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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Schnütgen, Alexander: Gravierte Messingtafel der Spätgotik
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0197

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Abhandlungen.

Gravierte Messingtafel der Spätgotik.

(Mit Abbildung, Tafel X.)

ravierte Messingtafeln spätgoti-
schen Stils erschienen auf dem
Kölner Kunstmarkt in den letz-
ten Jahren wiederholt als ver-
lockende Fälschungen. Blendend durch den
Gegenstand zeigten sie eine geschickte Aus-
führung. Bald mußten sie durch ihr mehr-
faches Auftreten auch auf unbefangene Ge-
müter verdächtig wirken, denn Messingepi-
taphien des späten Mittelalters und der
Renaissance gehören im antiquarischen Be-
triebe, soweit meine Erfahrung zurückreicht,
zu den größten Seltenheiten, weil sie in den
Kirchen durch solide Befestigung und pietät-
volle Erinnerung gegen Entfremdung von jeher
stark geschützt waren. Die Spuren dieser
Fälschungen führten zumeist nach Holland,
wo bekanntlich auch für sonstige Nachbil-
dungen ein ergiebiges Feld. — Vor Jahresfrist
tauchte hier das Bruchstück einer Messing-
tafel auf — 30 cvi breit, ca. 36 cm hoch —
welches für den ersten Augenblick geeignet
war, Verdacht zu wecken, wegen der Identität
der Quelle, aber auch wegen der sehr starken
gewaltsamen Verbeulungen, die zuerst den
Eindruck machten, beabsichtigt zu sein.
Sofort aber ergab sich seine Authentizität,
und nach der Erwerbung überlegte ich, wie
dem Übelstand der Verbeulungen abzuhelfen
sei, ohne Beeinträchtigung der Patina, die im
Feuer sich nicht behauptet haben würde.
Durch langsames Beidrücken und Nachhilfe
mit dem Holzhammer bei mäßiger Erwärmung
gelang es, ohne Brüche das vielleicht in einem
Kirchenbrande vertrümmerte Fragment zu
strecken. Der Wunsch, ihm durch Komplettie-
rung eine gefälligere Gestalt zu geben, führte
zunächst zu dem Versuche, die Zeichnung zu
ergänzen. — Nachdem es mit einem für diesen
Zweck in England seit Jahrzehnten gebräuch-
lichen Graphitwachs durchgerieben war, be-
sorgte Wilhelm Mengelberg diese Ergänzung,
und Goldschmied Birgel übertrug sie in fol-
gender Art. Das Fragment wurde auf einer
eingerahmten Holztafel von der Größe der
ergänzten Zeichnung befestigt, und der fehlende

Grund in Gips beigestrichen, der sich der
zackigen Bruchstelle so scharf anfügte, daß
die Narbe nur eben kenntlich ist. Sodann
wurden die Linien, die Schraffuren, die Schat-
tierungen, die Punktierungen des Grundes im
engsten Anschlüsse an die technische Be-
handlung des Fragmentes eingetragen, zuletzt
die Färbung vorgenommen, so daß die nun-
mehr auf 52 cm gestiegene Höhe der Tafel
in der Einheitlichkeit sich zeigte, in der sie
auf der hier beigegebenen Abbildung sich
präsentiert. — Auf ihr tritt die Ansatzstelle
über der Hand des hl. Johannes und zwischen
den beiden Händen des hl. Abtes in die Er-
scheinung, ganz besonders aber die Geschick-
lichkeit, mit der das untere Drittel dazu kom-
poniert wurde. Bewegungen, Faltenwurf usw.
ergaben sich aus dem Vorhandenen mit Be-
stimmtheit; die klare, feste Zeichnung, die das
Originalstück in hohem Maße charakterisiert,
klingt in den beigestochenen Partien überall
wieder, und auch die alten Techniken er-
scheinen überall richtig nachgeahmt.

Von dekorativer Schönheit ist namentlich
die Bekrönung, die in einem Halbkreis die
breiten Maßwerkstränge des Baldachins mit
feinen Krabbenansätzen wirkungsvoll markiert.
Der in kleinen Quadraten scharf schraffierte
Hintergrund bringt die breiten ausgespannten
Stränge mit ihren Durchschneidungen voll zur
Geltung. Die Konsolen, die den rosetten-
verzierten Bogen tragen, gehen mit dem die
ganze Breite einnehmenden Kreuzbalken, der
auf ihnen zu ruhen scheint, vorzüglich zu-
sammen. Zu den scharf eingemeißelten Kon-
turen der Figuren, die durch sie voneinander
und vom Grunde sich ablösen, passen die
flott und derb eingetragenen Schatten und die
feste Hand, die in der Modellierung der bald
kräftiger, bald weicher markierten Karnations-
teile wie in den Gliederungen der Gewänder
sich ausspricht, verrät den geübten leicht
schaffenden Künstler. — Als Ursprungszeit wird
der Schluß des XV. Jahrh. bezeichnet werden
dürfen, als Ursprungsgegend der Niederrhein,
der sich vornehmlich in dieser Zeit auf dem
Gebiete des Metalls durch Herstellung von Grab-
epitaphien, Devotionstafeln, Tabernakeltürchen
usw. mit Vorliebe betätigte. Schnütgen.
 
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