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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 3
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Publikationen von Tintenskizzen
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J. M.: Die Halle des Bremer Rathhauses
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0039

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aus dem neuert Werke Rieth's zu geben, das so recht das zuletzt Ge-
lugte zu illustriren geeignet ist.

Ueber den zeichnerischen Vortrag noch ein Mort zu sagen,
scheint uns überflüssig; ein Blick auf die flotten und sicheren persxec-
tivischen Architekturen oder auf die tu gerader Ansicht, aber durchaus
freihändig dargestellten decorativen Details überzeugt, daß aus diesem
wie aus den anderen Rieth'fchen Werken nicht nur Architekten, sondern
auch Maler und Bildhauer, sowie Kunsthandwerker jeder Art reiche
Airregung zu eigenem Schaffen schöpfen können. Das ist der beste
Empfehlungsbrief, den wir den schönen Blättern mitgebeti köntien. —

In ganz anderen Bahnen bewegen sich L. Kloucek's „Kunst-
gewerbliche Entwürfe",') denen wir schon im Jahre ;89S^) eine Be-
sprechung gewidmet haben; wenn wir heute darauf zurückkommen,
so geschieht dies, um eben int Zusammenhalt mit jenem Artikel über
Tintenskizzen nochmals auf diese Sammlung hinzuweisen, nachdem
wir durch das Entgegenkommen des Autors in den Stand gesetzt
worden, eine kleine Auswahl seiner Skizzen in diesem lheft in auto-
typischen Verkleinerungen und ein Blatt in Griginalgröße (Lichtdruck-
tafel ;o) zum Abdruck zu bringen.

Kloucek's Skizzen stehen völlig auf dem künstlerischen Boden des
i<5., und \8. Jahrhunderts; der Schwerpunkt derselbeti liegt mehr
auf Seiten des Plastikers als des Malers, und zwar sind es mehr
kleine kutistgewerbliche Ziergegenstände — Laffetten, Tafelaufsätze
(Tafel ;o), Prunkgefäße (Abb. 25), Leuchter (Abb. 22), Uhrgehäuse,
Beschläge, Kelche, Rahmen — als Stücke aus dem Bereich der Monn-
mentalbildhauerei. Doch finden sich auch zahlreiche kleine Skizzen zu
decorativen Füllungen, welche besonders den Malern Anregung bieten;
mit einer gewissen Vorliebe und mit utileugbarem Geschick hat der
Künstler bisweilen alte böhmische Sgraffiten zum Vorbild genommen
(Abb. 2\, 24 und 26).

Die Berechtigung, diese über ;oo Zeichnungen in das Gebiet der
Tintenfkizzen zu rücken, nehmett wir aus dem Umstand, daß — wo

') 45 Tafeln in Lichtdruck; Verlag ~S. G. Lalve'sche k. k. !)of-
und Universitäts-Buchhandlung, Gttomar Bayer; Prag ;8JZ.

2) Kunstgew. Rundschau S. 59.

nicht wirklich, wie bei Tafel ;o, eine Tintenskizze vorliegt :— es durch-
weg flüchtige Notizen, künstlerische Eingebungen des Augenblicks sind,
bereu flotte Federzeichnung durch eine leichte Tnschung unterstützt wird;
weder „kleinliche Ziererei noch umständliches Ausklügeln" beeinträchtigt
die Frische der Lmpfitidung. Darum werden allerdittgs die gegenständ-
lichen Entwürfe meist noch einer Umarbeitung unterzogen werden
müssen, um itt die Wirklichkeit übersetzt werden zu können; aber das

28. Skizze von L. Kloucek (vgl. Abb. 2;).

wird keinem geschickten Kutisthandwerker schwer fallen — und einem
ungeschickten ist auch mit den vollendetsten Entwürfen nicht zu helfen.
Was die in Rede stehenden Skizzen werthvoll macht, das ist kaum
weniger ihre unmittelbare Verwendbarkeit für die Praxis als vielmehr
die von ihnen ausgehende Anregung; jede künstlerisch ausgeprägte
Persönlichkeit wirkt in diesem Sinne, und so sind auch die ein-
schmeichelnden Skizzen Kloucek's, die alle einen unverkennbaren persön-
lichen Stempel tragen, wohl geeignet, schlumtnernde Keime zunt Leben
zu erwecken.

Die ZÄk Vmm MMsk§.

m vorigen Jahre ') berichteten wir über die Rathhaushalle
zu Bremen und die Plätte, die dort mit ihrer Moderni-
sirung im Werke waren, kfeute sind wir in der Lage,
unseren Lesern ein Bild (Taf. 9) von diesem bedeutenden
Innenraum vorzuführen, auf dem die itiächtige, geschlossene
Wirkung jedem zum Bewußtsein kommt, dessen Auge noch nicht durch
prutikvollere, aber auch stimmungslosere Festsäle der Neuzeit verdorben
'si. Inzwischen sind die Vorarbeiten für die „Verschönerung" in Bremen
ihren Gang weitergeschritten, trotzdem durch unsere Anregung und ihren
Widerhall in der Tagesxresse mancher ursprüngliche Freund der ge-
planten Eingriffe stutzig geworden sein mag. Jetzt liegen die Probe-
stücke der Bremer Handwerksmeister zur Beurtheilung vor, und die
Angelegenheit reift ihrer endgiltigen Entscheidung zu. Wir haben
seiner Zeit unsere Auffassung zu klar und scharf geäußert, als daß wir
jetzt bei dem Standputikt der Frage, um den sich das Sein oder Nicht-
sein der Halle dreht, nicht noch einmal auf das Ernstlichste den
Bremer Behörden die Gefahr vor Augen führen sollten, der sie ent-
gegen steuern.

Und die Gefahr ist sehr groß. Der ruhige Ernst, die einfache
Würde haben schon in der einen Ecke durch das Loignybild mit seinem
übertriebenen Rahmen einen argen Stoß erlitten: durch das „himmel-
hochjauchzende" Rathsgestühl und die Eck-Kachelöfen werden sie un-
rettbar zu Grabe getragen. Auch ohne lange Erläuterungen und Ab-
bildungen muß dies dem Kunstverständigen einleuchten, wenn er sich

an Stelle der jetzigen ruhigen, kalten Fensterwatid (des Hintergrundes
unserer Abbildung) ein Gewirr und Gekräusel voti Linien vorstellt,
die bis in die Holzbalkendecke hineinwuchern werden. Der von inter-
essirter Seite beliebte Einwand, die Sache sei nicht so schlimm, da ja
das Gestühl jederzeit wieder sortgenommen werden könne, fällt itt sich
zusammen: Steht es erst einmal an Grt und Stelle, wird es Niemand
wieder fortschaffen können. Denn wohin datnit? Auch der Bilder-
rahmen ist ja ein „Stück Möbel", das aber leider nicht versetzt wird
uttb versetzt werden kann: Schon deshalb nicht, weil Niemand dafür
einen Heller gibt!


') Siehe Kunstgew. Rundschau, Iahrgg. 4895 S.

29. Skizze von E. Kloucek (vgl. Abb. 2;),
 
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