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Die Kunst für alle: Malerei, Plastik, Graphik, Architektur — 20.1904-1905

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Rosenhagen, Hans: Die Zukunft der Kunstausstellungen
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Die Menzel-Ausstellung in der K. Nationalgalerie zu Berlin
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https://doi.org/10.11588/diglit.12355#0395

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DIE MENZEL-AUSSTELLUNG IN DER K. NATIONALGALERIE ZU BERLIN

fortgesündigt und der Masse der Verdienst-
losen Einfluß auf die Gestaltung des künst-
lerischen Teiles der Ausstellungen eingeräumt
wird. Schon machen den Sezessionen ein-
zelne Kunstsalons mit sehr fortschrittlicher
oder internationaler Tendenz eine nicht un-
bedenkliche Konkurrenz. Eine mit einem
Kunstmarkt kombinierte Elite-Ausstellung
würde einen so wesentlichen Teil ihres bis-
herigen Programms erledigen, daß sie auf
ein neues sinnen müßten, um ihre Daseins-
notwendigkeit darzutun. Und daran wird
man hoffentlich einst erkennen, daß in den
Sezessionen wirkliche und intelligente Künst-
ler vereinigt sind, daß sie sich zur rechten
Zeit mitTatsachen auseinanderzusetzen wissen,
weil sie Bewegung und Fortentwicklung als
den Sinn der Kunst erkannt haben.

DIE MENZEL-AUSSTELLUNG IN DER
K. NATIONALGALERIE ZU BERLIN

\/on dieser Ausstellung kann man nicht anders als
' wie von einem Elementarereignis sprechen, so-
weit geht ihr Inhalt über menschliches Fassungs-
vermögen oder doch über menschliche Aufnahme-
fähigkeit hinaus. Sie überwältigt nicht nur durch die
Fülle der Gesichte — auch der Gedanke, daß alles das
von einem einzigen Menschen geschaffen wurde,
hat etwas Erdrückendes. Ein so ungeheueres Werk
hat noch niemals ein Künstler hinterlassen. Der
Katalog verzeichnet 5699 Nummern. Die beiden
oberen Stockwerke der National-Galerie, einschließ-
lich der beiden riesigen, für den Zweck ganz ein-
fach, aber sehr würdig dekorierten Cornelius-Säle,
haben kaum zugereicht, alles sichtbar zu machen,
was die unermüdliche Hand dieses Einzigen voll-
bracht. Und man staunt auch, wie es möglich war,
das ganze Lebenswerk Menzels innerhalb der wenigen
Wochen, die seit dessen Tode vergangen, in dieser
Lückenlosigkeit herbeizuschaffen, zu ordnen und
aufzustellen. Herr von Tschudi hat mit seinen Ge-
hilfen Unglaubliches geleistet. Von Menzels großen
Bildern fehlt nur der >Ueberfall bei Hochkirch«,
dessen Zustand eine Ueberführung aus dem Arbeits-
zimmer des Kaisers in die Galerie leider nicht ge-
stattete. Die Gouachen und Aquarelle dürften ziem-
lich vollzählig vorhanden sein. Das gilt auch von
den Zeichnungen, während das graphische Oeuvre
wohl zuverlässig komplett ist. Zunächst muß man
sich freilich von seinem Erstaunen erholen über
die enorme Kraft, die sich in dem kleinen Menzel
offenbart hat, über seine Phantasie, die keine Grenzen
kannte, über diesen Geist, der scheinbar alles zu
durchdringen vermochte, über diese Augen, die
alles sahen, über diese Hände, die den Augen
und Eingebungen ihres Herrn so gehorsam waren.
Der Katalog, in dem die übliche Biographie durch
eine chronologische Aufzählung der Hauptdaten aus
Menzels Leben und seiner wichtigsten Werke er-
setzt ist, bildet einen starken Band von 400 Seiten.
Wie wäre es möglich, hier ins einzelne zu gehen,
ja auch nur auf alle weniger bekannten Schöpfungen
hinzuweisen! Zu den bemerkenswertesten von diesen
dürften die zehn Bilder in Gouache gehören, die

der Künstler im Auftrage König Friedrich Wil-
helms IV. für ein Album der Kaiserin Alexandra
von Rußland zur Erinnerung an das Fest der weißen
Rose am 13. Juli 1829 in Potsdam im Jahre 1854
ausführte und die von Nikolaus II. hierher geliehen
sind. Da der Künstler das Fest nicht gesehen, hat man
in diesen wundervollen Blättern zum Teil wenig-

ALBERT VON KELLER TÄNZERINNEN

stens freie Erfindungen Menzels vor sich, die seiner
Phantasie, seinem Witz und seinen Kenntnissen die
größte Ehre machen. Unbekannt für die Allgemein-
heit ist ferner ein unvollendetes Bild aus dem
Friedrich-Zyklus >Ansprache Friedrichs d. Gr. an
seine Generäle am Abend vor der Schlacht bei
Leuthen<, das bis zum Tode des Künstlers in seinem
Atelier hing und von ihm selbst stellenweise ab-

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