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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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Witte, Fritz: Die Deckplatte eines romanischen Tragaltars
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https://doi.org/10.11588/diglit.4153#0224

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331

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

332

noch mehr Fehlern wiedergegeben. Sie lautet
genau:

t He sunt reliquie sacrate sancte
de sepulchro domint noslri Jesu Christi, lin-
teamina beati pauli apostoli. matei apostoli.
phihpi apostoli. aposlolorum. jacobi apostoli et
secundijacobi. johannis et pauli. sancli benedicti.
sancti blasii. cosme et damiani. sancli
christofori. Georgii mattiris. sancli
theodori marliris. olei corporis
sancti demetri. sancte scolasli-
ce et cecilie. ac barba-
re virginis. f Gofredus comes ca-
tacensis me sacrare fecit.

Jesus ± Christus
A a>.

Die Inschrift sagt klar und deutlich, um
was es sich handelt, um eine Weihe, die Weihe
eines Altares wahrscheinlich; denn an den
Grundstein einer Kirche zu denken, geht nicht
wohl an, und dort legt man auch nicht so
hervorragende Reliquien nieder. Die Buch-
stabenform ist die der römischen Kapitale und
außerordentlich charakteristisch. Das A wie
H haben zwei Querstriche, das M und N noch
die ältere Form, ebenso hält sich das E in den
Zügen der älteren Zeit. Man sollte glauben,
die Angabe des Namens „comes Gofredus
catacensis" müßte im Verein mit dem Schrift-
charakter eine genauere Altersbestimmung der
Platte ermöglichen. Die Form der Schrift weist
uns in das XI. Jahrh., den Grafen Godfried
aber können wir an der Hand historischer
Notizen nur gewissermaßen einkreisen, wir
können den Status a quo und ad quem fest-
legen, und damit kommen wir auch zu einer
befriedigenden Lösung. „Catacensis" haben
wir zu übersetzen mit „Catanzaro"; noch heute
besteht der Ort im Süden Italiens, in Kala-
brien. Er ist im Jahre 963 durch Nikephoros
Phocas zunächst als Burgfeste zur Abwehr der
Sarazenen erbaut worden. Mit einem Petrus
Ruffus de Calabria, comes catanzarii beginnend,
der 1254 von Innocenz IV. vom Banne gelöst
wird, können wir die Herren von Catanzaro
rückwärts verfolgen bis auf einen Hugo comes
catazarii, der im Jahre 1177 den Heiratsvertrag
zwischen König Wilhelm von Sizilien und der
Tochter des Königs von England mit unter-
zeichnet1)-

l) »Monum. Germ. hist. Epistolae saeculi XIN.*
Tomus IH pag. 296 f. und die Register.

Zwischen 963 und 1177 hätten wir also die
Entstehungszeit unserer Platte zu legen, und
das würde ja auch dem Schriftcharakter ent-
sprechen. Dagegen scheint aber der Inhalt
der Inschrift einige Bedenken zu erregen, denn
bei näherem Zusehen entdecken wir, daß eine
Reihe der Heiligen aus der Liste der vierzehn
Nothelfer in geradezu auffälliger Zusammen-
gruppierung auftritt. Für gewöhnlich gibt man
an, daß die Verehrung der vierzehn Nothelfer
mit dem XIII. Jahrh. erst anhebe; in Wii'k-
lichkeit hat aber bereits die Krönungslitanei
von Reims mehrere Gruppen dieser Heiligen
zusammengefaßt, während sie geschlossen, in
ihrer heutigen Zusammenstellung, wohl erst durch
die im späten Mittelalter nachgeschriebene Bam-
berger Allerheiligenlitanei bekannt geworden
sind.2) Eine zweite Notiz der Inschrift ist zu
beachten, und sie spricht entschieden für unsere
Datierung: Es ist die Rede von hl. Ölen vom
Leibe des hl. Demetrius usf. Zweifellos haben
wir hier nicht an Öl zu denken, wie beispiels-
weise das der hl. Walpurgis; es handelt sich
hier um Öl aus den Lampen, die an den Grä-
bern hervorragender Heiliger brannten, von
denen die Pilger in kleinen Behältern geringe
Mengen als mittelbare Reliquien mit in die
Heimat nahmen. Solche Fläschchen, Ampullen,
werden des öfteren erwähnt im frühen Mittel-
alter, und der Domschatz von Monza bewahrt
solche aus der Zeit unmittelbar nach den Ver-
folgungen. Es wird sich kaum mit Sicherheit
feststellen lassen, wie lange dieser Brauch sich
gehalten hat, jedenfalls ist er aber besonders
im ersten Jahrtausend beliebt gewesen.

Das A und m am Schluß der Inschrift mit
dem zwischengestellten doppelbalkigen Kreuze
kann weiter nicht befremden. Die einzelnen
gravierten Buchstaben sind mit grünem Lack
ausgefüllt. Ob der in die Elfenbeinplatte ein-
gelassene Stein das Stück vom Grabe des
Herrn vorstellen soll, das in der Aufzählung
genannt wird, wollen wir dahingestellt sein lassen.

Leider besagen die Inventare des Museums
nicht, wo das Stück erworben worden und von

2) cf. Günter, »Legendenstudien«, (1906) Seite
111 ff., de Waal, »Roma sacra« S. 352 nennt als
ältestes und einziges Christophorusbild Roms das in
S. demente. Günter meint: „Rom kannte die Gruppe
im Mittelalter überhaupt nicht, und der Norden
jedenfalls nicht vor dem XIV. Jahrh." (Seite 112).
Dem scheint die Aufzählung auf unserer Platte doch
in etwa zu widersprechen.
 
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