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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 11
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Semper, Hans: Charakteristik des "Rubensstiles" (des belgischen Barocks) in der dekorativen Skulptur
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Haupt, Albrecht: Oertliche Besonderheiten in älteren Tischlerarbeiten, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0110

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lZ9- Alter Schrankkasten ans dem XV. Jahrhundert.

touchen des Holländers Crispin de paffe in einem Werk
über Schreinerei, das er (6q2 in Amsterdam herausgab.')
Offenbar ist er von Francquart beeinflußt, suchte aber
dessen Lederstil in Holzstil umzubilden.

Line sehr charakteristische Eigenschaft der belgischen
Barockdecoration darf schließlich nicht unerwähnt bleiben,
nämlich die reiche Verwendung der Figur im Dienste
der Decoration, ganz abgesehen von selbständigen Nischen-

i) ysendyck, Litt. C. Pl. 9.

figurcn. (Abb. (57 u. (38.) Und zwar wird jetzt auch
die decorative Figur mit mehr malerischer Freiheit,
nicht so streng symmetrisch und conventionell wie früher,
in den Rahmen der Decoration eingefügt und ihr mehr
selbständige, individuelle Belebung verliehen, ohne daß sie
doch als fremdartiger, der Decoration aufgedrungener
Theil erschiene. Hendrik Goltzius hatte diese malerisch-
selbständige Behandlung der decorativen Figur zuerst ein-
geführt, aber auf Rosten des architectonifch-ornamentalen
Theiles. Der sogenannte Rubensstil weiß die lebendige
Freiheit der Figur harmonischer mit der Architectur zu
verschmelzen. Die schlagendsten Beispiele liefern in dieser
Beziehung die Triumphbögen des Rubens und van Thulden,
der Triumphwagen des Ersteren und ähnliche — aller-
dings nicht für monumentale Ausführung berechnete Ent-
würfe, an welchen theilweife auch der Ausschmückung mit
Gemälden ein großer Raum gewährt wurde. Aber auch
in den eigentlichen plastischen Decorationen dieser Zeit
spielen die allegorischen und historischen Figuren eine
wichtige Rolle, wie wir weiter unten sehen werden. Da-
neben ist ein besonderes Lieblingsmotiv der putto, fei
es als Engel oder Amor, welcher kaum zu einer an-
deren Zeit, ausgenoimnen vielleicht die italienische Früh-
renaissance, in den: Maaße verwendet wurde, wie denn
— trotz der strengkirchlichen Richtung der Zeit — in der
Aunst antike Mythologie und christliche Ikonographie
bunt und harmlos neben- und durcheinander gemischt er-
scheinen. Besonders häufig erscheinen Kutten an den
Eartouchen, als Schildhalter, sowie in den mannigfaltigsten,
lebendigsten Bewegungen in den Akanthusrankensriesen
verwendet. Ferner als Festonträger rc. Es sind alte
Motive, welche aber ein durchaus neues, eigenartiges Leben
im sogenannten Rubensstil erhalten und zu dessen fröh-
licher, gesunder Fülle nicht wenig beitragen. (Abb. (36.)

SkrtliJk SchMchilkn in iitterm AMMßkitkiu

Bon Prof. Dr. Albrechc Haupt, Hannover.')

s ist ein ganz anderes Bild, welches uns
die neuere Aunst und Aunstindustrie bieten,
als das aus älteren Zeiten. Zu diesen
zeitlich von uns entfernten Gruppen sind
allerdings auch die zu rechnen, welche,
durch große geographische Entfernungen
von den Gegenden fortwährenden modischen Wechsels ge-
trennt und von ihnen nicht beeinflußt, sich eine örtliche
Selbständigkeit und logische ungestörte Entwickelung aus
sich selbst heraus haben bewahren können. Wir sehen
dort Erscheinungen und Verhältnisse gleicher Art, wie

') Die zu diesem Aufsatz gehörigen Abbildungen ^39—^2 wurden
uns freundlichst von Director Sauermanu in Flensburg zum Ab-
druck zur Verfügung gestellt; weitere hicher gehörige Abbildungen folgen
in der „Kunstgewerblichen Rundschau" Leite

sie sich bis zum Beginn der neuen Zeit auch bei uns er-
geben hatten. Aber der Strom der fortschreitenden „Cultur",
die man lieber Mode und allgemeine Verflachung nennen
sollte, die wie der langsam, aber sicher mehr und mehr
jeden menschlichen hergebrachten Unterschied verwischende
sociale Zug der Gegenwart und Zukunft einer allgemeinen
Gleichinacherei zustrebt, zerstört auch in Aunst und Aunst-
gewerbe consequent jede örtliche Besonderheit. Es ist
betrüblich zu sehen, wie, nachdem der Areislauf der Ver-
gangenheit nn äffenden Schattenbilde nochmals vor uns
vorübergezogen ist, jede noch so weit liegende kleine Sonder-
leistung irgend eines anderen Volkes, wie der Engländer
und Anrerikaner jetzt und der Chinesen und Japaner, sicher
bald auch aus dem schwärzesten Afrika herangeholt wird,
um den verlebten Modegeschmack des alternden Europa
 
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