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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 4
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G., L.: Paul Attenkofer: geb. zu München den 29. Mai 1845, gest. zu München den 25. Febr. 1895
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0043

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'Kenrttnif und begeisterte Vorliebe für die Arbeiten der
Alten; er suchte den Eindruck, die Wirkung dessen wieder
zu gewinnen, was ihm reizvoll am Alten erschien. Er-
ging dabei nicht mit der Absichtlichkeit und Ueberlegung
wie andere Reformer des Aunstgewerbes vor; seine Führerin
war nur die Freude am Schönen, und so gut es ging
suchte er das, was einstens die Meister in ihrenr Fache
mit der ganzen Leichtigkeit des Uönnens, der Erfahrung
und mit der vollendeten Aenntniß der Eigenart ihres
Materials zu Wege gebracht hatten, mehr oder weniger
frei nachzuschaffen. In Ermangelung von Handwerkern,
die das so empfanden wie er, machte er sich selber an's
Prokuren, und bald wußte
er sich in jedem Material,
das er brauchte — Silber,

Elfenbein, Holz, Leder rc.

—, selbst zu helfen; so feierte
der Lederschnitt eigentlich
im Seitzschen Atelier seine
Wiedergeburt durch Franz
v. Seitz und dessen Sohn
RudolsSeitz fowienament-
lich durch Otto Hupp.

Dieser war als Graveur
und Eifeleur nach München
gekommen und, nachdem
sich für sein Fach keine hin-
reichende Arbeit gefunden
hatte, im Seitz'schcn Atelier
auf die Lederschnitttechnik
gewiesen worden; unter
Führung seiner Meister
hatte er sich bald nicht
nur in die neue Technik
gefunden, sondern er be-
herrschte von seiner früh-
eren Beschäftigung her auch
Modellirholz, Bunsen und
Stichel so vollkommen, daß
er seine Arbeiten bald von
der Zaghaftigkeit der ersten
Versuche befreite und ihnen
den Reiz verlieh, den die
gleichartigen alten Arbeiten
besitzen.

Wie bedeutend aber auch all diese Arbeiten gewesen
waren, so blieben sie doch Anfangs vereinzelt, als Zeug-
nisse künstlerischer Liebhaberei, und kein auf dem Boden
des Handwerkes stehender Meister wagte den Schritt vom
handwerklichen Boden hinaus zu den Höhen idealeren
Schaffens, bis Paul Attenkofer mit diesen Arbeiten be-
kannt wurde; an ihn wandte sich Hupp mit seinen Leder-
schnittarbeiten in allen Fragen, zu deren Lösung er den
Rath oder die Mithilfe eines gelernten Buchbinders be-
durfte. Auf Attenkofer's künstlerische Neigungen wirkte
dieses Zusammenarbeiten und die nähere Bekanntwerdung
mit der Ledertechnik um so förderlicher, als er von jeher
den alten Arbeiten dieser Art großes Interesse zugewandt
hatte; so erkor er sich die Lederschnitt- und Treibtechnik
zu seiner Specialität. Wie bekannt, hat dieselbe seit den

letzten zwei Jahrzehnten — namentlich durch den in's
Große gesteigerten Betrieb durch Gg.Hulbe-Hamburgs —
eine fast unheimliche Ausbreitung gefunden, ja selbst in
die Reihe der Liebhaberkünste ist sie eingetreten — leider
nicht zum Vortheil der Ärmst I Attenkofer war dem
„Großbetrieb" solcher künstlerischen Arbeit durchaus ab-
geneigt; er wußte, daß die geschäftliche Ausbeutung solcher
Errungenschaft auch die Verflachung der Technik, die Ent-
weihung des reinen Aunstempflndens unabwendbar nach
sich ziehen muß — er war und blieb darum immer der
Au n st Handwerker, der den Schöpfungen seiner Hand
stets ein künstlerisches Gewand zu verleihen wußte —

5^. u. 35. Einband 511 einem Gebetbuch mit dem spanischen Wappen; non p. Attenkofer.

nicht um des Erwerbes willen, sondern aus Freuds und
Lust am Schönen.

Bei solchem Streben und solchem Aönnen war es
kein Wunder, daß der Ruf von Attenkofer's Werkstätte
ihm nicht nur aus München, sondern auch von auswärts
zahlreiche Aufträge brachte, die er theils nach eigenen,
theils nach fremden Entwürfen ausführte. Unser jubi-
läumsfrohes, adressenlüsternes Zeitalter gab manche Ge-
legenheit zur Herstellung von bedeutsamen Urkundenrollen

tz bönlbe war selbst (875 über ein halbes Jahr lang in der
Werkstätte Attenkofers thätig, mit welchem er auch später in stetem
Verkehr blieb; die naheliegende vermuthung, daß ffulbc die Anregung
zu seinen Lederarbeiten durch Attenkofer empfangen, trifft indessen nicht
zu, da die ersten eigenen Versuche Attenkofers auf diesem Gebiete erst
später entstanden sind.
 
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