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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 5
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G, ...: Zur Inventarisation der Kunstdenkmäler in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0052

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eit zwei Jahrzehnten ist man in den einzelnen deutschen
) Staaten daran, ein altes versäumniß nachzuholen und
von den aus den Stürmen der Zeit geretteten Kunstdenk-
malern zu retten, was noch zu retten ist. Gelehrte und
Künstler bemühen sich vereint, alle nach unfern heutigen
Anschauungen bedeutsamen Reste älterer Zeit sorgfältig zu buchen,
um dadurch die an den Ort gebundenen Denkmäler mit dem Stempel
der Unantastbarkeit zu versehen und die beweglichen, bei denen ins-
besondere das Kunstgewerbe interessirt ist, vor Verschleppung zu
sichern. Die Mitarbeit der Künstler besteht zumeist in der möglichst
gewissenhaften Aufnahme der Denkmäler, meist unter Zuhülfcnahme
der Photographie. Ls ist selbstverständlich, daß -die genauen zeichne-
rischen Aufnahmen nicht nur sehr viel mehr Zeit benöthigen, als Be-
schreibung und Buchung, sondern auch meist eine den künstlerischen
Neigungen des Zeichnenden entsprechende Färbung erhalten, welche
auch bei der ehrlichsten Absicht doch zu einer Verschleierung oder Ent-

stellung führen kann. Die Photographie arbeitet allerdings rasch und
— innerhalb gewisser Grenzen - auch untrüglich; aber sie gibt meist
nur die Wirkung, nicht immer die Ursachen derselben — und für den
entwerfenden Künstler genügt es nicht immer, die Wirkung zu kennen,
sondern er muß auch wissen, wodurch diese Wirkung hervorgebracht
ist, — er muß die genauen geometrischen Größenverhältnisse, die lhöhen-
entwicklung, die Ausladung des Reliefs rc., welche jene Wirkung er-
zeugen, kennen lernen, wenn er nicht zu seinem eigenen Schaden und
zu dem der Kunst erst durch langes Umhertasten und böse Erfahrungen
sich die nöthige Lrkenntniß verschaffen soll. Deshalb werden die photo-
graphischen Aufnahmen in solchen Fällen stets von geometrischen, ge-
messenen begleitet werden müssen. Aber abgesehen von der schon
oben berührten Gefahr, daß bei solchen Aufnahmen das künstlerische
Empfinden des Zeichners leicht einen störenden Einfluß auf die Treue
der Wiedergabe hat, kann das verhältnißmäßig langsame Fortschreiten
solcher Arbeiten für die Durchführung derselben in einem ganzen Lande
verhängnißvoll werden; denn trotz allem guten Willen und aller Vor-
sicht wird es nicht zu vermeiden sein, daß hier steinerne Seulpturen

allmählich der Witterung zum Opfer fallen, oder daß dort ein Stuhl-
werk unter dem Ansturm des Holzwurmes zusammenbricht, — bevor
die Werke durch gewissenhafte zeichnerische Aufnahmen wenigstens in
genauen Darstellungen der Nachwelt erhalten werden konnten.

Es gilt also rasch zu handeln und dabei ein Verfahren eiit--
zuschlagen, welches mit der Raschheit der Ausführung auch die Mög-
lichkeit verbindet, genaue geometrische Bilder selbst dann noch zu fertigen,
wenn die Originalien auch den Weg alles Menschenwerks schon ge-
gangen sein sollten. Ein solches Verfahren besteht in der sogenannten
Meßbildaufnahme (Photogrammetrie), jenem von Baurath Vr. Mez»den-
bauer erfundenen und ausgebildeten Verfahren, bei welchem mit Hülfe
von photographischen Aufnahmen, die unter ganz bestimmten Be-
dingungen gemacht worden sind, genaue geometrische Darstellungen
noch nach Jahren hergestellt werden können.

Meydenbauer ist vor Jahresfrist in der „Deutschen Bauzeitung"
mit einem Vorschlag in die Oeffentlichkeit getreten, der sich zwar zu-
nächst nur mit der Baukunst befaßt, dessen Er-
streckung auf das Kunstgewerbe indessen, nament-
lich soweit es sich um die immobile Raumaus-
stattung handelt, nicht fraglich sein kann. Es
handelt sich um die Schaffung eines Denkmäler-
Archivs, welches die bisherigen Inventarisations-
Aufnahmen ergänzen soll. In diesem Archiv wer-
den die photographischen Original-Negative auf-
bewahrt, die mit besonderen, auf mathematischer
Grundlage construirten Instrumenten hergestellt
sind und in Folge ihrer Größe und sonstigen
Vollkommenheit auch ungewöhnlich deutliche Bilder
ergeben, aus denen die Zeichnungen durch
besondere Hülfskräfte aufgetragen werden können,
ohne daß die Zeichner im Geringsten an Zeit
und Ort gebunden sind. Die Vortheile davon
liegen auf der Hand. Nicht nur, daß man die
geometrischen Aufzeichnungen zu beliebiger Zeit
noch mit derselben Zuverlässigkeit machen kann,
wie von den Griginalien, sondern man ist auch
jederzeit in der Lage, ältere geometrische Auf-
nahmen zu eontroliren.

Schon seit etwa \o Jahren sind die Vor-
arbeiten zu einem solchen Denkmäler-Archiv -
über dessen Bedeutung für das künstlerische Thun
und Treiben der Vergangenheit und Gegenwart
nur eine Stimme herrscht — unter Meyden-
bauer's Leitung im Gange. Man hat auch schon
damit begonnen, von den Meßbildern Eopien zu
machen und dieselben in Bänden zu vereinigen
und zwar derart, daß jeder Band immer nur ein
Bauwerk in all' seinen Einzelheiten umfaßt; dabei
wurden alle modernen Hülfsmittel, namentlich
auch die künstliche Beleuchtung, angewandt, so daß z. B. Unterkirchen
deutlicher gegeben werden konnten als jemals. Welche Vortheile durch
eine derartige Registrirung der» vergleichenden Studium geboten werden,
leuchtet sofort ein.

Der Interessentenkreis eines solchen Archivs erstreckt sich im Gegen-
satz zu andern, nur für Gelehrte geschaffenen Sammlungen — wie
z. B. die Monumenta historica — auf die dem praktischen Leben ge-
hörenden Künstler, Architekten, Kunsthandwerker; ein solches Deutsches
Denkmäler-Archiv — die Monumenta Germaniae archaeologica —
würde darum ungleich mehr als jene andern Sammlungen mit dem
Volke Berührung haben. Die Einrichtung eines solchen Archivs ist
nun zunächst nur für Preußen geplant. Es liegt nahe, daß dieser
Gedanke auch in andern deutschen Staaten verwirklicht wird und
daß dann alle Denkmäler des deutschen Reiches nach einheitlichen
Grundsätzen ausgenommen werden. Ein derartiges Vorgehen wäre
mit Freuden zu begrüßen, nicht nur als eine Ehrung deutscher
Kunst, sondern auch als ein weiteres Zeichen deutscher EinheitI

G.

49. Aus einer Tiroler Bauernstube. (Nach den: Werke: „Knnstschätze aus Tirol"; vgl. S.-N ff.)
 
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