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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 2
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Riehl, Berthold: Der Alterthümler und das moderne Kunstgewerbe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0028

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traulich schmückten, die schönste Anregung. Man imitirte
sie, man suchte selbständig in verwandter Art zu schaffen.

Die gothischen Möbel wie anderes Geräthe, das man
damals fertigte, wollen uns heute nieist nicht nrehr recht
gefallen, aber durch die angedeuteten Gesichtspunkte kenn-
zeichnen sie doch einen erfreulichen Wendepunkt in der
Geschichte unseres Aunstgewerbes, so befangen auch der
erste Schritt war. Der Hauptgrund, warum jene Geräthe

in der That oft so wenig stilecht sind, obgleich sie zu einer
Zeit entstanden, wo man so sehr für die mittelalterliche
Aunst begeistert war, liegt darin, daß man sich, was eben
in dem Anfänglichen der Bewegung begründet war, mehr
in dem Schwärmen für jene Zeit gefiel, als in einem
ernsten, sorgfältigen Studium derselben, das gerade das
Aunstgewerbe am wenigsten entbehren kann. Alan be-
geisterte sich an den glänzendsten Denkmalen mittelalter-
licher Aunst, besonders an den gothischen Aathedralen,
die natürlich am meisten und am leichtesten packten; man

studirte und erklärte ausschließlich an ihnen den Stil, und
so kam es, daß man alle die Details der gothischen
Aathedralarchitektur auf Tische, Stühle, Schränke und
Schreibtische übertrug, sie möglichst reich mit Arabben,
Strebepfeilern, Strebebogen und Maaßwerk zierte, um sie
ja recht schön und stilecht zu machen. Durch den Fort-
schritt unserer kunstgeschichtlichen Bildung hat sich das
geändert, und mit Recht wird man heute einen gothischen
Schrank nach dem Vorbild eines
solchen entwerfen und nicht mit
allen möglichen, willkürlich zusam-
mengetragenen , architektonischen
Details schmücken; wobei man fin-
det, daß derartige mittelalterliche
Möbel meist ganz einfach, für ihre
Zeit auch zweckentsprechend gebildet
waren und nach Gegenstand und
Material eine ganz andere Behand-
lung erhielten, als Airchthürme und
Portale. So erfreulich diese Fort-
schritte sind, so dürfen wir anderer-
seits nicht übersehen, wie viel ge-
rade hier noch zu lernen ist, was
stets erneute, sorgfältige Studien
alter Aunst fordert, und zwar nicht
nur ihrer prachtwerke, sondern
ihrer gesummten Lebensäußerungen.
Immer mehr wird man hierdurch
erkennen, wie verschiedenartig der
gothische Stil, je nach den Auf-
gaben, die an ihn herantreten, mo-
dificirt wird, wie wenig richtig es
daher ist, eine kleine gothische oder
auch romanische Airche als einen
reducirten Dom zu bauen, wie
mannigfaltiges Gestalten der Stil
für Altäre, Monstranzen, Aelche
u. s. w. gegenüber den hier noch
immer herrschenden Schablonen zu-
läßt, ebenso wie für manche häus-
liche Geräthe, welch letzteres das
moderne Aunstgewerbe schon mehr-
fach mit Glück aufgriff.

An den gothischen Alterthümern
werden wir also noch viel zu lernen
haben, wir werden aus dem Stil
auch noch vielfach Anregungen zu
neuem, selbständigem Schaffen ge-
winnen; gleichwohl wird derselbe
aber nicht geeignet sein, zahlreiche
Probleme zu lösen, die dem modernen Aunstgewerbe ge-
stellt werden, weil die Bedürfnisse unserer Zeit so wesent-
lich andere sind, als die jener, in der er entstand. Bei
weiterer künstlerischer Ausstattung des paufes, gleichviel
ob durch alte oder stilgerecht gefertigte neue Möbel, machte
sich das auch bald fühlbar, und im Zusammenhangs mit
noch manchen anderen Bewegungen des modernen Aunst-
lebens suchte man daher das Vorbild in einer entwickel-
teren Aunstperiode, nämlich in der Renaissance, die uns
schon dadurch mehr entgegenkommt, weil ja gerade sie

{6. Gitterthor aus der^Iohanueskirche in Zittau, jetzt im privatbesitz zu Markersdorf bei Gabel, Böhmen.
Aufnahme und Zeichnung von 'f p. p. pal me, kfaida.

(ca. V20 der wirk!. Größe.)
 
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