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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 3.1887-1888

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Pecht, Friedrich: Die Münchener Ausstellungen von 1888, [6]: die Malerei der übrigen Nationen
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Voss, Georg: Die Berliner Kunstausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.9418#0439

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Die Münchener Ausstellungen von >888. von Fr. Hecht — Die Berliner Kunstausstellung, von Georg voß

und kräftige Färbung sie mit jedem alteu Spanier wetteifern läßt. — Außerordentlich eigenartig, obgleich in

manchem an Holbein und seine nüchterne Schürfe erinnernd, sind dann die Bildnisse Alma Tademas von

seiner etwa zwölfjährigen Tochter, einem wahrhaft rührend träumerischen Backfisch, und seinein Arzt, die mir
viel lieber wären als alle seine unglaubwürdigen alten Römer und ägyptisch-kostümierten Prinzessinnen.
Mehr der älteren, von Reynolds bestimmten Auffassung gehören dann die Bildnisse zweier Kinder und ver-
schiedener Mädchen von Richmond, so urenglisch, wie man sich's nur denken kann, ebenso ein Kind von

Millais voll heiterer Unschuld. Barock in ihrer Stimmung auf jenen Ton, wo alle Katzen grau zu er-

scheinen Pflegen, aber immerhin höchst charakteristisch sind auch die Bildnisse Whistlers. Historie gibt's dies-
mal so gut wie gar nicht bei den Engländern, denn Gows Prinz Moritz nach der Schlacht bei Nieuport ist
eigentlich bloß ein übrigens treffliches Porträtbild. Auch die Sittenbildmalerei hat nur wenig Treffliches in
jenem größeren breiteren Stil, welchen dem Charakter der Nation entsprechend die Schule, im Gegensatz zum
Wilkieschen Pessimismus, erst in neuerer Zeit ausgebildet hat. So von Neid eine Marktszene bei einem
englischen Hafen, wo ein Kalb und ein Backfisch die Hauptrollen spielen. Ganz meisterhaft, wie alte Nieder-
länder, sind die Bilder des in London wohnenden Holländers Maris, so eine Wäscherin im Garten, die
Ostade nicht besser gemacht hätte. Ein Kardinal im Klostergarten von Sadler ist dann wenigstens hübsch
gemalt. Die Landschaft hat eine prächtig farbige Herbstszene von Hals welle und einen köstlich einsamen
schottischen Loch so — und — so, alles andre ist unbedeutend, oder so barock, daß es für uns ungenießbar
wird. — Immerhin wird man aber mit der größten Hochachtung von diesem charaktervollsten aller Säle

scheiden. (Die Fortsetzung im nächsten Hefte)

Dio Berliner lilniftausiftellung

von Georg Voß

<M lles, was auf dem Gebiet der Kunst geschaffen wird,
läßt sich in zwei Abteilungen zerlegen. Bei dem
einen Teil der Werke setzen die Maler und Bildhauer ihr
reifstes Können ein, um das Höchste in ihrem Fach zu
erreichen. Das sind die Werke, welche für die Ausstellungen
bestimmt sind. Sie sollen Ehren und Medaillen erwerben.
Sie sollen den Künstler berühmt machen. Verkauft wird
indessen von allen diesen Werken nur hie und da ein Stück.
Der Grund dafür ist verschieden. Die neuen künstlerischen
Probleme, welche in diesen Werken gelöst werden, bleiben
in weiten Kreisen oft ein Jahrzehnt und länger unpo-
pulär. In den meisten Fällen ist es schon allein das
riesenhafte Format, welches dem kaufenden Publikum den
Erwerb der großen Ausstellungstreffer unmöglich macht.
Diese Bilder wandern daher von Ausstellung zu Aus-
stellung viele Jahre hindurch und kehren schließlich unver-
kauft zurück. Der Künstler hat dann seinen Ruhm, aber
leider auch fast all die großen Bilder an den Wänden
seines Ateliers hängen. Ganz naturgemäß sieht er sich
daher gezwungen, Werke zu schaffen, die besser geeignet
sind, einen regelmäßigen Absatz zu finden. Zunächst greift
er zum kleinen Format, wie es sich für die Wände des
Haushaltes schickt, sodann vermeidet er geflissentlich alle
neuen künstlerischen Probleme, die in weiteren Kreisen un-
verstanden bleiben konnten. Er wiederholt nur das, wo-
von er des Erfolges sicher ist. Er malt die Dinge, wo-
rauf er seine koloristischen Rezepte erprobt hat. Gewiß
entsteht auf diese Weise so manches gefällige Bild, aber
von einem großen Ringen und Streben, das die Kunst
zu neuen Zielen vorwärts reißt, ist in diesen Werken nicht
die Rede. Eine Ausstellung von Werken dieser Art ist
die gegenwärtige Berliner Kunstausstellung.

Gegenüber dem außerordentlichen Erfolge der Mün-
chener Kunstausstellung ist dies eine Niederlage. Doch
dieselbe ist nur natürlich, denn der dort veranstaltete
internationale Wettstreit mußte diesmal die Künstler leb-

hafter anziehcn, als die regelmäßigen Jahresunternehmungcn
der Berliner Akademie. Alles war auf diese Niederlage
vorbereitet. Der Senat war daher von vornherein dar-
auf bedacht, einer Ausstellung, von der nicht viel mehr
als die gewöhnliche Atelierware zu erwarten war, auf
andre Weise ihren besondern Wert zu sichern. Der Senat
hat einen besondern Wert ans die Ausstellung von Aqua-
rellen und Zeichnungen gelegt und es verstanden, eine
Reihe von bedeutenden Künstlern zu einer Ansstellung von
ganzen Gruppen ihrer Aquarellen und Zeichnungen zu ver-
anlassen.

In einem besondern Raume bringt Adolf Menzel
allein 33 seiner Werke. Von großem künstlerischem Werte
sind ferner die ebenfalls als kleine Sonderansstellnngen
gruppierten Aquarellen von Edgar Meyer, Hans
Bartels, Hans G»de, Eugen Bracht, Albert
Hertel, Paul Meyerheini, Ludwig Passini,
Franz Skarbina und Hans Herrmann. Auch Blei-
stiftzeichnungen sind in Menge ansgestellt. Unter den
neuen Talenten, welche auf diesem Gebiete hervorgetreten
sind, sei hier namentlich der Porträtzcichner Jsmael
Gentz, der Sohn des bekannten Orientmalers Wilhelm
Gentz, hervorgehoben.

In den Gemäldesälen befindet sich manches gute Bild,
namentlich von Berliner und Düsseldorfer Künstlern.
München ist fast ganz ausgeblieben. Von den alten be-
kannten Namen der deutschen Kunst läßt sich bei einer
derartigen Ausstellung nichts Neues berichten. Fast jeden
von ihnen sieht man hier in seinem altgewohnten Geleise
gehen, und obwohl fast alle diese Bilder neu sind, so
glaubt man sie doch längst bereits einmal gesehen zu
haben. Eigentlich Neues kann daher diesmal nur von
den jüngeren Kräften berichtet werden.

Unter den Düsseldorfern ist das Hauptwerk Arthur
Kampfs „Aufbahrung der Leiche Kaiser Wilhelms im
Berliner Dom". Der junge Künstler, bisher einer der
 
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