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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Brandes, Otto: Karikatur-Ausstellung in Paris
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0382

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AariKstur-AussteüunN in WariK

von Gtto Lrandes

enn ich offen sein soll, hat mir die hiesige Aus-
stellung der Werke französischer Meister in der
Karikatur dieses Jahrhunderts eine große Enttäuschung
bereitet. Ich bin zu der Ansicht gekommen, daß eine
solche Ausstellung überhaupt für das große Publikum kein

Interesse haben kann. Welche Aufgabe hat die Karikatur?
Sie muß vor allen Dingen aktuell sein. Nur in der
Aktualität ist sie wirksam. Sie muß ferner klar sein, um
sofort ein frohes Lachen auf die Züge des Beschauers zu
zaubern. Jede Karikatur, auf deren Bedeutung man erst
durch lange Reflexion kommt, ist verfehlt. 3iun ist man
aber bei Betrachtung der uns vorliegenden Karikaturen
dauernd zu historischen Exkursionen gezwungen, natur-
gemäß geht die Wirkung des Werkes verloren und was
man vom Besuch der Ausstellung erwartete: sich zu
amüsieren und lustig zu lachen, das wird Einem doch nur
in sehr geringem Maße zuteil. Das Parfüm, welches
diesen Karikaturen einst angehaftet haben mag, ist ver-
duftet und wir stehen meist vor verwelkten Blumen.

Es war vielleicht auch nicht richtig, die Karikatur
auf die großen Meister zu beschränken und der urwüchsigen

Karikatur, wie sie im fliegenden Blatte aus dem Volke
hervorgeht, fast keine Beachtung zu widmen. Dann will
mir scheinen gehört auch ein Teil der Bilder gar nicht
in die Ausstellung. Sie sind heitere, wohl komische Lebens-
darstellungen, aber keine Karikaturen.

In technischer Beziehung ist die Aus-
stellung natürlich interessant. Sie zeigt,
wie auch dieses Gebiet sich aus den Fesseln
der Schulmalerci los macht und wie der
Künstler mit eigenen Augen sieht und die
Natur sich zur Lchrmeisterin erwählt.
Diese Periode fängt nach David mit
Carle Vernet (1758—1835) an, der
ein getreuer Historiograph des Sports,
der Jagd, der Wettrennen wie auch der
Szenen ans der Straße, im Cafe und im
Salon die Freude der Leute unter dem
Direktorium ausmachte. Sein hier aus-
gestellter „Windstoß" und der „Barbicrtag
des Kohlenhändlers" sind voller Humor
und zeigen eine leichte Hand und gute
Beobachtung. Einen bedeutenden Schritt
weiter thut schon Charlct (1792—1845),
der hauptsächlich sich dem Studium des
Soldatenlebens widmete, so daß man ihn
den „Moliere der Kaserne und der Kneipe"
nannte. „Der erste Schuß" und eine
Illustration zu der militärischen In-
struktion auf das Kommando: „Halt" den
auf dem Boden ruhenden Fuß mit
schnellem Ruck an den in der Luft schwe-
benden heranzuziehen, sind Produkte der-
ben Humors. Der unendlich dumme
Ausdruck der jungen bäuerischen Rekruten
über diese seltsame Anweisung ist vortreff-
lich studiert und wiedergegeben. Henri
Monnier (1808—1877) besitzt in her-
vorragender Weise das Talent, uns den
Spießbürger seiner Periode darzustellen.
Die „Familie Prudhomme", die „Zcitungs-
lektüre" u. a. legen von der Fähigkeit
Monniers, scharf zu beobachten, das
Charakteristische eines Individuums sofort
herauszufinden und mit sicherer Hand fest-
zuhalten, beredtes Zeugnis ab. Einen großen Erfolg er-
reichte seiner Zeit Grandville (1803—1847) mit seinen:
Lletamorpkioses cku jour, ein koloriertes Album, in wel-
chem auf Menschenkörpern Tierköpfe sitzen, eine Idee, die
uns heute ziemlich verbraucht erscheint, die aber um das
Jahr 1829, wo die Sammlung erschien, große Sensation
erregte. Die Darstellungen, welche ich in der »Laote
ckes deaux arts« gesehen, sind zwar nur von einen:
sanften Humor, aber nicht ohne Leben und Bewegung.
Etwas witziger wird die Karikatur unter Decamps, der
sich Karl X. aufs Korn nimmt. Ein Bild (Aquarell),
auf welchem der alte König im Schlasrock von einem
Lehnstuhl aus auf einen Hasen aus Pappe schießt, dürfte
von den Bildern dieser Art die schärfste Charge sein.

Mit Gavarni (1801—1866) kommen wir auf
den ersten Meister in der Karikatur und aus einen feinen

Porträt, von Wilhelm Räuber

Münchener )ubil.«Ansstellung
 
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