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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Der Humor in der deutschen Kunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0013

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III. Jahrgang. Lest ;

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i. Oktober M?


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Der Hmnor in der deutschen Kunst

vom Herausgeber

lh^vn allen Nationen ist die deutsche sicherlich am reichsten
^ an scharf, ja eigensinnig und barock ausgeprägten In-
dividualitäten. Es ist das die Folge unserer Geschichte, wie
unsere wunderliche politische Verfassung offenbar wieder das
Ergebnis unseres hartnäckigen Absonderungstriebes war. Ihm,
wie dem uns ganz beherrschenden Widerspruchsgeist, verdanken
wir auch unseren Überfluß an Originalen. Bei allen anderen
Völkern wird den einzelnen durch Sitte und Mode, durch
Religion und Politik ein gewisses gemeinsames Gepräge
aufgedrückt, nur in Deutschland hat dies selbst unser Über-
maß von Schulmeisterei bis heute nicht zu bewirken ver-
mocht. Trotz derselben sind wir Gott sei Dank die schlechtest
erzogene, aber auch wenigst langweilige Nation geblieben,
weil jeder sich eigensinnig nach seinem Gutdünken ausbildete,
und nur das kantige Wesen allen gemeinsam blieb. Wenn
das nun unsere politische Entwicklung unendlich benachteiligte,
so war es dagegen für Kunst und Wissenschaft von außer-
ordentlichem Wert, da es uns bei ihnen eine Frische und
Ursprünglichkeit sicherte, die man anderwärts selten trifft.

Daß nun unsere Kunst diese geistige Verfassung der
Nation seit etwa fünfzig Jahren mit immer steigender Schärfe
widerspiegelt, das ist offenbar ihr Hauptverdienst und legt
zugleich ein glänzendes Zeugnis von jener seltenen geistigen
Freiheit ab, die uns früher so oft die politische ersetzen mußte.

Aus Karl Gehrts' Skizzenbuch Aber erst, seit wir auch die letztere mit der Einheit zugleich

errungen, würzt unsere Kunst diese Schilderung jetzt mehr und
mehr mit einem Humor, der von dieser Freiheit den bald ergötzlichsten, bald liebenswürdigsten Beweis gibt.
Ec ist eine lustige Selbstbespiegelung, in der wir die einzelnen, besonders auffallenden oder allen gemeinsamen
Auswüchse unseres Individualismus zur allgemeinen Erbauung preisgeben. Diese Auffassung unseres nationalen
Lebens ist, wie gesagt, durchaus eine Frucht unseres Jahrhunderts und unseres allmählich fortschreitenden
Aufschwungs; das vorige, erst ganz vom Zopf und später vom Klassizismus beherrschte Säkulum zeigt davon
wenig oder nichts, obwohl schon unsere alte nationale Kunst den Humor früher als alle anderen Völker ent-
wickelte. Aber diese alte Kunst weiß von der feineren Seelenmalerei überhaupt noch nicht viel, die völlige
Unterordnung, ja Sklaverei derselben im kirchlichen Dienst verhinderte ihre Entwicklung nach dieser Seite.
Der Humor liegt daher bei ihr gewöhnlich in der Situation, nicht in den Charakteren, wie z. B. bei jenem
Relief des jüngsten Gerichts über dem Hauptportal des Freiburger Münsters, wo ganz im Vordergrund ein

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