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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 11
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Haupt, Albrecht: Oertliche Besonderheiten in älteren Tischlerarbeiten, [1]
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Unsere kunstgewerblichen Musterblätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0112

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sammlung vereinigt, die allerdings einen ganz exclusiven
und örtlichen Charakter trägt, dennoch des Originellen und
Vielfältigen eine Menge birgt. Auch von staatlicher Leite
wird der Schule und Richtung aufmerksame Förderung
und Unterstützung zugewendet, und das mit Recht! Steckt
doch in alle Diesem eine Fülle echt nationaler Art und
eigenen Charakters, wie sie der neuesten Kunst und ihren
einzelnen Zweigen bei uns leider so sehr abgehen. Das
wieder zu gewinnen, und für das ganze Deutschland
wieder zu gewinnen, ist sicher uin Vieles erstrebenswerther,
als unserer Kunstindustrie die Fähigkeit beizubringen,
japanische Papiersächer und Lackwaaren oder englische
Chippendalemöbel zuin Verwechseln ähnlich nachzuahmen.

Da hat der
Director Sauer-
maun vor einiger
Zeit wieder einen
„Bericht über Ver-
waltung und An-
käufe des Städti-
schen Kunstgewer-
be-Museums in
Flensburg" aus-
gehen lassen, ein
kleines Ljeftchen,
dessenTitelsichrecht
geschäftsmäßig
und nicht gerade
unterhaltend liest. Wenn man aber hineinsieht und dann
plötzlich aus eine Abtheilung stößt, betitelt: „mittelalterliches
lholzmobiliar", mit einer Reihe trefflicher, auf jener Tischler-
schule selbst gezeichneter Darstellungen besonders charakteristi-
scher friesischer Stücke, so ist man froh erstaunt, hier in engem
Raum, doch ein großes Gebiet umfassend, den Versuch
einer kurzen Geschichte des friesischen älteren Lsolzmobiliars
bis zuin Schluß des (6. Jahrhunderts zu finden. Cs ist
freilich eng begrenzt, was sich der alte Friese an Aus-
stattung in sein Wohnhaus leisten konnte; eingebaute
Wandschränke, schwere Truhen und Tische, das scheint so
die Hauptsache zu sein, was sich davon erhielt. Als Sitz-
möbel genügte ja meist die Truhe oder Bank bis lange
hinaus, das Bett wurde in der Wand versteckt wie ein

Schrank, und seine Thüren schob man des Abends weg
oder schloß sie aus, um den Leib dahinter zur Ruhe zu
bergen; charakteristisch dafür waren nur die hinter den
Thüren hängenden, prächtig grob gewirkten Vorhänge in
weiß mit grün, blau oder grauen Mustern, Blumen,
Ornamenten und allerlei Gethier in tapetenmäßiger Zeich-
nung. Das genügte aber im Verein mit der aus schweren
Bohlen gefügten Decke und Wand und den: flackernden
Kamin oder wärmenden eisernen Ofen mit Fliesenaufsatz
aus Messingfüßen zusammen, um Räume zu ergeben, in
denen sich der seefahrende und sturmgewohnte oder im
Kampf mit einer rauhen Natur gestählte Friese so recht
heimisch fühlen konnte.

Die genannten Darstellungen, von denen einige hier
mitgetheilt werden (Abb. s3ß—s^2), zeigen diese Cigenart
so recht deutlich. Der Schrank mit seinem merkwürdigen
Fries mag, wenn auch sein Beschlag das (5. Jahrhundert
zeigt, in seinen Vorbildern wohl viel weiter zurückgehen,
und die schwerfällige Truhe, wenn auch die Führung der
Linien daraus hinweist, daß ihre Zierrath im Ganzen
auf eine ganz verwischte gothische Wimpergarchitektur
zurückzuführen ist, zeigt doch eine Crscheinung, die uns
gleichzeitig an ältere deutsche Tage, an altnordische Art
erinnert. Die gediegene, vorsichtige Art, womit die Thür-
füllung oben und unten durch eine eingeschobene oder
aufgelegte breite Leiste mit Tuerrahmen geschlossen ist, ent-
springt der alten Uebung des Schiffbauers, Alles aus vollen
und ausgesuchten Bohlen zu construiren, schwer und auch
wohl schwerfällig, aber die Beweglichkeit und Leichtigkeit
des im Binnenlands und später üblichen Rahmen- und
Füllungssystems taugt eben für's Seewasser nicht. Beiin
Schwinden gibt das offeneFugen und die Füllungen klappern.

So liegt eine derb-ungefüge, aber kernige Art in allen
diesen Arbeiten, fest, gediegen und schwerfällig, wie Natur
und Volk dort im Norden. Die Mode ist ja heute anders
geworden und heischt knieende Unterwerfung, auch im
Holzwerk, unter ihr Gebot. Aber sie hat den bösen nor-
dischen Wintersturm und tiefen Schneefall, die furchtbare
Sturmfluth und auch den zäh nordischen Charakter des
Volkes nicht zu zwingen vermocht, und so greift dieses
ihr zum Trotz immer und immer wieder zu dem Seinigen
zurück. — (Schluß folgt.)

Ensens Kunstgewerblichen <I)usterblWer.

Taf. 4;. Stuhlwerk aus der Pfarrkirche zu Nieu-
port bei Ppern. Gezeichnet von <L F. Weyßer. vergleiche hierzu
Jahrg. ;8Z5 S. 65 und 5. 93.

Taf. 42 und 43. verschiedene Broncegüsse nach ver-
größerten Pflanzentheilen; aus Meurer's „Pstanzenbildern";

mit Erlaubniß des Verlags von Gerh. Aühtmann, Dresden, ver-
gleiche hierzu die Besprechung dieses Werkes in der kunstgewerblichen
Rundschau S. ~

Taf. 44. Waffel-Eisen. Tyroler Arbeit, im Museum zu
Bozen. Aufgen. und gezeichnet von Fachlehrer Ad. Lackner, Bozen.

hierzu „kunstgewerbliche Rundschau" Nr. 11.


verantw. Red.: Prof. L. Gmelin. — perausgegeben vom Bayer. Lunstgewerbe-Verein. — Druck und Verlag von R. Gldenbourg, München.
 
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