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Zeitschrift für christliche Kunst — 29.1916

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Klingelschmitt, Franz Theodor: Eine rheingauer Madonna mit Kruseler
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https://doi.org/10.11588/diglit.4343#0115

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100

ZEITSCHRIFT FÜR CHRISTLICHE KUNST.

Nr. 7

dieser Mode Stellung genommen4. Ihre Blütezeit fällt nach Ausweis der Grab-
denkmäler in die sechziger und siebenziger Jahre des XIV. Jahrh. Sie hält sich
noch lange, aber sie erlebt solche Veränderungen, daß die letzten Vertreter für
uns nicht mehr in Betracht kommen. Ja, das Fehlen der Schulterkissen könnte
dazu verführen, diese Madonna sehr früh anzusetzen5. Jedenfalls wird die Form
des Kruselers nicht erlauben, ihre Entstehungszeit unter das Jahr 1380 herab-
zurücken. Und dies Datum wäre schon reichlich spät. Damals entwickelt
sich bereits der weiche Stil, und von ihm ist bei unserer Figur aber auch

noch garnichts zu verspüren.
Nun ist es ja ein beliebtes
Auskunftsmittel, in so schwie-
rigen Fällen das betreffende
Werk für eine zurückgeblie-
bene, eine Bauernarbeit zu er-
klären. Das ist nicht ganz
unbedenklich. Nach meiner
Kenntnis der mittelrheinischen
Plastik sind ausgesprochen bäu-
rische Arbeiten überaus selten.
Das Eltviller Epitaph des
Pfarrers Bernhard Mengois
(f 1476) in der Pfarrkirche
St. Peter und Paul ist vielleicht
das beste Beispiel, das am gan-
zen Mittelrhein zu finden ist6.
Zudem wirkt unsere Madonna
zwar primitiv, feierlich starr,
aber durchaus nicht derb. Die
Photographie fälscht hier etwas,
sie modelliert zu scharf. Das
feine Profil der Gottesmutter
läßt die Ansicht, daß man es
mit einer Bauernarbeit zu tun
habe, rasch aufgeben.

Hier sei es mir vergönnt,
wenn auch nur ganz im Vorbei-
gehen nachdrücklich darauf hinzuweisen, daß bei den meisten
Untersuchungen über gotische Plastik, insbesondere, wenn es sich um Reliefs

4 A. von Heyden, Trachtenkunde, Leipzig 1889, 109.

5 Der Kruseler ohne Schulterkissen ist bei den Reliquienbüsten des Marienstatter Altars,
den D e h i o , Handbuch IV. 255 ins dritte Viertel des XIV. Jahrh. versetzt, zu finden. Dehios
Auffassung ist auch die meine, die ich bereits in meiner Arbeit über „Balduin von Trier und die
Anfänge der mittelrheinischen Kunst" in Rauchs „Hessenkunst" 1913, 19 Anm. 4 vertreten habe.
Das letzte einwandfrei datierte Auftreten des Kruselers ohne Schulterkissen, das ich kenne,
findet sich auf dem Grabmal derMargaretha von der Pfalz (t 1377) im Chor der Stiftskirche zu
Neustadt an der Haardt. — Die Baudenkmale in der Pfalz. III.'- Ludwigshafen 1900, Fig. 105.

"Ferdinand Luthmer, Rheingau 2, Frankfurt 1907, 63, der freilich von guter,
handwerklicher Ausführung redet. Seine Fig. 47 zeigt den Johannes der Gruppe, was dem

Abb. 1.
Madonna der Sammlung Klingelschmitt

Abb. 2.

Profilansicht der

ÖstricherMadonna.
 
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