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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Endres, Joseph Anton: "Die Verherrlichung des Dominikanerordens" in der Spanischen Kapelle an S. Maria Novella zu Florenz: Ein Beitrag zur Erläuterung des Bildes
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327

1909.

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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eine Bildvorlage. Denn die drei Heiligen
sind allzu deutlich verschieden charakterisiert.
Daß der Maler aber die gleiche Persönlichkeit
zur Genüge als solche wiederzugeben verstand,
zeigt er in der Wiederholung des graubärtigen
Dominikanerheiligen oben zwischen der Beicht-
szene und dem Himmelstor.

Sind die drei Dominikaner verschiedene
Personen, dann können es nur jene drei
Heiligen sein, welche der Orden bis zur Zeit
des Ursprungs des Bildes hatte, nämlich
Dominikus, Petrus Martyr und Thomas von
Aquin,4) jene nämlichen drei, die auch sonst
in der Kapelle verherrlicht werden. Dann
leuchtet aber sofort ein, daß wir die Betrach-
tung des Bildes von der Mitte aus fortsetzen
müssen. Hier ist der hl. Dominikus deutlich
als Stifter des Ordens gekennzeichnet. Er läßt
die „Domini canes" in die Welt ausgehen.
Seine. Direktive wird noch dazu durch einen
Stab 'hervorgehoben.

Und nun ist die Anordnung eine historische.
Der im Disput Dargestellte ist nämlich Petrus
Martyr, der hervorragende Bekämpfer der
Häresie in Italien, welcher 1252 durch zwei
gedungene Mörder umkam und bereits im
folgenden Jahre kanonisiert wurde, neunzehn
Jahre nach der Heiligsprechung des 1221 ver-
storbenen Ordensstifters selbst. Kraus nimmt
in der Gruppe vor Petrus Martyr Juden und
Mauren wahr. Richtig ist wohl, daß nur
einer durch seine hohe Mütze als Ketzer
kenntlich gemacht werden sollte.

Auf Petrus Martyr folgt der hl. Thomas
von Aquin (gest. 1274, kanonisiert 1323).
Thomas erscheint, wie durchgehends auf den
alten Bildern so auch hier bartlos. Er hält ein
aufgeschlagenes Buch, das regelmäßige Symbol
seiner Lehre und seiner Schriften, vor eine
mannigfach charakterisierte Menschengruppe
hin. Die vor ihm stehen, machen nicht sein
gewöhnliches Auditorium in den Hörsälen von
Paris und von den italienischen Ordensschulen
aus. Der Künstler schildert ausschließlich die
Wirkung des großen Ordenslehrers auf den

*) Nur sie waren bis dahin kanonsiert. So läßt der
Verfasserderum 1368geschriebenen HistoriaTranslationis
der Reliquien des hl. Thomas nach Toulouse den Otdens-
general Elias Raimund zu Papst Utban V. sagen:
Praedicatorum Ordo non habet nisi duos sancios (S.
Dominicus, S. Petrus Martyr) praeter hunc sanctum
Thomam. Historia Transl. III, 12 Acta SS. Martii tom.
I. p. 730 D.

Irrtum in Wissenschaft und Glaube. Darum
legt der Mann mit dem Turban, vermutlich
ein Anhänger des Averroismus, sich selber
Schweigen gebietend, den Finger an' den
Mund, und im Vordergrunde sieht sich ein
anderer mit der Ketzermütze auf dem Haupt
veranlaßt, Blätter aus seinem Buche zu
reißen. Was bedeuten aber die beiden in
hingebungsvoller Haltung vor Thomas knieen-
den Juden ? Als Juden verrät sie nämlich die
Physiognomie und der charakterisch zugespitzte
Judenhut. Hier hat der Künstler ein be-
stimmtes geschichtliches Faktum im Auge.
Die Biographen des Heiligen erzählen näm-
lich, daß Thomas an einem Weihnachtsfeste,
als er zu Besuch bei Kardinal Richard Annibaldi
auf dem Kastell Molaria bei Rom weilte,
durch seine überzeugenden Schriftbeweise von
der Ankunft des Erlösers zwei vornehme
Juden zum Christentum bekehrt habe. 6)

Die drei Ordensheiligen, welche unten sich
ihrer irdischen Wirksamkeit widmen, erscheinen
dann nochmal oben in der Region der Ver-
klärten, und zwar der hl. Dominikus als die
Verkörperung seines Ordens, wie er die durch
Buße Gereinigten zum Himmel geleitet, die
beiden übrigen in der Schar der Verklärten
selbst, nämlich Petrus, sowohl durch seinen
Standort als durch das Attribut der Palme als
Märtyrer gekennzeichnet, unmittelbar über
Laurentius, und Thomas in der Bekennerreihe,
wieder mit dem aufgeschlagenen Buche vor sich.

Das Bild an der Ostwand der Spanischen
Kapelle, die Kirche und den Dominikaner-
ordendarstellend, gibt daskünstlerischeThema,
welches in dem Räume durchgeführt werden
sollte, in seinen allgemeinen Gedanken an.
Die genauere Ausführung mit Rücksicht auf
die drei Dominikanerheiligen erfolgte an der
Eingangswand und der linken Seitenwand
der Kapelle. Dorthin, an die Eingangswand,
mußte sich bescheiden nicht nur der erste
Blutzeuge des Ordens mit seiner Lebens-
geschichte, sondern auch der Stifter selbst,
damit die große Fläche der Seitenwand übrig
blieb für den erst vor wenigen Dezennien
mit der Gloriole ausgezeichneten einzigartigen
Ordenslehrer, den hl. Thomas von Aquin.

Regensburg. J. A. Endres.

5) Bernardus Guidonis, »Vitas. Thomae« c. 14
(ed. Bon. Mombritins, Sanciuarium, pars II. s. 1. et a.);
Guilelmi de Tocco, Vita s. Thomae VI, 23 (Acta SS.
Martii tom. I. p. 667).
 
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