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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 3
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J. M.: Die Halle des Bremer Rathhauses
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0040

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Der Einsicht der Gefahr sind sich im Laufe des Jahres immer
größere Kreise bewußt geworden. So wurde Anfangs März von einer
Reihe deutscher Künstler und Kunstverständiger den Bremer Behörden
eine Petition überreicht, die in überzeugender Sprache die dringende
Bitte vorträgt, vor Beginn der Ausführung wenigstens erst noch
einmal Sachverständige über die endgiltigen Pläne anzuhören.

Die Petition, welche sowohl an den Senat wie an die Bürger-
schaft Bremens gerichtet ist, lautet:

„Durch Beschluß des hohen Senats und der Bürgerschaft soll
der Bremer Rathhaussaal in größerem Umfang mit Schnitzwerk ver-
ziert werden.

Die ergebenst Unterzeichneten haben diesen Beschluß mit großer
Besorgniß und dem lebhaften Wunsche vernommen, cs möge, wo es
sich um den Eingriff in ein kunst- und culturhistorisch so wichtiges
Vermächtniß vergangener Jahrhunderte handelt, wie wir es im Bremer
Rathhaus überkommen haben, eine Aenderung nur nach eingehendster
und umfassendster Prüfung durch bewährte Autoritäten vorgenommen
werden. «Obwohl in der Tagespresse wie in den Fachzeitungen dieser
Gedanke lebhaft angeregt worden ist, so hat er doch bisher nicht in
einer unserer Ansicht nach völlig erschöpfenden weise Verwirklichung
gefunden.

Die drei von der Rohlands-Stiftung selbst erwählten Sachverstän-
digen schränkten zwar die zu weit gehenden Entwürfe des ausführenden
Architekten ein und sprachen die Hoffnung aus, es möge dem küust-
lerischen Sinn desselben gelingen, die Aufgabe in würdiger weise zu
lösen, haben aber ihre beiden Gutachten nicht über fertige Zeichnungen,
sondern nur über skizzenhafte Entwürfe abgegeben.

wörtlich sagen sie in ihrem letzten Gutachten vom ITtat ^892:
,Allerdings ist es nicht möglich, bei den: skizzenhaften Charakter der
vorliegenden Entwürfe einen sicheren Schluß auf den Formcharakter
und die Detailbildung zu ziehen'. Als sich dann bei der Ausstellung
der fertigen Zeichnungen im Herbst Z89-Z Stimmen öffentlich regten,
Sachverständige zur Prüfung derselben heranzuziehen, fanden diese
wünsche leider keine Verwirklichung. Die ergebenst Unterzeichneten
beehren sich, dein hohen Senat und der Bürgerschaft vertrauensvoll
nun auch ihrerseits die Bitte vorzutragen, noch in letzter Stunde das
Urtheil Sachverständiger einzuholen.

Es ist in Deutschland so viel Schönes und Alterthümliches zer-
stört worden in der Absicht, Besseres an seine Stelle zu setzen, daß der
Wunsch berechtigt erscheint, es möge diese vorliegende Frage nur unter
völliger Ausnützung des jetzigen Standes der einschlagenden Wissen-
schaft gelöst werden.

Unter den deutschen Baudenkmälern nimint das Bremer Rath-
haus eine der ersten Stellen ein; nicht nur der Bremer, sondern der
Deutsche ist stolz aus dieses Erbe deutscher Kunst und deutschen Bürger-
sinnes.

wie der Ruhin Albrecht Dürer's z. B. nicht Nürnberg allein
gehört, sondern dem ganzen vaterlande, so ist auch Bremen — ideell
betrachtet — nicht die Besitzerin des Rathhauses, sondern die Hüterin
dieses Kleinodes des deutschen Volkes.

Die pietätvolle Art, in welcher in letzter Zeit so manche herrliche
Bremer Renaissancebauten gerettet worden sind, in welcher Senat und
Bürgerschaft wetteifern, wenn es sich handelte, den altehrwürdigen Dom
aus langen: verfall neu erstehen zu lassen, oder beit Marktplatz zu ein-
heitlicher Vollendung zu gestalten, gibt uns die zuversichtliche Hoffnung,
daß es nur dieser Anregung bedurfte, um unsere Bitte zu erfüllen,

noch in letzter Stunde ein sachverständiges Urtheil über die detaillirten
Zeichnungen einzuholen. In ausgezeichneter Hochachtung.

Geh. Rath Dr w. H. v. Riehl, Director des baz'er. National-
museums; Geh. Rath vr. F. v. Reber, Director der kgl. baper. Staats-
Gemäldegallerien und Professor der techn. Hochschule; Fr. Thiersch,
Architekt und Professor; Gabr. Seidl, Architekt und Professor; Rudolf
Seitz, Akademieprofessor; vr. F. v. Lenbach; Leop. Gmelin, Professor,
Redacteur der Zeitschrift des ba^er. Kunstgewerbevereins; Dt. Georg
Hirth, sämmtlich in München, — Earl Schäfer, Gberbaurath und
Professor, Karlsruhe, — Gustav v. Bezold, erster Director des gerinan.
Museums, Nürnberg, — Johannes Mtzen, Geh. Reg.-Rath und Pro-
fessor, Berlin, — (Otto March, kgl. Baurath, Eharlottenburg."

Durch besonderes Schreiben haben sich noch als Mitunterzeichner
gemeldet: Prof. Eh-. R. Muther, Breslau; Prälat vr. Schneider, Mainz;
Prof. Lichtwark, Director der Kunsthalle, Hamburg; Hans Grisebach,
Architekt, Berlin.

Schon allein die Namen der Unterzeichner sollten die Bremer
warnen, ohne reiflichste und genaueste Prüfung weiterzugehen. Dies
ist das wenigste, das wir Deutsche — im Sinne der Petition Mit-
besitzer des schönen Baues — beanspruchen können. Es muß uns
die Gewähr geboten werden, daß nicht leichtsinnig und übereilt vor-
gegangen wird.

Die Pläne sind bis jetzt noch nicht sachgemäß geprüft worden.
Das in Bremen vorliegende „Sachverständigen-Gutachten" ist in den
Händen der Planverfechter eine rostige Waffe geworden. Bekanntlich
bezog es sich überhaupt nur auf Skizzen kleinsten Maaßstabes, die
kaum eine klare Vorstellung von der Absicht geben konnten.

wie sehr dasselbe übrigens den Charakter einer nur vorläufig
und bedingt geltenden Aeußerung trägt, geht schon zur Genüge daraus
hervor, daß cs sich über die Vorlagen nur in Ausdrücken der wünsche
und Hoffnungen bewegt, und sich Angesichts der gewiß nicht zurück-
gehaltenen Versprechungen des Künstlers, sich diesen Wünschen an-
zubequemen, damals für's Erste danrit beruhigte.

wir sind davon überzeugt, daß die Sachverständigen keineswegs
mit ihrem Gutachten die Prüfung für abgeschlossen hielten, sondern der
Meinung waren, daß die endgiltigen Pläne abermals ihnen oder anderen
Kunstverständigen anerkannten Rufes vor der Entscheidung vorzulegen
seien. Es sollte uns sehr Wunder nehmen, wenn nicht die beiden noch
lebenden Verfasser des Gutachtens das beabsichtigte unsachgemäße Vor-
gehen der Behörden für einen Fehler erklären. Eine Anfrage bei ihnen
wird sicherlich unsere Ansicht bestätigen. Namentlich Prof. Wallot hat
bekanntlich seiner unbegrenzten Verehrung für die vaterländische Kunst
des zs. und ;?. Jahrhunderts verschiedentlich kräftigen Ausdruck ver-
liehen , und so hat er sich bei seinem feingebildeten Auge sicherlich
nicht der Wahrnehmung verschließen können, daß die Probeleistungen
des Bremer Künstlers int Bilderrahmen und dem Stück Täfelung der
Nordwand weder im Stil noch in der Haltung zu den alten Vor-
bildern paffen wollen.

Im Hinblick darauf ist es uns Deutschen, als idealen Mitbesitzern
des Bremer Rathhauses, ein Herzenswunsch, daß uns Gewähr geboten
wird für die pietätvolle Erhaltung und Schonung des Alten. Dann wird
die That sicherlich der Stadt und unserer Zeit zur großen Ehre gereichen;
eine That, die der Nachwelt beweist, daß die Bürger Bremens Sinn für
die Größe der Vergangenheit hatten und es verstanden, das alte Schöne
im neuen Glanze erstrahlen zu lassen. Und dies ist doch wohl Aller
Absicht, Wunsch und Freude, selbst die des schaffenden Künstlers I J. M.

OCttfene kunstgewerblichen MusterblMer.

Taf. 9. Rathhaushalle in Bremen.

Taf. zo. Tafelaufsatz; Entwurf von C. Kloucek, Professor
an der Kunstgewerbeschule in Prag. (Aus dessen Werk „Kunst-
gewerbliche Entwürfe".) Zu dem Artikel „Publicationen von Tinten-
skizzen" gehörig.

Taf. \{. Wandelhalle; Tintenskizze von Architekt P. Pfann,
München.

Taf. [2. Allegorie des Wassers, plastische wanddecoration.
Entwurf von (D. Rieth. Aus dessen Werk „Skizzen, III. Folge";
mit Erlaubniß des Verlegers (Baumgärtner's Buchhandlung in Leipzig)
abgedruckt. Zu dem Artikel „Publicationen von Tintenskizzen" gehörig.

Hierzu „kunstgewerbliche Rundschau" Nr. 3.

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verantw. Red.: Prof. L. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Aunstgewerbe-Verein. — Druck und Verlag von K. Gldenbourg, München.
 
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