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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 5
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G, ...: Kunstschätze aus Tirol
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0053

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50. Waschkasten ans Schloß
Tratzberg.

(Nach bem werke: „Aunstschätze aus Tirol";
vgl. S. <U ff.)

’) 3n drei Abtheilungen
(Malerische Innenräume, Archi-
tektur und Kunstgewerbc, Malerei
und Plastik). Heliogravüren nach
photographischen Aufnahmen von
Gtto Schmidt, Wien. Mit er-
läuterndem Text von Prof.Ioh.
W. Deininger, Architekt, Director
der k. k. Staatsgewerbeschule in
Innsbruck. Kunstverlag von
Anton Schroll & To., Wien.
Jede einzelne Abtheiluug mit
zo Blatt zum Preise von 2-x st.
ö. W. Die Abb. q-s—54 stellen
meist nur Abschnitte aus den
einzelnen Blättern dieses Werkes
dar; dieselbeli gelangen hiermit
Lrlanbniß des Herausgebers G.
Schmidt zum Abdruck.

nabänderlich vollziehen sich die Wandlungen auf dem Ge-
biete der decorativen Kunst; wenn man in Deutschland
vor einem Vierteljahrhundert gehofft hatte, in Anknüpfung
an altdeutsche Denkmäler des Kunstgewerbes einen eigenen
nationalen Stil sich neu zu schaffen, der m stetiger Weiter-
entwicklung den modernen Anforderungen gerecht werde, so hat die
Erfahrung gelehrt, daß jene Hoffnung eitel war; man hatte den Ein-
fluß der Mode, der Neuerungssucht, der Toncurrenz, des Verkehrs u.f. w.
unterschätzt. Und heute steht die deutsche Kleinkunst, die Wohnungs-
ausstattung, und was damit zusammenhängt, stark unter der Bevor-
mundung der englischen Kunst, während man noch in den siebziger
Jahren die Engländer für ein künstlerisch wenig veranlagtes Volk
ansah und für ihre kunstgewerblichen Leistungen nur ein Achselzucken
übrig hatte.

Unter diesen Umständen könnte man es als ein gewagtes Unter-
nehmen bezeichnen, die „Kunstschätze aus Tirol" mit so großem künst-
lerischem und technischem Aufwand zu publiciren, wie es in dem vor-
liegenden Werk geschehen ist, — und cs mag Manchen geben, der in
dem Gedanken an die „verlorene Liebesmüh" mit wehmüthiger Resig-
nation das Werk in die Hand nimmt und, während er zu blättern
anfängt, in den Seufzer ausbricht: schade, daß das Werk nicht um
zehn, fünfzehn Jahre früher erschienen ist! Wer sich aber noch einen
Rest von Glauben an den hohen Lehrwerth stimmungsvoller, alter
Arbeiten bewahrt hat, dein wird dieses Werk diesen Glauben wieder
verstärken und -neu befestigen. Und wahrlich, von diesem Gesichts-
punkt aus kann man nicht sagen, daß das Werk zu spät gekommen
sei, sondern zur rechten Feit; noch vor zehn Jahren hätte man ein

solches Werk als etwas Selbst-
verständliches weniger beachtet,
und es hätte schon dadurch an
wirkinrgsenergie verloren.Außer-
dem aber hätte kein Verleger da-
mals eine derartige Sammlung
anders als in Lichtdruck bringen
können — und da wäre auch
die vorliegende in dem Meer
gleichartiger Publikationen ver-
schwunden. Erst in Folge der
heutigen Leistungsfähigkeit in
Herstellung derKuxferdrucke nach
photographischenAufnahmenwar
es möglich, den herrlichen Schätzen
Tirols an Raumausstattungen
eine ihrem künstlerischen Werth
entsprechende Publikation ange-
deihen zu lassen, — und so wer-
den diese technisch und künstlerisch
vortrefflichen Blätter, welche die
große Einfachheit und die be-

scheidene Würde alter Kunst in eindringlichen Worten predigen, mehr
Beachtung erringen, als wenn sie um ein Jahrzehnt früher mit dem
großen Haufen einhermarschirt wären.

Wollte das Werk das Programm, welches es sich gestellt hat,
gänzlich erfüllen, so hätte sein Umfang so groß werden müssen, daß

5f. Erker im Schloß Velthurns.

(Nach dem werke: „Aunstschätze aus Tirol"; vgl.^S. i\\ ff.)

der praktische Werth daneben fast verschwunden wäre; es war also
nothwendig, aus der noch immer sehr großen Zahl trefflicher alter
Arbeiten an kirchlichen und profanen Ausstattungen eine geeignete
Auswahl zu treffen und die gewählten Blätter in die drei Einzel-
abtheilnngen einzureihen. Eine scharfe Trennung ließ sich nicht durch-
führen; sie erschien auch nicht nothwendig. Daß durch die gewählte
Anordnung, welche aus verlegerischen Rücksichten als eine Nothwendig-
keit erscheint, manches getrennt wurde, was man am liebsten beiein-
ander fände, kann man beklagen; aber man kann nicht behaupten,
daß dies den Werth des ganzen Werkes irgendwie beeinträchtigt. Die
kirchliche Kunst lag im Ganzen außerhalb der dem Werk gesteckten
Grenzen; sie konnte deshalb nur mit wenigen Beispielen — aus
Innsbruck, Bozen, Brixen, Innichen, Schwaz u. A. — vertreten sein.
Was in erster Linie und mit Recht in umfangreichem Maaße Berück-
sichtigung gefunden hat, das sind die Schlösser Tirols; an der Spitze
stehen hier velthurns, Tratzberg, Trostburg (bei Weidbruck), Burg
Meran, Schloß Tirol, Ambras, Lumpan, Fruudsberg (bei Schwaz),
Reifenstein (bei Sterzing) u. A. Daran reihen sich öffentliche Bauten, wie
das Rathhaus zu Hall, das Landtagsgebäude in Innsbruck, der Iöchels-
thurm in Sterzing, der Castel buon consiglio in Trient — endlich eine
ganz erhebliche Zahl von bäuerlichen und bürgerlichen Stuben, die so
recht als Vorbilder behaglicher Häuslichkeit gelten können. Es sind
somit alle Stufen der künstlerischen Ausstattung vertreten, von den
reichsten bis zu den bescheidensten; wie die Sammlung bei Schlössern,
Tratzberg und Velthurns, uns die vornehmsten Gemächer mit reich-
geschnitztem oder intarsirtem Täfelwerk, mit Wandmalereien oder
köstlich cassettirten Decken vergegenwärtigt, so führt sie uns auch in
die bäuerliche Wohnstube mit der einfachen Holzvertäfelung, mit den
breiten Unterzügen und der sichtbaren Balkendecke, dem Geschirrbrett,

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