemerk-
barer Absicht hat der Meister des Dom-Por-
tatile die verschiedensten Techniken angewandt,
Niello, Filigran, Treiben, Edelsteinfassung, so
daß Hg den Altar geradezu als eine Muster-
sammlung der von Theophilus-Rogerus be-
schriebenen Techniken bezeichnet hat. Da-
gegen ist das Abdinghofer Portatile höchst ein-
fach behandelt, sein Schmuck besteht allein
in dem opus interrasile, womit man die Bücher
der Armen zierte. Das mag man auf die
Rechnung der Besteller setzen, auf Rechnung
des Künstlers aber kommt es, daß auch die
technische Ausführung bei dem Abdinghofer
Altärchen namentlich auf der Oberplatte die
Exaktheit und Sorgfalt vermissen läßt, welche
wir bei dem Heinrich-Altärchen beobachten.
Endlich fällt auch eine verschiedenartigekünst-
lerischeBehandlung in die Augen. DerMeister
des Abdinghofer Portatile ist mehr eine zeich-
nerische Natur, während jener des Domaltär-
chens ungleich plastischer fühlt und arbeitet;
dazu liebt er gravitätische Ruhe, während der
Abdinghofer Meister bei den Marterszenen in
voller Bewegung ist, was wohl nicht allein auf
den verschiedenen Inhalt der Darstellungen
zurückzuführen ist.

Ist nun, wie Kayser, Ilg und v. Falke an-
nehmen, in der Urkunde von 1100 von dem
Domportatile die Rede, und stammt das
Abdinghofer Altärchen aus dem Jahre 1118,
dann liegt zwischen der Anfertigung der beiden
Werke ein Zeitraum von ungefähr zwanzig
Jahren; unser Altärchen ist dann das Werk
eines älteren Mannes, der sich bereits an dem
Domportatile als ein ganz hervorragender
Meister bewährt hatte. Ihm das einfachere
und unvollkommenere Abdinghofer Altärchen
zuzuschreiben, scheint mir nicht zulässig. Dieses
nimmt sich vielmehr als die Arbeit eines
fähigen Schülers aus, der, stolz auf das Ge-
lingen seines Werkes, an den Füßen die Jahres-
zahl anbrachte, was der ältere Meister sogar
 
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