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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 12
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Haupt, Albrecht: Oertliche Besonderheiten in älteren Tischlerarbeiten, [2]
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Gross, Karl: Eine kunstgewerbliche Zeit- und Streitfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0122

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(56. (Eiufalulsthor eines westphälischen
Baucrtibaufes.

nahm lange Reihen des bunten und metal-
lenen Geschirres auf. Die Zierrathen waren
freilich einfach hergestellt und, wie die bei-
gefügten Bilder es deutlich zeigen, meist
vom Zimmermann infpirirt. Das uralte
Bauernmotiv, die einfache Blumenranke, oft
aus dem Blumentopf sprießend, in der an-
spruchslosen Technik des Ausgründens her-
gestellt, dominirt hier überall; nur ausnahms-
weise tritt eine Art Aerbschnitt, wie ihn
das Bauernvolk wohl überall pflegte, hinzu.

Der architektonische Formalismus dieser Arbeiten lehnt
sich offenbar meist an das p. und den Anfang des
f8. Jahrhunderts an, obwohl die Jahreszahlen ausschließ-
lich das l9- ergeben. Nur hie und da treten noch ältere
Anklänge hervor, wie die zahnschnittartig eingekerbten
Profile, besonders Rundstäbe, die bekanntlich schon im

romanischen Stile auftretend, in der lvpätgothik vielfache
Verwendung fanden. (Abb. 155—160.)

Was diese westphälischen Wöbe! weiter charakterisirt,
ist die sichtbare Absicht und Berechnung einer farbigen
Bemalung. Lämmtliche Ornamente zeigen dies in aus-
geprägter Weife; und die Abhängigkeit derselben vom
Zimmermann bekräftigt dies doppelt, da ja nicht nur die
westphälischen lholzhäuser den größten Reichthum bunter
Farben aufwiesen und noch aufweisen. Diese Eigenthüm-
lichkeit macht manche der recht harten und massigen
Formen, die vielen Ungeschicklichkeiten wieder erträglich.

Es wäre eine nicht nur dankbare, sondern höchst
werthvolle und wohl von den segensreichsten Folgen be-
gleitete Thätigkeit, die lokalen Tigenthümlichkeiten der
Uleinkünste ohne Unterschied, ob sie gerade besonders ge-
fällig sind, wieder aufzusuchen und zu erhalten, womöglich
sie wieder zu beleben. 5ind sie doch jedesmal örtlichen
Bedingungen entsprossen, und passen sie doch heute meist
imnrer noch viel besser an ihre Oertlichkeit, als alle die
weither importirte Pracht. Ulan braucht keineswegs
deshalb sich zu zwingen, anstatt Havanna- nur Pfälzer
Cigarren zu rauchen, was ein lebhafter Gegner als Ton-
sequenz leicht aufwerfen könnte. Ulan sollte nur das lokal
Erwachsene auf seine Entstehung und Begründung am
Orte prüfen und, wo es gut ist, neu zu beleben suchen.
Geschähe das in größerem Umfange als bisher, so brauch-
ten wir Deutsche nicht so angstvoll stets nach einer neuen
Fata morgana des Aunststiles zu jagen.

(57. Bemalte westfälische Truhe.

Line MjlgeiMMK Zeit- und Streitfrage.

von Karl Groß, München.

der ich bitte Sie, was ist denn eigenlich modern, dieses
ist doch mehr japanesisch und jenes gothisch .... rc.
Line solche Frage wird wohl schon Jedem, der sich gerade
für eine moderne Bestrebung der derorativen Kunst be-
geistert hat, entgegengehaltcn worden sein, ohne daß er
sie momentan überzeugender hätte beantworten können als mit einem:
„Wenn ihr's nicht fühlt, ihr werdet's nicht erjagen".

Und es ist fürwahr nicht leicht, in den vielseitigen Erscheinungen
und Versuchen der modernen Kunstbestrebungen Mode-Auswüchse
und unverstandenes Wollen von den zielbewußten Arbeiten gerecht zu
scheiden. Line tolle Laune scheint dabei oft zn herrschen, und wenn
Drei urtheilen, sind es meist drei verschiedene Ansichten. Der Line
behauptet, das Moderne müsse etwas ganz Neues, noch nie Da-
gewesenes sein, der Andere sucht nachzuweisen, daß es doch nur An-

lehnungen an geschichtliche Stile sind, und der Dritte meint, die ganze
neue Bewegung sei doch nur ein vorübergehender Taumel, suggerirt
von einigen überspannten Köpfen. So gehen die Ansichten ausein-
ander, selten hört man ein tiefgegründetes, auf geklärter Ueberzeugung
beruhendes Urtheil. Die folgenden Ausführungen möchten zu eigenem
weiterem Nachdenken anregen.

Naturgemäß folgte zu allen Zeiten das Kunstgewerbe den herr-
schenden Knnstbestrebungen. Es wäre also zunächst zu beweisen, daß
wir am Beginne einer neuen Kunstepoche stehen. Ein Studium der
Kunstgeschichte kann uns hierüber wohl Aufschluß geben. Wir be-
merken im verlaufe der Jahrhunderte einen epocheweisen Auf- und
Niedergang des Kunstgeistes. Er hängt stets zusammen mit den
religiös-sittlichen Anschauungen, mit den jeweiligen Kulturfortschritten
der eben hierin dominirenden, führenden Völkerschaft. Wenn wir
 
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