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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 1
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Riehl, Berthold: Der Alterthümler und das moderne Kunstgewerbe, [1]
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Streiter, Richard: Tintenskizzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0023

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zum Sitzen da, dazu seien diese aber doch nicht sonderlich
geeignet, auch ließe sich manches Möbel, wie z. B. das
Sopha, heutzutage doch etwas bequemer und dabei min-
destens gerade so schön machen; wie ihm gute, neue Bilder

auch besser gefielen wie die doch recht handwerklich ge-
malten Rococoportraits, deren größter Vorzug es wäre,
daß sie eben etwas über (00 Jahre alt seien.

(Schluß felgt.)

LinImsttzM.

(Lfierzu die Abbildungen 7—;o, sowie Tafel 2.)

er Gesammtcharakter einer Stilperiode, einer künstlerischen
Richtung pflegt auch in der Wahl und Verwendung der
Mittel, in der Bevorzugung und Ausbildung gewisser
Techniken, in der Führung von Modellirholz und Neisel,
von Pinsel, Stift und Feder augenfällig zum Ausdruck
zu kommen. Ist auch in letzterer kfinsicht die Individualität des
Künstlers das Ausschlaggebende, so finden sich doch bei zeitlich und
landschaftlich zusammengehörigen Künstlergruppen gewisse gemeinsame
Züge auch in der Art der „Mache", die durch die jeweilig erreichte
Stufe innerhalb des großen Entwickelungsganges der Kunst bedingt sind.

Dies gilt für Malerei und Plastik als eine ausgemachte That-
sache; weniger bekannt und beachtet dürfte die Gültigkeit obigen
. Satzes für das architektonische Schaffen sein, wenn unter Material
und Technik nicht nur die Baustoffe und Lonstructionsweisen, sondern
auch die Mittel der zeichnerischen Darstellung verstanden werden, deren
sich der Architekt zur Festlegung und Durchbildung seiner Ideen be-
dient. Faßt man bei Durchmusterung eines Architektur-Museums, wo
Pläne und Skizzen verschiedener Zeiten und Meister in großer Zahl
gesammelt sind, diesen Gesichtspunkt in's Auge, so offenbart sich dem
kundigen Beobachter eine Fülle feiner, verständnißfördernder Be-
ziehungen zwischen Stilrichtung, Formbehandlung und Art der zeich-
nerischen Darstellung. Man erinnere sich nur an die gewissenhaften,
das Lonstructive betonenden Baurisse der Gothiker, an die feinen,
flotten Baudskizzen der Renaissancemeister, an die üppigen, auf packende,
prunkvolle Wirkung berechneten Architekturstücke eines Piranesi, Bibiena,
Wendel Dietterlein, an die leicht hingesetzten, das alles umspielende
Grnament nur zart andeutenden Pläne der Rococomeister, endlich an
die peinlich sauberen und correcten Zeichnungen der Llassicisten und
Romantiker vom Anfang unseres Jahrhunderts I Man wird ohne
Weiteres zugestehen, daß ein inniger, vielsagender Zusammenhang
zwischen dem, was gemacht wurde, und der Art, wie es dargestellt
wurde, unverkennbar ist. Aber man wird noch weiter gehen und
— wenigstens was unser Jahrhundert betrifft — behaupten dürfen,
daß die Art des architektonischen Zeichnens auf die Art des architek-
tonischen Denkens, damit auch auf die Ausgestaltung von Gebäuden
und Gebäudemassen — Straßenanlagen — nicht unerheblich ein-
gewirkt hat. Es liegt nahe, hier auf die Ludwigstraße in München
zu verweisen. Diese mit wenigen Ausnahmen steifen, frostigen Faeaden,
deren trockene Einförmigkeit gewöhnlich mit dem Euphemismus „monu-
mentaler Vornehmheit" bezeichnet zu werden pflegt: sie sind so recht
Typen jener architektonischen Eompositionsweise, die nur mit Reiß-
schiene, Winkel, Zirkel und einem stets scharf gespitzten, harten Bleistift
arbeitete. Mit der peinlichen Genauigkeit und „objectiven Klarheit"
der zeichnerischen Darstellung, wie sie zu Gärtner's Zeiten üblich war,
stimmt die nüchterne, überstrenge, in pedantischem Schematismus ver-
knöcherte Monumentalität jener Bauten auffallend überein.

Für unsere Zeit ist das starke lfervorkehren des Malerischen in der
Architektur bezeichnend. Die Frage, ob diese Richtung des Geschmackes
nach dem der classicistischen Ueberstrenge entgegengesetzten Extrem neben
unleugbar bedeutenden Vorzügen nicht auch mancherlei Gefahren mit
sich gebracht hat, soll hier nicht näher untersucht werden. Läßt man
aber als Kriterium für die mehr oder minder künstlerische Auffassung
des architektonischen Schaffens die Art und Weise gelten, wie der
Baukünstler seine Ideen zu Papier bringt, wie er seine Phantasie in
Skizzen und Studien sich entfalten läßt, so wird man unbedingt zu-

gestehen müssen, daß ein frischer, kräftiger Zug die Leistungen unserer
Tage auf dem Gebiete der Architektur und der schmückenden Künste
durchweht.

Als besonders charakteristisches Zeichen ^hierfür darf wohl die
Thatsache hervorgehoben werden, daß die Mappen einer Reihe der
talentvollsten jüngeren Architekten eine reiche Fülle von rasch hin-
geworfenen, durchaus malerisch behandelten Skizzen bergen, die die ver-
schiedensten Motive der monumentalen und bürgerlichen Baukunst, des
Kunstgewerbes und der Decoration mit den einfachsten Mitteln, aber
in abgerundeten, wirksamen Bildern darstellen. Die meisten dieser sehr
reizvollen und anregenden Blätter sind sog. „Tintenskizzen",
d. h. freihändig entworfene Federzeichnungen auf gewöhnlichem Schreib-

;o. Palle; Tintenskizze von Architekt P. pfann, München.

xapier, zu deren Tontourirung und Abtönung mittels des Pinsels nur
die sonst als künstlerisches Darstellungsmaterial gering geachtete Tinte
Verwendung gefunden hat.

Man wird fragen: Wie kommt die Tinte zu der Ehre, nicht
nur dem Dichter und Musiker, sondern auch dem bildenden Künstler
zur Festlegung seiner Ideen zu dienen? Nun, idie Tinte hat den
Vorzug, daß sie einen markigen, festsitzenden Strich ergibt, der nicht
die Bärte des schwarzen Tuschestriches besitzt, dagegen durch die grün-
liche oder bläuliche Farbe eine gewisse Lebendigkeit, eine weiche Leucht-
kraft gewinnt, die der plastischen Wirkung des Dargestellten sehr zu
gut kommt. Die Weichheit der Tintenzeichnung wird noch dadurch
erhöht, daß beim Anlegen von Schattentönen mit dem Pinsel die
Linien sich etwas verwaschen, so daß in den Schattenxartieen die
Striche matter werden, während an den nicht vom Pinsel berührten
Stellen, also im Licht, der schärfere Tontour bestehen bleibt. Zu diesen
 
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