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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Vincenti, Carl Ferdinand von: Die Wiener Internationale Jubiläums-Kunstausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0270

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206

Die wiener Internationale

von Larl v

II.*)

Historie und Bildnis

nsere Jubelausstellung im Künstlerhause ist trotz allem
ein Torso. Niemand wird sich bei halbwegs ein-
gehendem Studium dieser Erkenntnis verschließen können.
Aller Glanz der Teile — soeben werden für Ende dieses
Monats über hundert Bilder aus Belgien angekündigt —
vermag nicht über die Ilnvollstündigkeit des Ganzen hin-
wegzutäuschen, wenn man das geschloffene Gesamtbild der
1882er internationalen Ausstellung in der Lothringer-
straße in Vergleich zieht. Freilich trifft uns keinerlei
Vorwurf, die Gründe, die äußeren wenigstens, liegen ja
offen genug zutage: ein großes Kunstland schmollt und
in drei anderen stehen große Konkurrenz-Ausstellungen
bevor. Noch nie vielleicht ist in Künstlerateliers so starke
Nachfrage für expositionelle Zwecke gewesen, wie in diesem
Jahre. Da müssen wir uns denn bescheiden und mit
dem überaus glänzenden Zuspruche trösten, dessen sich die
Jubelausstellung erfreut. Von dieser Seite wenigstens ist
ihr Erfolg unbestreitbar. Daß es unter obwaltenden
Umständen mit der Aufstellung vergleichender Gesichts-
punkte ein prekäres Ding ist, leuchtet wohl ein; solches
thut übrigens an dieser Stelle, wo anläßlich der Berliner
Ausstellung der vielerfahrene Herausgeber dieses Blattes
nach jeder Richtung hin bemerkenswerte Winke gegeben
hat, kaum not. Uns wird deshalb eine gewisse summa-
rische Knappheit nicht sowohl vergönnt, als vielmehr ge-
boten sein.

Prüft man die Ausstellung auf ihren Gehalt an
Historienbildern, so gelangt man zunächst zu der
Wahrnehmung, daß die wenigsten Länder „große Kunst"
ansgestellt haben, das Vorhandene sich vorwiegend auf
religiösem Gebiete bewegt und es zumeist nur jüngere
Künstler sind, welche die ausgestellten Historienbilder ge-
malt haben. Am bemerkenswertesten treten Österreich und
Spanien hervor, ersteres mit 21 Nummern, letzteres aus-
schließlich mit bereits klassierten Galeriebildern weitläu-
figster Komposition. Deutschland, wo seit einem De-
zennium die Historie so edle Pflege gefunden, stellt nur
etwa ein Dutzend Nummern bei, eine Zurückhaltung,
welche insbesondere bei der Münchener Schule, welche
ja für das große Ausstellungsfest an der Isar rüstet, sehr
begreiflich, aber um so bedauerlicher ist, als eben gerade
München die Führung auf diesem Gebiete besitzt. Ungarn
bietet nur ein Historienbild und Italien gar keins.
Die Italiener malen eben nur marktsichere Ware, zu
welcher bekanntlich, wenn, wie dort, die Staatsaufträge
fehlen, die Historienbilder nicht gehören. In der italieni-
schen Ausstellung sind denn auch durchweg alle Bilder
zu haben, während natürlich alle vorhandenen spanischen
Gemälde in fester Hand sind. Belgisches wird erwartet;
vorläufig wäre nur Ouderaa mit seinem etwas trocken
gemalten, aber gut angeordneten Chronikbilde „Der Mein-
eidige" zu nennen. Die Skandinavier, welche 1882 auf
diesem Gebiete achtunggebietend vertreten waren, könnten
diesmal höchstens Dahls „Töchter der Ran" als Historie
reklamieren, obwohl ich es lieber mythologisches Genre
nennen möchte.

*) I. s. S- 184 des vorigen Heftes.

Iubiläums-Kunttausstellung

c>n vincenti

Makart, Canon, Feuerbach sind nicht mehr; diesen
dreifachen Verlust wird man allemal schmerzlich empfinden,
wenn man von österreichischer Historienmalerei spricht.
Man wird auch in unserer Historie vergebens nationalen
Geist suchen, welcher aus dem Herzen des Reiches zum
Herzen jedes Österreichers spräche. Solcher Geist
spricht in der österreichischen Historienmalerei als Sonder-
geist, vornehmlich in der Krakauer Schule, deren Führer,
der Großmaler polnischen Nationalruhmes, sich soeben erst
mit seinem großen Kosciuszko-Bilde ankündigen läßt. Trotz-
dem tritt diesmal unsere Historie mit mehr Nachdruck
auf, als vor sechs Jahren. Wie damals sind zwar auch
diesmal die Spitzen der Akademie mit wenigen Ausnahmen,
wieMatejko und Griepenkerl, welche übrigens vorläufig
zu besonder» Bemerkungen kaum Anlaß bieten, fern geblieben,
aber der historienmalende Nachwuchs hat einen bemerkens-
werten Anlauf genommen. Einige haben sogar mit
mutiger Uuverdrossenheit „unbestellte" Historie im großen
Stile heruntergemalt, was allemal etwas heißen will in
einer Zeit, wo brillant gemalte Spitzcndcvants und appetit-
reizend dargestellte Wildpasteten mehr Bewunderer und
Käufer finden, als das inbrünstigste Heiligenbild. Und
gerade das letztere haben die Jungen recht gläubig gepflegt.
Nicht weniger als drei „Kreuzabnahmen" weist die öster-
reichische Abteilung auf, von Julius Schmid, Johann
Krämer und Josef Unierzynski. Alle drei Kompo-
sitionen weisen mehr als akademische Vorzüge auf, ins-
besondere das Krämer'sche Bild ist vortrefflich in den Raum
hineinkomponiert und koloristisch bemerkenswert. Adalbert
Seligmann bietet eine „Heilige Familie", die in manchem
gute Münchener Schule verrät; die Auffassung ist realistisch
im besseren Sinne und zeigt in der Gestalt des Knaben
Christus eine gewisse Vertiefung; Pirchan's „Madonna"
hält anRahlscherÜberlieferung fest, während Bernatzik,
welcher diesmal mit seiner „Vision des heiligen Bernhard"
unter die Heiligen- und Freilichtmaler zugleich gegangen
ist, offenbar nicht umsonst im Atelier Bonnat gearbeitet
hat; sein Bild zeichnet sich durch Naturempfindung und
lebendigen malerischen Vortrag aus. Der Feuerbach-
schüler Golz ist hingegen mit seinem „Christmorgen"
nicht ganz so glücklich gewesen, wie mit seiner „Heiligen
Familie"; Mankowski, der bei Makart und Matejko
gelernt hat, frappiert in seiner „Erweckung durch den
heiligen Petrus" durch energische Ausdrucksweise und
Farbengebung. Einer unserer begabten jungen Akademiker
Adolf Hirsch! hat sich diesmal in seinem „welterlösenden"
Bilde „Ahasver" an eine Aufgabe gewagt, welcher er
noch nicht gewachsen ist, ein Wort, welches auch bis zu
einem gewissen Grade von dem Makart-Schüler Schram
gilt, der wieder eine unendliche Leinwand gebraucht hat,
um seinem Farbendurste zu genügen. Sein Gemälde
„Bianca Capello" verrät zwar unleugbare malerische
Qualitäten und ein gewisses Lebensgefühl, aber es fehlt
dem Ganzen die künstlerische Reife, abgesehen davon, daß
der an sich unklare Vorgang nur mäßiges Interesse bietet.
Nicht viel interessanter für ein nichtpolnisches Publikum
sind auch die sonst recht flott gemalten und malerisch bewegten
Gefechtsszenen Kossaks aus dem ersten Polenaufftande,
deren eine uns mit dem gewiß tapsern Generale Chlopicki
mit seinem durchwegs hochgräflichen Stabe bekannt macht.
 
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