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Zeitschrift für christliche Kunst — 22.1909

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345

1909. — ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST — Nr. 11.

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kleinen Plaketten des XVI. Jahrh. — Die Steinfiguren
sind zumeist für sich, aber auch in ihrem so wichtigen
Zusammenhange mit der Architektur, namentlich an
den Portalen, dargestellt mit Bevorzugung von Süd-
deutschland. — Die Holzfiguren erscheinen sowohl
allein, wie in den Altären, wobei Norddeutschland be-
vorzugt ist. — Hinsichtlich der Frühgotik steht Straß-
burg im Vordergrund, hinsichtlich der Spätgotik und
der Frührenaissance Bayern, namentlich Würzburg und
München, hinsichtlich des Barock Breslau, Dresden
und Wien. — Als Seitenstücke zu den Bleiplaketten
der Renaissance haben die Reliefs in Elfenbein, Kehl-
heimerslein, Holz, Bronze, bisher keine Berücksichtigung
gefunden. — Die Aufnahmen sind durchweg gut, die
Reproduktionen tadellos, und neben manchen längst und
oft abgebildeten Statuen, die als Sterne erster Klasse auch
hier nicht fehlen durften, treten viele minder bekannte aber
nicht weniger charakteristische in die Erscheinung. Manche
Tafeln zeichnen sich durch lehrreiche Zusammenstellungen
verwandter Exemplare aus, und die beiden Tafeln mit
den sieben Pietägruppen des XV. Jahrh. sind wegen
der Typenvergleichnng von besonderer Wichtigkeit, so
daß deren Nachahmung im Sinne sonstiger Typen,
z. B. der Madonnenentwicklung, besonders wünschens-
wert wäre. Schnütgen.

Das Niederrheinische Architeklurbild von
Hans Jantzen. — Klinckhardt und Biermann
in Leipzig 1910. (Pr. 12 M.)
Daß das Architekturbild eine Spezialität der Nieder-
lande ist, beweist recht deutlich das Verzeichnis am
Schlüsse dieses Werkes, welches, in ebenso mühsamer
als dankbarer Zusammenstellung, nicht weniger als
693 derartige Gemälde aufzählt, unter genauer An-
gabe der Darstellungen, der Meister und der jetzigen
Aufbewahrungsorte. Von ihnen sind 62 abgebildet,
um auf Tafeln den Text zu illustrieren, insoweit er
sich mit dem Architekturbild befaßt. — Dieses
hat nämlich seine „Vorgeschichte" in der Bild-
architektur, welche durch 8 Gemälde von Jan van
Eyck, Geertgen tot S.Jans, Jan Gossaert gen. Mabuse
den ersten 16 Seiten zur Erläuterung beigegeben sind.
In dieser Vorgeschichte, welche das XV. und
die erste Hälfte des XVI. Jahrh. umfaßt, wird sehr
anschaulich, in neuer Beleuchtung, die Entwickelung
der Bildarchitektur (zumeist als Innenraum) gezeigt,
in der die menschliche Figur, die hl. Darstellung die
Hauptsache, die Architektur den Rahmen bildet, zu-
letzt in eine Fülle von dekorativen Beigaben allmählich
ausartend. Die Reaktion gegen diese „Zieraten" be-
ginnt gleich nach der Hälfte des XVI. Jabrh. in Ant-
werpen, wo Hans Vredeman de Vries den Innenraum
als gesonderte selbständige Erscheinung zu behandeln
anfängt, in der die Figuren nur als Beigaben erscheinen.
— Die bis gegen den Schluß des XVII. Jahrh. wäh-
rende Geschichte dieses Architekturbildes wird vom
Verfasser im I. Tei l behandelt unter den Überschriften :

1. „Die Antwerpener Maler" (etwa bis 1664),

2. „Die Anfänge in Holland", wo das Architektur-
bild am weitesten und reichsten sich entfaltet hat,

3. „Das Haarlemer Kirchenstück, welches, auf
Anregung von Pieter Sanredam, die Raumwirkung
des Interieurs enorm steigert, den Beschauer in den
Raum hineinsetzt, Durchblicke schaffend, welche durch
die Nachfolger: Brüder Berckheyde und van Nickele noch

gehoben werden ; 4. „Das Delf ter Kirchen stück",
welches durch die 3 Maler Houckgeest, van Vliet,
de Blierck in der II. Hälfte des XVII. Jahrh: eine
ganz neue typische Erscheinung ist; 5. „Emanuel
de Witfe", der den Höhepunkt des Raumerlebnisses,
zugleich durch die farbigen Kontraste, erreicht. — An
diese sehr geschickte Analyse der Arten wie das
holländi-che Architekturbild geschieh lieh sich tntwickelt
hat, schließt Jantzen im II. T e i 1 eine Charakterisierung
der einzelnen Darstellungsphasen, dieselben behandelnd
unter den Bezeichnungen : 1. „Vlämischer und hollän-
discher Bildraum, 2. der koordinierende Raumstil,
3. der tonige Einheitsraum, i. die Intensivierung der
Raumwirkung, 5. Auflösung des gebundenen Raum-
stils. — Damit hat der Verfasser, dank seinem scharfen
Beobachtungssinn und seiner liebevollen Vertiefung, in
eine gewaltige, bislang fast ganz vernachlässigte Gruppe
architektonischer Innendarstellungen, neues Licht hinein-
getragen, der Forschung weitere dankbare Wege zeigend,
auch in dem, von ihm nicht beabsichtigten Sinne,
durch sie zahlreichen Abbildungen kostbare Beiträge
zur Kenntnis der späteren mittelalterlichen und Renais-
sance-Kirchenausstattung zu liefern. — G.

Meister der Graphik. II. Band (Pr. Mk. 16).
Die Anfänge des deutschen Kupferstiches
und der Meister E. S. Von Max Geis-
berg. Mit einem Titelblatt und 120 Abbildungen
auf 70 Tafeln. — Klinckhardt und Biermann in
Leipzig 1910.
Die kaum begonnene Serie, welche die lange ver-
nachlässigte Popularisierung der graphischen Künste
bezweckt, konnte keine bessere Fortsetzung finden, als
dieses Buch, das gründlich und anschaulich zugleich
ist, gründlich durch seine minutiöse Untersuchung,
anschaulich durch seine vorzügliche Illustrierung,
die das Material in bester Auswahl und Ausführung
bringt, auf 70 Lichtdrucktafeln, von deren Abbildungen
mehr als die Hälfte hier zum ersten Male der Öffent-
lichkeit übergeben wird. Das klassische Werk von
Max Lehrs, dem hervorragendsten Forscher auf diesem
Gebiete, bildet die Grundlage des vorliegenden Werkes,
dessen erster Teil, bis zum Meister E. S., sich dem
Wesen nach mit dem I. Bande des großen kritischen
Katalogs von Lehrs deckt, während der zweite Teil
dem noch nicht erschienenen II. Bande vorgreift.

Der I. Teil beginnt mit dem „Meister der
Spielkarten", dem der Verfasser bereits früher seine
Aufmerksamkeit zugewendet hat, und — im Unter-
schiede von Lehrs — erst mit den vierziger Jahren
des XV. Jahrh. den Beginn seiner Tätigkeit zuschreibt,
um sie ihn bis in die fünfziger Jahre, unter dem Ein-
flüsse von Meisler E. S., fortsetzen zu lassen. — Den
niederrheinischen Meister von 1462 betrachtet er,
hierin ebenfalls von Lehrs abweichend, als dessen
Nachahmer. Auch bei den folgenden Meistern des
I. Teiles, die, obwohl minder bedeutender Art, und
ohne eigentliche schulbildende Wirksamkeit, doch in
der Entwickelung des Kupferstiches ihre Rolle spielten,
weicht Geisberg von Lehrs in mehreren Punkten ab;
es handelt sich hier um die anonymen „Meister von
1442", von „der Nürnberger Passion", „des Johannes
Baptista", „des Todes Maria", „des Kalvarienberges",
„des Bileam", „der Liebesgärten', die sämtlich an der
 
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