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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 9
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Gmelin, L.: Das Kunstgewerbe auf der Nürnberger Ausstellung, [2]
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0096

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4- 8H -i-

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an zu versiegen. Da ist es wohl an: Platze, denjenigen
Punkten eine besondere Aufmerksamkeit zuzuwenden, wo
sich noch urwüchsige Naivetät erhalten hat. <Es liegt
in der Natur der Dinge, daß davon noch ani meisten in
den Gebirgsgegenden zu finden ist; die Ausstellungen aus
dem bayerischen Pochgebirge und dem bayerischen Wald
zeigen diesen Zug besonders stark. Aber auch aus andern,
weniger unzugänglichen Gegenden sind derartige Zeugnisse
noch fortlebender Volkskunst eingelaufen; dahin rechnen
wir z. B. aus der Gegend der Franken-
höhe: den hübschen Erker, mit welchen:
mehrere Meister aus Rothenburg o. T.

— allerdings unter Leitung des Bezirks-
bauinfpectors Eckart —• eine der
Aaffeewirthfchaften geschmückt haben, —
mehr aber noch das von Leutershaufener
Meistern eingerichtete Bauernzimmer mit
den bemalten Möbeln (die blumenge-
fchmückten Füllungen roth, das Rahmen-
werk blau, dazwischen grün). Auch ein
partenkirchener Meister —

— führt bemalte Bauernmöbel (mit
blauem Grundton) vor Augen, die fast
zu schön sind, um als unmittelbare
Kundgebungen einer naiven Volkskunst
angesehen zu werden; die Freude am
farbigen Aufputz, welche sich auch in
den bekannten roth grundirten Berchtes-
gadener Echachteln mit den derb geklexten
Blumen kundgibt, wird aber weit über-
boten durch den pang nach plastischer
Gestaltung. Unausrottbar tief ist der-
selbe bei den Bewohnern des Berchtes-
gadener und des ehemals Werdenfelfer
Landes (Oberammergau, Partenkirchen)
eingewurzelt; die Ausstellung bietet
hierfür die erfreulichsten Belege. Wenn
Eines daran auszusetzen ist, so sind es die künstlich aus-
gepfropsten Reiser der den historischen Etilarten entlehnten
Ornamente; soll diese Volkskunst lebenskräftig erhalten
werden, dann darf man sie nicht zur Anfertigung von
Rococo-Etaffeleien oder Easfetten mit Renaisfance-Akanthus
nöthigen. Gibt man sich mit dem etwas primitiven, aber
gerade in Berchtesgaden von Walch, Wenig u. 2l. sehr-
geschickt gehandhabten Kerbschmtt nicht zufrieden was
bei der plastischen Veranlagung des Volksstamms be-
greiflich —, so scheint es uns diesen Gebirgsschnitzereien
angemessener, wenn sie ihre Motive aus ihrer nächsten Um-
gebung entlehnen als aus den Eulturcentren; denn gerade

das, was das Gebirge an charakteristischen Typen aus
den: Pflanzen- und Thierreich oder von dem Almen- und
Zagdleben bietet, wird nicht nur richtiger ausgefaßt, son-
dern auch von den „Liebhabern", auf deren klingenden
Beifall diese Arbeiten ja doch angewiesen sind, besser ge-
würdigt werden. Man braucht deshalb nicht so weit zu
gehen wie ein partenkirchener Bildhauer, welcher perspec-
tivisch dargestellte Bauernhäuser, eine Kapelle zwischen
Bäumen ic. in Relief geschnitzt zu Stuhllehnen verwendet (die
den Ausstellungsbesuchern als Mahnung
dienende Beischrift „Nicht zun: Eitzen"
erhält durch das starke Relief der Rück-
lehnen einen komisch-ironischen Bei-
geschmack). — Fast ganz unberührt von
der modernen Tultur sind die originellen,
aus Buchenschwämmen gefertigten Kopf-
bedeckungen aus den: bayerischen Wald;
auch die Gold- und Eilberstickereien auf
den Unterseiten der Putkrempen, wie sie
beispielsweise aus Prien gekommen sind,
können unbedenklich als reine Volkskunst
bezeichnet werden. Zn engere Fühlung
mit der „Etadtkunst" sind dagegen die
Filigranschmucksachen getreten, aber mehr
durch Einflußnahme aus die letztere als
umgekehrt: was man an Echmuckfachen
in: Tharakter der aus Traunstein 1)l
Partenkirchen, Garmisch gekommenen in
den Etädten begegnet, weist in neun von
zehn Fällen aus ländliche Abstammung.
An sonstigen Aeußerungen ursprünglicher
Kunst läßt die Ausstellung wenig Be-
achtenswerthes wahrnehmen; dieselben
zeigen entweder — wie die Paustöpserei
in Niederbayern — zu wenig künstlerische
Momente, oder sie haben sich — wie
die Korbflechterei von Lichtenfels — zu
Großindustrien entwickelt. - Es wäre eine dankbare und
in ihren Folgen gewiß segensreiche Ausgabe, ein Mal eine
Ausstellung deutscher Volkskunst zu veranstalten, nicht
etwa un: der städtischen Kunst unverbrauchte Motive zu-
zusühren sondern vielmehr um die Volkskunst selbst zu
kräftigem Widerstand gegen das Ueberwuchern durch die
internationale, städtische Kunst anzuspornen. Das würde
auch dem nationalen Kunstgewerbe Nutzen bringen. L. G.

') Jos. Percher meier- Traunstein hat außer seinen Filigran-
schmucksachen — wie wir hier nachtragen wollen — auch eine ganz
nette, schisstörmige, von einer Nixe getragene Schale mit Krystalleinsatz
ausgestellt, nach Modell von N. Stadler.

w. Kagel

Von der Nürnberger Ausstellung,
t \6. Gas-Kaminofen, nach Entwurf von Architekt
Maus- Frankfurt a. M. ausgeführt von
I, p. Hausierter- Nürnberg.

(Muster geschützt.)

OCttfWe kunstgewerblichen <I)usterblMen.

Tas. 33. Vergoldetes Silberservice. Entwürfe und
Modelle von Bildhauer Gottlob Wilhelm, Ausführung von Hof-
silberarbeiter Ed. Wollenweber, München.

Tas. Iagdzimmer. Entwurf vom fürstl. Baurath
Schulze, ausgesührt von L. Wild, Regensburg.

Tas. 35. Verschiedenes Theegeschirr. Theils nach eigenen
Entwürfen, theils nach solchen von Maler H. Kellner und Bildhauer
Hans Schmid, in Kupfer getrieben von I. Winhart, München.

Taf. zs. Geschmiedetes Gitterthor. Von A. Leibold
Sc Sohr:, Nürnberg.

——

In Folge eines Mißverständnisses sind in unserer letzten Nummer
bei Taf. z; irrthümlicherweise unrichtige Namen über die künstlerische
Mitarbeiterschaft beigesetzt worden; Entwurf und Modell des Arm-
leuchters (wie auch der auf S. 65 abgebildeten Terrine) rühren viel-
mehr von Professor Paul Schley-Berlin her.

pierzu „(Kunstgewerbliche Rundschau" Ar. 9.

X

Verantw. Red.: Prof. L. Gmelrn. — Herausgcgebcn vom Bayer. Aunstgcwcrbc-verein. — Druck und Verlag von R. Dldenbourg, München.
 
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