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Voss, Georg [Editor]; Lehfeldt, Paul [Oth.]
Bau- und Kunstdenkmäler Thüringens (Band 2): Herzogthum Sachsen-Meiningen: Kreis Hildburghausen ; Amtsgerichtsbezirke Hildburghausen, Eisfeld, Themar, Heldburg und Römhild — Jena, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.19411#0074

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54

Hildburghausen, Regierungsgebäude.

Hildburghausen. 54

nach angeordnete Spiegelgewölbe werden durch einen korbbogigen Gurtbogen auf
Wandconsolen getrennt. Das heiterste Roccoco macht hier einen um so an-
heimelnderen Eindruck, da der Raum verhältnissmässig niedrig ist und mit sicht-
licher Berechnung des Künstlers die Kraft der Schattenwirkungen nach den tieferen
Theilen hin zunimmt, Das [jetzt freie, früher wohl mit Malerei gefüllte] Mittelfeld,
welches den ungefähren Umriss: r^^N hat, tritt in nur schwachem Relief zurück.
Nach den Wänden zu werden der Linienzug und das Relief immer

stärker, auch binden sich die Linien nicht an die Grenzen der Wölbflächen. Wie
einerseits die Stuckirungen, welche die Wölbflächen füllen, in den sogen. Spiegel
hineingreifen, so beginnen andererseits diese Füllungs-Verzierungen schon an den
Wänden und dem Gurtbogen und steigen im Hauptmotiv so: ^»^v nach der
Mitte zu an. Diese, gewissermaassen Einrahmungen bildende Stuckaturen sind durch
länglich-ovale Querrippen, Schnörkel, stilisirte Palmblätter und andere Füllungs-
muster des ausgebildeten Roccoco, sowie durch naturalistisches Blattwerk in mannig-
faltiger Erfindung auf das Anmuthigste belebt, wobei die Relief-Vertiefung stets
nach der Mitte zu wächst. An den Gurtbogen - Mitten sind ein Waldhorn und
Pauken hinein componirt. An den Ecken des Gewölbes bilden Roccoco-Schilde die
Füllung, unter denen consolartige Bildungen vortreten, doch weniger in dem Sinne,
dass die Wölbung auf ihnen ruhend hier aufsteigt, sondern vielmehr schwebend
sich nach diesen betonten Ecken herabsenkt. Die Stuckirungen nach diesen Con-
solen hin und in ihnen selbst zeigen starke Relief-Vertiefung, die stärkste aber
diejenigen in den beiden den Gurtbogen tragenden Mittelconsolen, welche auch am
tiefsten herabreichen. Sie waren offenbar die Lieblingsstücke des frei formenden
Künstlers; der Gips folgt hier völlig der Porzellantechnik mit ein- und ausge-
bogenen, gehöhlt überfallenden, an- und aufgesetzten bezw. angekneteten Theilen.
Alle diese zum Theil zarten und feinen Gebilde, welche jedenfalls durch Färbung
in verschiedenen Tönen und wohl auch Versilberung (oder Vergoldung) ebenso fein
malerisch behandelt waren, sind im Laufe der Zeiten meist dick überstrichen und
zum Theil verräuchert. Nur die Wände sind noch nach dem alten Vorbild grün,
aber bei Erneuerungen derber im Anstrich und schmutzig geworden; die Durch-
gangsbögen, die Pfeiler und die Thüren zu den Zimmern sind jetzt braun gestrichen.
Die Thür zum Amtsgerichtszimmer hat noch ihre einfach geschnörkelte Füllung
des Holzflügels bewahrt. — Im 2. Obergeschoss sind die Bögen der Treppen-
Durchgänge., und die Unter-Ansicht der zum Bodengeschoss führenden Treppe noch
mit einigen Schnörkeln und Stäben stuckirt, aber verhältnissmässig einfach. — In
den Amtsgerichtszimmern sind einige Wände und Decken hübsch stuckirt, wenn
auch entstellt und beschädigt. Im Vorzimmer sind die Wände durch ein Sockelgesims
und durch aufsteigende Stäbe getheilt. Im Sockel sind nur Felder durch mehr-
gliederige Umrahmungen gebildet; jedes Wandfeld über dem Sockel ist durch
wagerechte Umrahmungslinien in zwei rechteckige Felder getheilt und die Fläche
zwischen, unter und über den so gebildeten Feldern mit leichten, gebogenen Linien
umzogen und mit einem Roccoco-Schnörkel gefüllt. Ebenso sind die Felder über
den beiden zum Treppenflur und zum Nachbarzimmer führenden Thüren (Sopra-
porten) mit rechteckigen, an den Ecken und Mitten von Schnörkeln unterbrochenen
Stäben umrahmt. So entstehen verhältnissmässig kleine Theilungen, durch welche
das Zimmer früher jedenfalls den Eindruck eines traulichen Gemaches erhielt.
 
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