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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 7
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Hagen, L.: Die Textilindustrie auf der Berliner Gewerbeausstellung
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0076

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An diesem Schaden leiden auch sehr viele von den ausgestellten
Teppichen. Ejier finden sich nur allzu häufig Farben, die der Eng-
länder als sickly = seekrank zu bezeichnen pflegt. Sie haben einen
unreinen Ton, meistens ist ein Stich in's Gelbliche oder Grünliche vor-
handen, den der plattdeutsche Volksmund „giftig" nennen würde. Nur
ein Pavillon ist in dieser Abtheilnng vorhanden, vor dem man er-
leichtert und befreit aufathmet. Da ist echte Farbenfreude mit feinem
zeichnerischen Sinn gepaart! In eine hervorragend geschmackvolle
Structur von Herrn Architekt Hoffacker sind Nischen eingefügt, deren
Wände mit verschiedenen, unter einander harmonirenden Teppichen
der vereinigten Smyrnateppichfabriken von Eottbus und Hannover-
Linden behängen sind. Die Hauptnische enthält die Nachbildung und
Ergänzung eines werthvollen alten Teppichs des Berliner Kunstgewerbe-
museums. In dieser und anderen Eopien ist aber der Geist der
Technik vollkommen erfaßt, und daher ist es mit Freuden zu begrüßen,
daß diese stilreinen Stücke als ästhetische Bildungsmittel ihren Weg
in das deutsche Heim zu finden suchen. Es ist auch ein großer
Roeocoteppich vorhanden, einer, wie er sein muß, in Hellen, reinen,
weichen Farben.

Zwei Spreewälderinnen in Nationaltracht veranschaulichen am
Webstuhl die Herstellung der kostbaren Stücke, von denen eines z. B.
3 200 ooo Kttüpffäben enthält. Die neueren Muster der Firma werden
in einem eigenen Atelier unter Leitung von Herrn Direetor Späth
(Schinkelplatz z) angefertigt. Ls herrscht großer Mangel an guten,
brauchbaren Entwürfen. Kürzlich wurden von einer Dame einige

sehr schöne erworben. Im Ganzen ist bei den Zeichnern namentlich
das Gefühl für Richtung und liegende Eckbilduug zu schwach ent-
wickelt. Die Firma hat außerdem schwer gegen den Ungeschmack der
Moden- und Damenwelt zu kämpfen.

An Künstelei, Ueberladung und unreiner Farbe leidet auch die
große Mehrzahl der ausgestellten Posamenten. Knüxffransen von
klarem, verständlichem Mustergang sah ich nur bei Eisner & Haussig
und bei Krause & Dambitzsch mit je einem wahrhaft schönen Exemplar
vertreten. Warum benutzt man nicht ausgiebiger die vielen An-
regungen, welche die Stoffsammlung des Kunstgewerbe-Museums und
die Gemälde des Lorenzo Lotto und anderer venetianer im alten
Berliner Museum für dies Fach so reichlich bieten? Selbst die städtische
Webeschule hat diesen Versuch noch nicht gemacht. „Es ist nicht
Mode," lautet die Entschuldigung. Auch die Smyrnateppichfabriken
haben gegen Mode, vorurtheil und unendliche Schwierigkeiten zu kämpfen.
Warum haben nicht Andere den Muth, zu kämpfen, wie sie käinpfen?

Schlechte Lectüre verschlechtert den Geschmack, gute Vorbilder
heben ihn. Welche Verbreitung haben die Libertystoffe errungen,
trotzdem sie aller Mode schnurstracks zuwider liefen! Und ist irgendwo
ein erfindlicher Grund vorhanden, warum z. B. die Firma Müller,
Kronenstraße, die guten, alten Muster, die sie benutzt, zum großen
Theil in kränklichen Farben wiedergibt? Das Publikum würde sie
ebenso gern, vielleicht lieber kaufen, als jetzt, wenn sie reiner und
wärmer im Ton erschienen. Man sieht — für die Berliner Textil-
industrie gibt es noch allerlei zu lernen. L. Hagen.

96. Stickmuster; im Stile ungarischer Bauernstickereien entworfen von Architekt Bela Benczur, Budapest.

2/3 der wirk!. Größe.

kunstgewerblichen MustenblMen.

Taf. 25. Böhmisches Kopftuch (»Plenai) aus Kralowitfch
bei Pilsen. Rothe Seide auf weiß; die Schlangenlinie gelb und grüne
Seide. Im Besitz der Kunstgewerbeschule zu Prag.

Taf. 26. Böhmisches Kopftuch (znsaunnengefaltet). Platt-
stickerei in carmoisinrother Seide auf weißer Leinwand. Entstehnugs-
zeit ca. \77o; Größe 92 cm im (puadrat. (Aus „I. Koula, Auswahl
böhmischer Nationalstickereien, Prag ^392" mit Erlaubniß des Ver-
legers abgedruckt.)

Taf. 27. Spanischer Brocatstoff. (;6. Iahrh.) Nach dein

Briginal im k. k. österr. Museum zu Wien gezeichnet von Paul Wahn,
Wien. Hellgelber Seidengrund mit vielfarbigen Seiden-, Gold- und
Silberfäden broschirt, —.mit den Initialen Karls V. und Philipps II.,
sowie dem österreichisch-spanischen Hauswappen.

Taf. 28. Plattstickerei. Jm Stile ungarischer Bauernstickereien
entworfen von Architekt Bela Benczur, Budapest. Zur gleichen
Gattung von (Ornamenten gehört auch die Leiste auf S. 53 (Abb. 73);
vergleiche damit die früher schon puhlicirten ähnlichen Arbeiten: Z894
Taf. 4;,.;895 S. \ und \2, Taf. 7.

Hierzu „kunstgewerbliche Rundschau" Ar. 7.

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verantw. Red.: Prof. L. Ginelin. — Herausgegeben vom Bayer. Lunstgewerbe-Verein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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