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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 4
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Zimmermann, Ernst: Die technische Entwicklung der Ledertechnik
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0048

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Diesen beiden Arbeiten gegenüber zeigt Abb. —HZ

einen kleinen rechteckigen Lederkasten, dessen im Vergleich
zu der des Achtens, auffallende Deckelhöhe auf eine ganz
besondere ehemalige Verwendung hinweist, den Anfang
eines neuen Stadiums, den der plastischen Modellirung.
Auch hier hat man auf dem Deckel das mittlere Rund
mit dem Aopf im Tartschenfchild, sowie das reiche, aber
seinblättrige, gothische, frei symmetrische Rankenwerk zu
beiden Seiten zunächst eingeschnitten, dann aber die Schnitte
erweitert und zur Modellirung und Erzielung von Schatten-
wirkung an den bedeutsameren Stellen, namentlich an den
Blattwinkeln, mit einem spitzen Instrumente tief unter-
stochen und die benachbarten Theile dadurch leicht in die
pöhe gehoben, ein Verfahren, das sich um diese Zeit,
wie auch früher — dieser Aasten ist datirt vom Zähre
(528 — nicht selten findet und mit dem häufigeren Aufbiegen
der gesammten Schnittränder mit einem stumpfen Instru-
mente parallel geht. Der Grund ist hier unregelmäßig
gepunzt mit einem vier Perlen fassenden Stempel.

Dieses Ausbiegen der gesammten Schnittränder mit
einem stumpfen Instrumente illustrirt das hierfür sehr
späte Beispiel eines portugiesischen oder spanischen Stuhl-
leders in Taf. (6. Auch auf der iberischen palbinsel
hat man sich später neben der bis ins (8. Jahrhundert
niemals aufgegebenen Pressung des Leders mit dein Leder-
schnitt und der Ledertreibarbeit befaßt, namentlich im
{7- Jahrhundert, wo die in dieser Technik ausgeführten
Sitz- und Rücklehnen von Möbeln geradezu eine Specia-
lität dieses Landes werden. Diese Arbeiten zeigen ineist
ein gut componirtes, die Fläche voll deckendes, renaissance-
artiges Muster, sowie eine absolut tadellose Durchführung
dieser Technik, wobei man sich meist aus stilistisch-prak-
tischen Gründen mit einem ziemlich flachgetriebenen Relief
oder gar nur, wie in dem hier in Frage kommenden
Beispiel, mit dem Lederschnitt begnügte. Doch hat man
hier an dieser Arbeit die Schnitte bedeutend auseinander
klaffen lassen, die Schnittränder leicht emporgehoben, den

Grund kräftig und summarisch mit sechsfacher Punze
gepunzt, dis Blätter aber scheinbar durch eine Roulette
körnig geädert und dadurch die Mitte der Blätter wieder
leicht niedergedrückt, wodurch eine gewisse Belebung in die
ganze Fläche derselben hinein kommt.

Abb. HH und H5 zeigen nun ein spätes Beispiel des
technischen Anfangsstadiums der eigentlichen Treibarbeit,
die in Italien zu Anfang des (6. Jahrhunderts zu ihrer
höchsten Blüthe gelangt ist. Das hier abgebildete Aästchen
gleicher Zeit und gleichen Ursprungs, ist ein treffliches
Beispiel für die künstlerische Freiheit, mit der man sich
damals dieser Technik bediente. Nachdem man hier das
Ornament des Deckels, den Adler mit den ausgebreiteten
Schwingen auf der Vase zwischen Füllhörnern und seine
Umkehrung um eine mittlere Schrifttafel herum, — ein
Motiv, das für einen nur einseitig zu öffnenden Deckel
gewiß nicht besonders zu loben ist — Umschnitten, dann
die Schnitte erweitert hatte, hat man in gänzlich freier,
fast regelloser Weise bald die Schnittränder emporgehoben,
bald das Leder von hinten mehr oder weniger weit Heraus-
getrieben, so daß man durch diese plastische Belebung des
Ornaments die Punzung des Grundes ganz entbehren
konnte. Die Freiheit der Modellirung ging aber hier so
weit, daß man die einzelnen Partien dieses Musters in
ihrer Wiederholung — man vergleiche z. B. die Brust
der beiden Adler — fast niemals gleich behandelte.

Der italienische Pelm aus dem Anfänge des (6. Jahr-
hunderts in Abb. 37 zeigt endlich diese Technik in ihrem
Endstadium und zugleich in ihrer feinsten Durchführung.
Das schöne, in acht Felder eingetheilte Ornament aus
Trophäen nach Stichen Enea Vico's und cameenartigen
Medaillons ist stach, aber zielbewußt getrieben; der Grund
im Gegensätze hierzu energisch, aber sehr regelmäßig ge-
punzt. Pier concurrirt das Leder nicht nur technisch,
sondern auch gegenständlich mit den Metallen, zu denen
es, wie am Anfänge erwähnt, gerade durch die Möglich-
keit der Treibarbeit eine so große Verwandschaft zeigt.

Unsere KmPgeworchlichen MusterblMer.

Tas. ;3. Stuhlxolster in Lederintarsia und Gold-
pressung. von f Hosbuchbinder Paul Attenkoser, München,
(vgl. hierüber den Text auf S. 32.)

Taf. Geschnittener Ledereinband. Als Adressen-
umschlag zur Feier einer goldenen Hochzeit gefertigt von s Hof-
buchbinder Paul Attenkoser, München. (Ungefähr V» der wirk-
lichen Größe.) — Auf die Feier selbst weisen die unten befindlichen
Embleme und Daten innerhalb der Myrthenzweige, während oben das
Wappen der „Spatenbrauerei" mit dem Namenszug von Gabriel Sedl-
mayr und das Abzeichen des Brauereigewerbes den Jubilar kennzeichnen.

Taf. ;5. Geschnittene, bemalte und gepunzte Leder-
cassette. Französische Arbeit des js. Jahrhunderts, vorne die
Inschrift „Ave regina celorum, ave domina". Aus dem Museum für
Kunst und Gewerbe in Hamburg. Gezeichnet von H. Haase, Ham-
burg. (Länge 0,305 m.) Hierzu die Abbildung auf Seite -Z3 der
„Knnstgew. Rundschau" Nr. 4.

Tas. ;s. Stuhlsitz aus geschnittenem Leder. Portu-
giesische Arbeit aus dem ;s- Jahrhundert. Im Museum für Kunst
und Gewerbe zu Hamburg. (Maaße: 5; : 40 cm.)

pierzu „kunstgewerbliche Rundschau" Nr. 4.

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verantw. Red.: Prof. £. Gmelin. — Herausgegeben vom Bayer. Kunstgerverbe-Verem. — Druck und Verlag von R. Gldcnbourg, München.
 
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