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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 1
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Riehl, Berthold: Der Alterthümler und das moderne Kunstgewerbe, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0020

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volle Originale hauptsächlich deutscher Meister des sä.
und s6. Jahrhunderts, sind in einem Wandschrank ver-
wahrt mit fein geschnitztem gothischem Ornament an dem
Thürchen, sowie in zwei Truhen, die zierlich verästetes
Eisenbeschläg und originelles Flachornament decorirt, und
die zugleich durch aufgelegte Lederkissen als Sitzgelegenheit
dienen. Nahe dem Fenster steht ein Schreibtisch; der Zeit
nach paßt er allerdings nicht so ganz in diesen Raum,
denn die schwarz eingelegte Jahreszahl meldet s66s als
sein Geburtsjahr, aber durch die schlichten Formen ordnet

7. Treppenhaus-Parttsie;

Tintenskizze vc>n Architekt j)aul P> fann, München.

er sich so gut unter, und sein hell- und dunkelbraunes
polz paßt so trefflich zum Ton des Ganzen, daß man
ihn nicht gern entfernen möchte; um so mehr, als es wohl
kaum gelingen wird, einen echten gothischen Schreibtisch
auszutreiben, wie sich beispielsweise einer im Museum
zu Basel findet. Der Stuhl vor dem Schreibtisch aber ist
wieder ein Original des sä. Jahrhunderts, ein schmaler
Klappstuhl mit einigen höchst einfachen, spätgothischen
Ornamenten an der Rücklehne.

Befremdend, treten uns in dem Zimmer itur ein paar
fein gezeichnete Legendenbilder von Schnorr v. Tarolsfeld
entgegen, die in bescheidenen Rahmen unter Glas an der
Wand hängen, sowie eine Nachbildung des Schwanthaler-

schen Tafelaufsatzes mit den Pelden und peldinnen des
Nibelungenliedes. Der Vater des jetzigen Besitzers hatte
sie seiner Sammlung mittelalterlicher Kunstwerke eingesügt,
aus Verehrung für die Kunst jener Zeit, die das Mittel-
alter wieder zur Geltung gebracht und den hohen Werth
der deutschen Kunst dieser Periode zuerst wieder gewürdigt
hat. Der Sohn ließ diese Kunstwerke zunächst aus Pietät
an ihrem alten Platz, obwohl sie ihn ein wenig störten,
später aber gewann er sie lieb und möchte sie jetzt nicht
mehr missen; erzählen sie doch so anschaulich von dem
künstlerischen Leben der Zeit, in dein die Sammlung be-
gonnen, von den Zügen derselben, die zum Studium der
Kunst des Mittelalters führten, und regten sie ihn anderer-
seits doch gerade hier unter echten Werken mittelalterlicher
Kunst zu so maüchem Gedanken über das Thema an,
wie andersartig das Bild ist, das sich verschiedene Zeiten
von derselben lange verflossenen Periode machen, mit wie
ganz anderen Augen als die Romantiker heute wir das
Mittelalter betrachten.

An die Studirstubs stößt das gleichfalls im gothischen
Stil eingerichtete Schlafzimmer. Ts ist ein trauliches,
allerdings ein wenig dumpfes Gemach, dessen Prachtstück
das mächtige Ehebett von sq.75 bildet, das durch Vor-
hänge aus schweren, alten Stoffen geschlossen wird, und
vor dein zunr bequemeren Einsteigen eine lange Truhe
steht, die zugleich zur Aufbewahrung der Wäsche dient.
Ein spätgothisches Schränkchen mit dem zinnernen Wasch-
becken, daneben ein einfacher Handtuchhalter, ein Tisch
und eine Bank spätgothischen Stils bilden mit einen:
mächtigen Kleiderschrank, der ehedem als Paramenten-
kasten in einer Sakristei diente, die einfache, aber durchweg
echte und daher harmonische Einrichtung des Zimmers.
Zn den: Erker neben dem Schlafzimmer befindet sich die
kleine Pauskapelle, in der eine Sammlung guter Gemälde,
namentlich aber zahlreiche, meist vortreffliche polzsiguren
des sä., sowie des frühen f6. Zahrhunderts ausgestellt sind.

Bei der Sorgfalt, mit der unser Alterthünrler erwirbt,
schreitet seine Sammlung langsam vorwärts, und als er
zum Einrichten des Speisezimmers kam, hatten sich die
Neigungen zur alten Kunst nicht unwesentlich geändert,
wie uns schon der erste Blick in das Zimmer sagt, da
es den Lharakter der Renaissanceperiode trägt. Zn:
Ganzen stimmt übrigens das größere, reich ausgestattete
Zimmer mit seinen: gemüthliehen Erker, vorzüglich zu
den vorausgehenden, besonders durch die hübsche Ver-
täfelung, die, um Mitte des f6. Zahrhunders für ein
Tyroler perrenhaus gefertigt, eine wesentliche Umgestal-
tung gegen die älteren Täfelwerke nur in den Details
erfuhr durch die Taffettirungen der Decke und die Pilaster,
Gesimse und Medaillons an der Wand. Der Pauptstaat
dieses Zimmers ist ein reiches Buffet in den Formen des
späteren s7. Zahrhunderts, auf den: eine erlesene Samm-
lung von Gläsern und Krügen aufgestellt ist. Aus gleicher
Zeit wie das Buffet stammen die zwar etwas schwer-
fälligen und steifen, aber ganz originellen, geschnitzten
Stühle mit ihren hohen Lehnen, sowie auch der eine der
beiden mächtigen Schränke, während der andere die Zahres-
zahl f7p trägt. Man sieht, diese Einrichtung gehört
keineswegs einer eng begrenzten Periode an; mehr als
anderthalb Zahrhunderte liegen zwischen den ältesten und
 
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