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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 6
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Kisa, Anton: Die Anfänge der rheinischen Glasindustrie, [1]
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0064

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versehen. Durch Schleifen des Glases suchte man dem
Effecte des Rrystalles nahezukommen. Das natürlichste
und einfachste war die Decoration mit linsenförmigen,
runden oder geradlinigen Ausschliffen, womit man Bänder
und manchmal sehr reiche Rosettenmuster combinirte,
welche mit denen böhmischer Arystallschalen große Aehn-
lichkeit haben. Ost wurde das ganze Gefäß durch runde
oder Polygone Felder facettirt. Auch figürliche Scenen
wurden herausgeschliffen; es gibt solche von höchster Voll-
endung in Zeichnung und Technik, wie z. B. auf den:
Bruchstücks einer Schale mit Lircusscenen im Trierer
Museum; die ineisten jedoch, den späteren Decennien des
Jahrhunderts entstammend, zeigen bereits die tiefste
Stufe antiken Aunstvermögens. Die Technik der aus-
gehenden Antike berührt sich hier in der Darstellung der
nrenschlichen Gestalt mit jener der beginnenden, wie wir
sie auf altetruskischen Gemmen finden. Wie dort, arbeitet
das Schleifrad fast nur noch in länglichen, linsenförmigen
Vertiefungen, welche aneinander gereiht werden, so daß
die Glieder der Figuren wie Würste Zusammenhängen,
und die Füße wie auf einem Geröll ovaler Steine wandeln.
Bei Erklärung der Aölner Prometheus-Schale verleiteten
diese einzig dein technischen Unvermögen entstammenden
Formen den gelehrten Welcker zu allerlei absonderlichen
Vermuthungen.

Aber zugleich mit diesen rohen, nur noch ikono-
graphisches Interesse bietenden Erzeugnissen finden wir
eine Sorte von Gläsern, welche den Triumph nicht nur
der antiken, sondern der Schleiftechnik überhaupt darstellen,
die berühmten Vasa ckiatreta, die Becher mit frei durch-
brochenem Netzwerk. Auf ihre Herstellungsart habe ich
hier nicht einzugehen, die ist von T. Friedrich sachgemäß
dargelegt worden. — Sklavenarbeit nannte sie Lobmeyr,
so unsäglich mühsam und langwierig, daß man sie einem
freien Arbeiter von heutzutage gar nicht zumuthen dürfe,
zumal sie doch niemand nach ihren: Werthe bezahlen
würde. Man bezweifelte denn auch, ob das Netzwerk
wirklich frei aus der Ueberfangfchichte herausgeschliffen
und nicht etwa aus Fäden geformt und dann mit den:
inneren Glaskörper durch Stege verbunden fei. Bei Frühner
verdichteten sich diese Zweifel bis zur Registrirung der
»verres souckes«. In der Thal finden sich auch derartige

Stücke in Antikenfammlungen, wie früher in der Difch-
fchen Sammlung zu Aöln, aber sie sind fämmtlich moderne
Fälschungen. Die antiken Diatreta sind thatsächlich ge-
schliffen, es hat sich sogar trotz Lobmeyr ein freier Mann
gefunden, der sie in der alten Technik nachbildete, und
zwar mit Erfolg. Durch T. Friedrich angeregt, brachte
eine Glashütte des bayerischen Gebirges ein Diatretum
(882 zur Landesausstellung in Nürnberg. Die Arbeit
desselben hatte ein halbes Jahr in Anspruch genommen
und kostete blos 600 Mk., ein gewiß zu gering bemessener
preis, denn die Lompunia Vene2lg.-Nurs.n0 verlangt und
erhält nicht viel weniger für ihre durch Schliff hergestellten
Millefioris. Die echten alten Stücke sind recht dünn gesät,
man muß ihre Zahl auf acht reduciren. Zwei davon find
in Oberitalien, ebensoviel in Pannonien und vier in den
Rheinlanden gefunden. Von letzteren ist überdies das
Straßburger während der Belagerung zu Grunde gegangen,
in das aus chohenfülzen (bei Worms) theilen sich die
Museen von Mainz und Bonn, die beiden anderen, aus
Aöln stammenden sind nach München und Berlin ge-
wandert. Inschriften und Fundumstände weisen bei allen
erhaltenen Exemplaren frühestens auf das Ende des
3. Jahrhunderts als Entstehungszeit. Allerdings sprechen
schon frühere Schriftsteller, wie Martial an: Ende des
\. und Ulpian am Anfänge des 3. Jahrhunderts, von
vasis cligtretis; aber es ist nicht ganz sicher, ob sie mit
dieser Bezeichnung denselben Begriff verbanden wie wir,
und noch unbestimmter sind die »petroti« des piirttus.
Es ist wohl kein Zufall, daß die Hälfte der kostbaren
durchbrochenen Gläser, die auf uns gekommen sind, den:
Rheinland entstammen und die übrigen Gegenden, in
welchen es, soviel wir wissen, zur Römerzeit keine Glas-
industrie gab. Dagegen herrschten zwischen ihnen und den
gallisch-rheinischen Provinzen durch Truppenverschiebungen
und durch den Handel mannigfache Wechselbeziehungen.
Wir müssen vielmehr annehmen, daß die zu Ende des
3. und zu Beginn des p Jahrhunderts auf der höhe ihrer
Leistungsfähigkeit stehenden gallisch-rheinischen Werkstätten
sich auch dieser kunstvollen Technik bemächtigt hatten,
welche vielleicht schon vorher die italienische Glasindustrie
in ihrer Blüthezeit, den: (. und 2. Jahrhundert, beschäftigt
haben mochte. (Schluß folgt.)

ft

Unsere Kunstgewerblichen MusterblMer.

Taf. 2;. Schwarzwälder Fayencen. Entworfen von Elisabeth
Schmidt-pecht (I. A. pecht's kunstgewerbliche Anstalt) in Lonstanz.

Anknüpfend cm die. Ueberreste alter schwarzwälder und ostschweizerischer Fayence-
Töpfereien, führte die Anstalt von I. A. s)echt in Tonstanz diese einfach und doch
wirkungsvoll benialten Geschirre ein. Fast alle Entwürfe und Musterstücke rühren von
Elisabeth Schmidt - s)echt her; die Fabrikation findet in der Steingutsabrik voit Haager,
Hoerth Sc To. in Aell am Harmersbach (Schwarzwald) statt.

Taf. 22. Römische Gläser aus der Sammlung Merkens
in Aö ln.

Diese Tafel dient als weitere Illustration zu dem Aufsatz über die Anfänge der
rheinischen Glasindustrie.

Taf. 23. Gläser von Burgun, Schuerer & To. in Meisen-
thal bei Lemberg (Lothringen). Ungefähr 2/a der wirft. Größe.

Nachdem wir auf S. 73 des letzten Jahrganges gelegentlich der Besprechung der
Straßburger Ausstellung der Arbeiten oben genannter Firma eingehend gedacht haben,
bringen wir auf der vorliegenden Tafel einige Abbildungen, die allerdings von dem
koloristischen Reiz der Vriginalien nur eine schwache Vorstellung geben; bei Aufwendung
einiger Phantasie wird indessen die folgende Beschreibung der einzelnen Stücke diesen
Mangel einigermaaßen zu beseitigen gestatten.

Der Henkelkrug besteht im wesentlichen aus trübem, graugelbem Glas mit laub-
grüneni — gewölktem und zum Theil ausgeschliffenem — Ueberfang; nur das um-
laufende Ornamentband ist auf schwarzem Ueberfang mit Aetzung und Vergoldung des
Grundes hergestellt. — wasserhelles Glas bildet die Masse der Hellen Vase, bei welcher
die Umrisse der Blüthen und Blätter in die Außenfläche gravirt und braun ausgesüllt
sind, während die bunten Farben derselben, wie der weiße Emailgrund auf der Innen-
seite aufgetragen find; die Borten oben und unten sind mit Gold gezeichnet und mit
Emailfarben ausgefüllt. — Die andere Vase besitzt einen rothen Ueberfang, aus welchem
durch Aetzung eine blasse Musterung hervorgerufen wurde; bei den Darstellungen in den
Medaillons ist der dunkle Ueberfang am kräftigsten stehen geblieben. Die Medaillons
find mit rotheni und weißem Email zwischen Goldumrissen eingefaßt. — Die beiden
oberen Gesäße bestehen wieder aus getrübtem, gelbgrauenr Glas mit grünen Aderungen.
Bei dem Becher ist das Ornament theils geätzt, theils nur conturirt, theils auch durch
weißes Email oder durch Metalllüster hervorgehoben; die ganz ähnlich behandelten
Figuren stehen auf einem tief geätzten und gemusterten Grund, dessen Vergoldung an
den erhabenen Stellen polirt, an den vertieften matt geblieben ist. — Auf der Schale
sind die Thierbilder aus kastanienbrauneni Ueberfang herausgeschliffen, der Grund ist
uneben geätzt und mit seinen Goldlinien durchzogen; ein weiß und schwarz emaillirter
Streifen unirändert den Fuß.

Taf.2^. Bemalung eines Bierkruges. vonS.Dietz,München.

hierzu „Kunstgewerbliche Rundschau" Ar. 6.

verantw. Red.: Prof. C. Gmelin. — fferausgegeben vom Bayer. Lunstgewerbe-Verein. — Druck und Verlag von A. Gldenbourg, München.
 
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