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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 8
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Gmelin, L.: Das Kunstgewerbe auf der Nürnberger Ausstellung, [1]
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0088

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Ausstellung vermag man auf derselben auch kein Bild
von der wirklichen Leistungsfähigkeit des Landes zu ge-
winnen, am ehesten noch von der des Ausstellungsortes
selbst, — aus Gründen, die auf der Hand liegen; dennoch
soll wenigstens versucht werden, aus dem vorhandenen
Material der Bewegungsrichtung des heimischen Aunst-
gewerbes nachzuspüren.

Das führende architektonische Element, das Mobiliar
und die Zimmereinrichtungen zeigt natürlich ein ganz
anderes Gesicht als bei der letzten Landesausstellung; neben
die damals herrschende und noch ^ 888 in München mit
dem Rococo mindestens gleichwerthig dastehende Renais-
sance haben sich nun nicht nur andere Ab-
kömmlinge dieses Stils gesellt, sondern auch
die Nachbildungen classicistischer Richtung
sammt ihren auf englischem und amerikani-
schem Boden gewachsenen Ausartungen und
Modernisirungen. Doch darf von vornherein
lobend hervorgehoben werden, daß diese Lust
nach etwas „Apartem" — die Haupttriebfeder
bei der Aufnahme neuer Gestaltungsweisen —
sich nicht in der fast ausdringlichen Meise be-
merkbar inacht wie auf der Berliner Aus-
stellung; soweit ein Ueberblick möglich ist,
kann man wohl behaupten, daß nicht der
vierte Theil alles Mobiliars auf dein unter
Louis XVI. vorbereiteten Boden steht. Die
meisten und bedeutendsten Arbeiten wurzeln
völlig in: Boden der Renaissance, die freilich
in allen Schattirungen vertreten ist. Zn zieiiilich
bescheidenem Maaß machen sich Merke des
gothischeii Stils beiiierklich; aber sie bewirken
in der durchgehends klaren, holzgsmäßen Eonstruction wie
in ihrer meist ziemlich schlichten Ausstattung immer eine
Erholung in dem Wirrwarr der wechselnden Ausstellungs-
eindrücke. Das Zimmerchen von E. Mild-Regensburg
(nach Entwurf von Hofbaurath Schulze) verdient hier an
erster Stelle genannt zu werden*); die solide Schlichtheit,
welche dem Getäfel, dem Mobiliar, der zierlichen Alee-
blattdecke durch die Sauberkeit der Arbeit in hellem
Eichenholz ausgeprägt ist, spricht ungemein an — und
der gute Gedanke, durch das Erkerfenster einen Ausblick
auf die Donau mit der Malhalla zu gewähren, läßt alle
etwaigen Einwände gegen Einzelheiten verstummen. Bei
dem gothischen Zimmer, das die Gewerbehalle von
Mürzburg gebracht hat, ist nur zu bedauern, daß die Be-
schläge so blank verzinnt sind; dagegen verdienen die sehr
schön geschnitzten gothischen Möbel von Earl Lehmann-

Nürnberg und besonders von L. Vogt-Memmingen volles
Lob. Von Ueberladung ist bei diesen Sachen nichts wahr-
zunehmen; aber auch bei den Renissancemöbeln tritt sie
seltener als früher auf — mag dies nun einer wirklichen
Gefchmacksläuteruug entsprungen oder auf den Einbruch
der einfachen englischen und amerikanischen Möbel zurück-
zuführen sein. Ein Bibliothekzimmer kann unter Benutz-
ung der uns von der Renaissance überlieferten Formen
nicht leicht so zweckmäßig, ansprechend, vornehm, so
ohne hohlen Prunk ausgestattet werden, wie jenes von
A. 5ch oyerer--Eham. Daran reihen sich — durch
Zurückhaltung im decorativen Schmuck ausgezeichnet
— das einfach gute Speisezimmer von I.
P f e u s f e r - Marktbreit und G. A ö mp-
Würzburg, ein anderes mit hübschen: Erker
von S. Jacob und M. Bottler-Bamberg
(entworfen von Pros. Brochier-Nürnberg),
ein vornehmes Wohnzimmer von Nic. Eckel-
Aaiserslautern. Das letztere, an dessen einen:
Schmalende eine erhöhte Estrade dem Ganzen
einen besonderen Reiz verleiht, charakterisirt
sich durch ein weises Maaßhalten; in: Hobel-
werk ist das Eichenholz fast zu fein behandelt,
so daß die Schnitzarbeit daneben zu derb er-
scheint. Etwas weiter, doch immerhin noch
innerhalb der Grenzen eines vernünftigen
Maaßhaltens, gehen das Wohnzinnner von
I. E. Otto-Nürnberg und das Schlafzimmer
von Fr. Scheidig-Fürth; letzteres namentlich
weist eine äußerst feinfühlige Verwendung von
verschiedenartigen Hölzern und Intarsien auf.*)
Von feinen: En:pfinden zeugt auch der Salon
von G. M. Müller-Bamberg: in leichtem Louis XIV.-
Stil, aus Nußholz geschnitzt, sparsam vergoldet, mit treff-
lich gewählten, gobelinähnlichen Polsterungen. Den Gipfel
dieser Stilrichtung erreicht I. A. Eyßer-Nürnberg mit
seinem außerordentlich vornehm und mit viel Geschmack
ausgestatteten Salon, in welchem barocke und amerikanische
Motive geschickt miteinander verbunden sind — zugleich
das einzige Beispiel der Nürnberger Ausstellung, an
welchem deutlichere Spuren der Merle'schen Eompositions-
weife wahrzunehn:en find. Jenseits des erlaubten Auf-
wandes steht jedenfalls das Schlafgemach eines Aunst-
fchreiners aus Gberhaufen (bei Augsburg), dessen in
schwülstiger Spätrenaissance gedachtes Mobiliar in einem
unendlich thörichten Baldachinwerk gipfelt.

*) Abbildungen davon folgen in nächster Nummer.

(Schluß folgt.)

\0S. Airchenleuchter aus Messing;
entworfen von £). Grieseba ch, aus-
geführt von p. Marcus.


Unsere Kunstgewerblichen MusterblMer.

Taf. 29. ls als ketten von bjugo Sch aper in Berlin.

Taf. 20. Gothisches Buffet von Spinn & 11tencfe in
Berlin, (vergl. Text Seite 68.)

Taf. Silberner Armleuchter v. D. Vollgold & Sohn in
Berlin. Tntw. v. Baurath tfeyden; modellirt v. Götz u. Baumbach.

Taf. 22. Bücherschrank. Entworfen von A. Walter Schmidt,
ansgeführt von I. T. Pf aff in Berlin. Dieser Schrank bildet einen
Bestandtheil eines großen von I. L. Pf aff ausgestellten Arbeits-
zimmers, welches in ähnlicher Weise in allen seinen Theilen durch-
geführt ist.

Hierzu „kunstgewerbliche Rundschau" Ar. 8.


verantw. Red.: Prof. L. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Lunstgewcrbe-Vcrein. — Druck und Verlag von 2t. Gldenbourg, München.
 
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