Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

DOI Heft:
Heft 5
DOI Artikel:
Thalhofer, Nic.: Zur Gestaltungsgeschichte des Möbels, [2]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0049

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
HS. Saal in der Villa Margoue bei Trient, einst im Besitze der Familie Fugger.

(Nach dem Werke: „Runstschätze aus Tirol"; vgl. S. ff.)

Am KkstMngtzWK M RößtlS.

Von Hie. Thalhofer.

(Schluß aus Nr. 5.)

s ist ein beliebter Zug der ornamentalen
Uunst, denjenigen Theil eines Gegenstan-
des, der über die eigentliche Benützungs-
grenze, d. h. den zweckdienlichen Theil
der Tonstruction, hinausragt, zun: Mrte
reicherer Ausschmückung zu machen, wo-
durch das Motiv der freien Endigung zu seiner orna-
mentalen Bedeutung gelangt ist. Auch die Sessellehne,
wie nicht minder die Aopflehne des Bettes, welche
wir hier wieder ins Gedächtniß rufen wollen, kann in
ihren: oberen Theil als freie Endigung der ganzen
tektonischen Tonstruction aufgefaßt werden, indem sie über
die variable Grenze der Benützung hinausreicht und von
diefer an keinen weiteren structiven Zweck zu erfüllen hat.
Dieses tektonische Moment hat denn auch der Möbelbau
zu allen Zeiten mit richtigen: Gefühl erfaßt und die
Lehne in ihren: oberen Theil mit Vorliebe einer reichen
und passenden ornamentalen Durchbildung unterworfen.
Wappen und heraldische Verzierungen wechseln mit mannig-
faltigen ornamentalen Typen, welche nicht selten direct
die Idee der freien Endigung ausdrücken, wie zapfenartige
Unäufe, Uöpfe rc. — Aber selbst über den Umfang diefer

gleichsam nur spielenden Symbolik hinaus vernmg der
Sitz durch die Lehne zum Gegenstand jener höheren Art
von Versinnbildlichung zu werden, vermöge welcher er in
seiner Gesammtheit zum Ausdruck einer ganzen Tulturidee
wird, wie dies im Thronsitz, diesem Symbol souveräner
Staatsgewalt, sich klar ausspricht.

haben wir solcher Art in der freien Endigung der
Lehne denjenigen Theil des Sessels erkannt, der, über den
Zweck bloß tektonischer Tonstruction hinausragend, den
Sitz völlig zum Ausdruck eines ganzen Tulturgedankens
erhebt, so müssen wir in den nun zu besprechenden Stuhl-
beinen wieder einen rein tektonischen Möbeltheil erblicken.
Da diesem aber als Stütze des tektonischen Gerüstes eine
mehr allgemeine Bedeutung zukommt, so sei es gestattet,
auch eine solche in den Rahmen unserer speciellen Unter-
suchung des Sitzmöbels initeinzuverleiben. Das Stützwerk
bildet in Verbindung mit dem Gestützten eine der 3 Grund-
formen der Tektonik, nämlich das Gestelle, und ist soinit
einer der constructiv wichtigsten Bestandtheile des Möbels.

Stützen bedeutet in des Wortes eigentlicher Bedeutung
etwas tragen, emporhalten, also in einer gewissen constanten
Entfernung von der Unterlage auf dieser befestigen. Die


Jeitschrift des bayer. Runstgewerbe-Vereins München.

J[896. Heft 5. (Bg. *.)
 
Annotationen