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Innendekoration: mein Heim, mein Stolz ; die gesamte Wohnungskunst in Bild und Wort — 15.1904

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Dobert, Paul: Etwas über Soutache-Stickereien
DOI Artikel:
Jaumann, Anton: Die Ästhetik des Raumes, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.11377#0283

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278

INNEN-DEKOR A TION.

geübt hat. Die letzten Arbeiten der Künstlerin
sind von einer Klarheit und Durchsichtigkeit, wie
sie nur langes und liebevolles Vertiefen in die
Eigenheiten der Technik verschafft. — Minna Lang-
Kurz beherrscht »ihre« Technik. Sie beherrscht
sie so, dass ihre Entwürfe nicht blos den Stempel
der Technik, nein, auch den der persönlichen Eigen-
art der Künstlerin tragen. Denn diese Technik
tyrannisiert nicht, sie erzieht. Sie zwingt zum Nach-
denken, zum Nachdenken über die richtige und
zweckmässige Verwendung von Material, Form,
Farbe und ebnet so dem modernen Kunstgewerbe
den Weg ins Publikum.

Diesen wohltätigen Einfluss erhoffe ich von
der Soutache-Stickerei. Deshalb plädiere ich so
dafür, dass diese alte, doch wenig betriebene und
gering geschätzte Technik wieder Eingang ins

Haus finden möge, zumal sie ja alle Vorbeding-
ungen einer Hauskunst erfüllt, hygienisch einwand-
frei ist — eine Eigenschaft, die man dem augen-
mordenden Handsticken nicht gerade nachrühmen
kann — und relativ wenig Zeit erfordert. Diese
Zeitersparnis ist um so grösser, wenn man die
Soutache nicht wie früher mit der Hand sondern
mit der Maschine aufnäht.

Und dann — ich betone das zum Schluss noch-
mals — sehe ich in der Soutachestickerei ein
glückliches Mittel, unserem modernen Zimmer das
Nüchterne und Kalte zu nehmen, das der Deutsche
nun mal so wenig liebt. Ein glückliches Mittel
fürwahr, das zeigen, mehr als Worte es vermögen,
Minna Lang-Kurz' Arbeiten, selbst wenn sie — wie
hier — nur durch ein Surrogat, durch Abbildungen
auf uns zu wirken vermögen. paul dobert.

Die Ästhetik des Raumes.

(Schluss aus dem Oktober-Heft.)

Ganz entsprechend differenziert und gestaltet
sich der Raum in unserer Anschauung; er
verdichtet sich an einem Ort, dafür bleibt
anderswo die Leere zurück. Und der Gegensatz
bringt Kampf; der leere Raum ist bestrebt, Materie
in sich aufzunehmen (horror vacui), und die Körper-
haftigkeit strebt sich noch mehr zu verdichten und
Materie anzusaugen. Neben dieser grossen Scheidung
gehen aber einher die unzähligen Grade der Verdich-
tung und die Weisen der Differenzierung und Materia-
lisation. Immer wieder verschieden ist der Zusammen-
hang der Raumteilchen innerhalb der Körper, ihre
Lage, ihre Dichte, und das Spiel der Kräfte, das in
ihnen waltet und sie in ihrer Gestalt erhält. Aber be-
ständig herrscht eine strenge Reziprozität zwischen
den Körpern und dem sie
umgebenden leeren oder min-
der körperhaften Raum; denn
da der Körper eben durch
Anziehung der in der Um-
gebung ehemals vorhandenen

körperhaften, materiellen
Raumteilchen entstanden ist,
so ist er nach Grösse, Struktur
und Gestalt abhängig von
dem Raum, aus dem er er-
wachsen. Es ergibt sich von
selbst ein gewisses Gleich-
gewicht zwischen beiden,
wenn auch immer bei ver-
schiedenen Räumen hinsicht-
lich ihrer Fruchtbarkeit, ihrer

paul und minna lang.

Soutache, Kurbel-

Zeugungskraft Unterschiede bestehen mögen. —
Aus der Form und Struktur des Körpers schliessen
wir wiederum auf die besondere Art der Kräfte,
die dem betreffenden Räume eigentümlich sind,
und die Entstehung gerade dieses Körpers be-
wirken. Jeder Körper hat über seine Grenzen
hinaus eine gewisse Einfluss-Sphäre, wo die Gesetze
seiner Formen noch herrschen, wo seine charakte-
ristischen Linien weiterklingen und die »Tonart«
festhalten. Oft bekommt dann ein ganzer Raum-
komplex durch solche Einrichtungen einen be-
stimmten Charakter oder eine gemeinsame Bewe-
gung. Es ist ein allgemeines Aufwärtsstreben
zwischen und um die Säulen eines Tempels oder
in einem Zimmer infolge mehrerer Vasen und

dekorativen Figuren. — Am
stärksten ist die gegenseitige
Abhängigkeit zwischen der
Wand und dem von ihr um-
schlossenen Raum. Durch
die Begrenzung werden die
Kräfte des Raumes wach-
gerufen ; sie wehren sich und
stemmen sich gegen die Ge-
walt von aussen, Kraft wirkt
gegen Kraft, und aus ihrem
Kampf wird und erhält sich die
jeweilige Form des Raumes.
Sie ist eine Neugeburt jedes
Augenblickes; jeder Moment
des Kampfes zeugt neues
Leben. Entferne den Gegner,

Kissen,
nd Handstickerei.
 
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