Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
G., L.: Paul Attenkofer: geb. zu München den 29. Mai 1845, gest. zu München den 25. Febr. 1895
DOI Artikel:
Zimmermann, Ernst: Die technische Entwicklung der Ledertechnik
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0044

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
■$- 32 4

und Adressendecken (f. Abb. 3^ und Taf. s^), für welche
die Lederschnitt- und Treibtechnik zur Zeit wohl als die
geeignetste angesehen werden darf. Im Uebrigen sind es
meist Gelegenheits-Prachteinbände, zum Theil mit mäßiger
Vergoldung oder Anwendung von Metallbeschlägen und
Halbedelsteinen, an welchen Attenkofer diese Technik an-
wandte; als Beispiele verweisen wir auf die in Abb. 3^,
35 und 36 abgebildeten Gebetbücher, sowie auf Abb. 30,
den für König Ludwig II. gefertigten Einband eines
Turnierbuchs. Das letztere ist eine von Attenkofers ersten
derartigen Arbeiten, die aber gleichwohl den Meister
schon auf der vollen pöhe seines Könnens int Gebiet des
Lederschnittes zeigt. Zahlreiche andere Arbeitet: sind in der
leider vor einigen Jahren eingegangenen „Monatsschrift
für Buchbinderei" abgebildet; viele bedeutsame Stücke sind
an den bayerischen, sowie an anderen deutschen und aus-
wärtigen Fürstenhöfen zu finden, so in Berlin, Petersburg,
Belgrad. Ts kam auch vor, daß ein reicher pariser
Sammler für seinen Privatkatalog eigens einen Leder-
schnitteinband von Attenkofer fertigen ließ, und wie unser
Meister auch auf bescheidenere Aufgaben mit Geschmack
und Geschick den Lederschnitt anzuwenden wußte, zeigt
seine Einbanddecke für das Fremdenbuch auf der Zug-
spitze (Westgipfel); die Decke zeigt im Mittelfeld in ein-
fachen Linien den Berg mit der untergehenden Sonne.

Nach dem bisher Gesagten könnte es scheinen, als
ob Attenkofer's Thätigkeit sich einseitig auf den Leder-
schnitt beschränkte; dies war jedoch keineswegs der Fall.
Die wenigen Proben seiner Thätigkeit, die wir in Ab-
bildungen geben können, beweisen, daß er mit gleicher
Meisterschaft auch die Goldpressung mittels Fileten, den
Buchschnitt, die Ledereinlage beherrschte, wie er auch sehr
wohl wußte, wie und wo diese oder jene Ledergattung,
diese oder jene Technik an: vortheilhaftesten wirkte. Seine
Schmuckkästchen und Köfferchen sind bald mit weißem

Schweinsleder, bald mit braunem Rindsleder überzogen,
bald mit bunten, goldgefaßten Ledereinlagen versehen,
bald durch Lederschnitt oder Goldpressung oder auch durch
Metallbeschläge verziert. Seine Vorliebe für Leder ging
so weit, daß er in den letzten Jahren wiederholt prächtige
Lederpolsterungen mit Lederintarsia und pand-Gold-
pressung fertigte, so den prächtigen rothledernen Stuhl,
der den deutschen prunksaal auf der Thicago-Ausstellung
schmückte (f. Iahrg. s8fl^ Tas. 5), und die Beispiele, die
wir auf Tafel !(3 bringen: Lehnstuhl und pocker sind mit
kastanienbraunem Leder überzogen, von grünen, gold-
durchwirkten Borten eingefaßt und durch große Nägel
befestigt — die Ränder und einzelne Theile sind schwarz
eingelegt und mit von pand gepreßten, vergoldeten Orna-
menten verziert —, ebenso das links oben abgebildete,
aus grünem Leder bestehende Polster. In den letzten
Jahren führte Attenkofer einen eigenen Meisterstempel,
bestehend aus den Frauenthürmen mit dem Kirchengiebel
dazwischen sin einfachen Umrissen) und den Buchstaben
P-A- (links und rechts davon); der Stempel findet sich
u. A. auf den letztgenannten Polstern.

Schon seit Jahren von Zeit zu Zeit an's Kranken-
lager gefesselt, erlag er seinen Leiden am 25. Februar
l8si5; da er keinen Sohn hinterließ, so ging das Geschäft,
itachdem es \22 Jahre lang durch dieselbe Familie in
Blüthe erhalten worden, in fremde pände über.

Mit Paul Attenkofer ist einer der würdigsten Ver-
treter des Münchener Kunsthandwerks dahingegangen,
und mit Recht konnte ein auf gleichem Gebiete thätiger
Künstler von ihm sagen: „Attettkoser war ein Mann,
der sein pandwerk durchaus verstand und es deshalb von
Perzen liebte, der feine Werkstatt weder in eine Fabrik
noch in ein .kunstgewerbliches Atelier' ausarten ließ, wie
es dieser wackern Leute früher überall so viele gegeben
und jetzt überall so wenige gibt." L. G.

M tchnW LnlwMngtzMg M LelmltMik.

Von Dr. Ernst

e päute der Thiere gehören unzweifelhaft
zu den ersten Rohmaterialien, welche der
Mensch zur Befriedigung seiner primitiven
Bedürfnisse verwattdte; denn sie ergaben
sich ihm, wie von selber, als Abfall jener
Thiere, welche er um des Fleisches willen
sich zu erjagen pflegte. Von da bis zum ein- oder doppel-
seitigen Gerben, d. h. bis zur Befreiung derselben von
allen verwesbaren Theilen, verging aber noch eine
geraume Zeit. Die Auffindung und Anwendung der zu
diesem processe verwendbaren mineralogischen, vege-
tabilischen oder animalischen Substanzen setzt immer eine
gewisse Berechnung und Erfahrung voraus.

Eitlen weit größeren Schritt aber bedeutete dam: die
Verbindung dieses so präparirten Stoffes mit der Kunst
in rein ästhetischer Absicht; denn in den primitiven Zeiten

Zimmermann.

der Gesittung steht immer der Anfangstermin und
dann die Qualität der künstlerischen Verarbeitung eines
Stoffes in: directen Verhältniß zu seinem materiellen
werthe. Das Leder aber blieb Anfangs immer in Folge
der Leichtigkeit und des Nebenhers seiner Gewinnung ein
vulgärer, wohlfeiler Artikel; die Thierhaut konnte dantals
überhaupt nur als die künstlerische Arbeit fast ausschließen-
des Fell in materieller pinsicht werthvoll fein.

Dies erklärt zur Genüge, daß man außerhalb Europas
und der Länder des ostasiatischen Eulturkreises kaum
irgendwo sonst Kunst um ihrer selbst willen mit den:
Leder in Berührung brachte, und daß sich sogar das ganze
Alterthum, soweit wir wissen, sich ihm gegenüber in dieser
Beziehung sehr stiefmütterlich verhielt. Nur auf eine
saubere Appretirung der äußeren Fläche, zur Ausnutzung
des Korns der Narbenseite, auf die man vielleicht von
 
Annotationen