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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 2
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Riehl, Berthold: Der Alterthümler und das moderne Kunstgewerbe, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0030

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Der Stern des Alterthümlers — fo resumirt der
Kritiker — begann eben damals zu sinken, wo er dem
oberflächlichen Beobachter erst recht zu steigen schien, und
die hohen Preise, die man als Beweis für das letztere
anführt, beweisen nur, daß ehedem wissenschaftliche und

künstlerische Bestrebungen jetzt zu Modeaugelegeuheiten
herabgedrückt wurden, weshalb sie auch nicht, wie man
oft glaubt, der Schaden, sondern sogar der beste Schutz
für die moderne Production sind. In der That, die
Stellung des Alterthümlers war in dieser Zeit eine

wesentlich andere geworden; das Sammeln war jetzt
lediglich eine Liebhaberei; die nur dadurch höher steht als
manche andere, weil es sich bei ihr um künstlerische In-
teressen handelt. Schutz und Sammlung alter Kunstwerke
wurden mehr und mehr Aufgabe des Staates und großer

Gemeinschaften, deren Bäuseen
auch die Gelegenheit zu vielseitig-
stem Studium der Denkmale bieten.
Eine künstlerische Einrichtung des
Kaufes aber ermöglicht auch das
rasch emporblühende moderne
Kunstgewerbe, das noch dazu den
Vortheil bietet, unsere speciellen
Wünsche und Bedürfnisse iu's
Auge zu fassen.

Wenn aber auch der Alter-
thümler dadurch, daß er seine
Ausgabe in gewissem Sinne löste,
nicht mehr die Bedeutung wie
ehedem besitzt, so freuen wir uns
doch, daß der echte Alterthümler
bei uns keineswegs ausgestorben
ist. Wir freuen uns, denn für
das warme, liebevolle Erfassen
alter Zeit und alter Kunst, für das
Gewinnen künstlerischer Anregung
aus ihnen wird er stets ein treuer
kjüter fein. Wir betrachten eine
alte Figur, die unser Eigen, anders
wie die Schätze eines Museums,
und der kfolzbildhauer wird an
einigen Fragmenten gothischer
Schnitzerei in seiner Werkstatt mehr
lernen, durch sie mehr Anregung
gewinnen, wie durch manche
Sammlung mittelalterlicher Sculp-
turen; wie auch kein Museum,
kein Besuch prächtiger, vortrefflich
erhaltener Schlösser dem Maler
die alten Möbel in seinem Atelier
oder das stimmungsvolle alte
Zimmerchen neben demselben er-
setzen kann. So ließ sich ja auch
unser Alterthümler durch den
Wechsel der Zeiten nicht ab-
schrecken und führte seine Samm-
lung weiter, wodurch wir noch
auf zwei erhebliche Wandlungen
in dem Verhältniß zur alten
Kunst hingewiesen wurden, die
das große jDublikum charakteristi-
scher Weise mehr als Wandlungen
im Geschmack des modernen Kunst-
gewerbes, denn, wie bei Gothik
und Renaissance, als Veränder-
ungen des Geschmackes an alter Kunst empfunden hat.

Die Vorliebe für Barock und Rococo, die das Eß-
und das Empfangszimmer der Villa charakterisiren und
denen man heute noch ein kleines, im clafsicistischen Stil
eingerichtetes Boudoir beifügen könnte, war nur die natur-

;8. Seitenfenster im Saale des neuen Schützenhauses zn München.
Entwurf, Ausführung und Zeichnung von Aarl Ule, Glasmaler, München.

Maaße des Fensters: 2,20 auf 3,5? m.
 
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