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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 4
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Zimmermann, Ernst: Die technische Entwicklung der Ledertechnik
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0045

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selber durch die Eonservirungstechniken kam, scheint matt
schon srüh einen großen Werth gelegt zu haben. Um so
reichlicher dagegen ist immer seine Verwendung zu
rein praktischen Zwecken gewesen. Besitzt doch das Leder
Paupteigenschaften, die sich in ihrer Vereinigung bei
keinem anderen Stoff wiederfinden, und die ihm deutlich
seine Stelle zwischen den textilen Stoffen und den Metallen
anzuweisen scheinen. (Es ist leicht von Gewicht, unschwer
durchdringbar für scharfe. Instrumente, biegsam, dehnbar
und dabei doch zäh, sowie bei richtiger Tonservirung durch-
aus wetterfest und Feuchtigkeit abhaltend. Diese Eigen-
schaften zusammen, aber vor Allem sein Anpassungs-
vermögen und feine Undurchdringbarkeit für die Feuchtigkeit
in Verbindung mit der genannten relativen Werthlosigkeit
haben dasselbe von vornherein in eine durchaus fecundäre
Stellung gedrängt, indem sie ihm nur die Function der
schützenden Umhüllung eines aus werthvollerem Materiale
bestehenden Inhalts zu Theil werden ließen. Futterale,
Aasten, Schachteln und Aapseln, Schläuche, Beutel und
Becher, sowie Aleidungsstücke und Waffen sind in: Alter-
thum wie im Mittelalter, und in der Neuzeit die wichtigsten
Gegenstände gewesen, zu denen es das Material geliefert
hat. Das Mittelalter hat diesen nur noch seit der Refor-
mirung des Buchtypus den Bucheinband hinzugefügt, in
welcher Verwendung sich dieser Stoff so bewährte, daß er
fast bis in unsere Zeit auf diesem Gebiet so gut wie
Alleinherrscher geblieben ist.

Daß dagegen das Leder einmal auch eine primäre
Verwendung findet wie etwa zu einem Triptychon '), das
nur als Reisesurrogat für die gewohnten aus Elfenbein
zu gelten hat, ist eine ungemein seltene Ausnahme.

Der Dualismus des Leders aber als ein sich in der
Fläche erstreckender und doch mit einer gewissen Dicke be-
gabter Stoff zeichnete, als man mit der Decorirung desselben
begann, die doppelte Art derselben vor. Das Leder als
Fläche empfing, wie ein textiler Stoff, Farbe, Stickerei und
Application, als plastischer Stoff die Gravirung, d. h. den
Schnitt und Punzung, sowie die Reliefirung durch Pressung
von einer der beiden Seiten, sowie durch die Treibarbeit.
Eine Specialtechnik des Leders, die seiner schichtenweisen
Zusammensetzung verdankt wird, ist die Sckälung, die
stellenweise Loslösung der meist vorher gefärbten
Gberhaut von seiner Unterhaut. Den textilen
Techniken dagegen verwandt ist wieder
die Lederflechterei des zu Riemen zer-
schnittenen Materials. Die Feinheit
und Sorgfalt aber der Anwendung
aller dieser Techniken richtet sich in
der Regel nach detn materiellen
oder ideellen Werth dessen, was
das Leder in seiner Function der
Umhüllung umschließt.

Von allen diesen Techniken
kannte das Alterthum, so scheint
es nach den Ueberlieferungen,
neben der rein praklischen
Lederflechterei, namentlich für

’) Buchers Geschichte b. tech-
nischen Künste. Band III. Abb.
2. 207.


37. ljelm in Leber geschnitten; italienische Arbeit.

Aus dem „Führer durch das Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe".

36. Linband zu einem Gebetbuch; voll p. Attcnkofer.

die Fußbekleidung, nur die Pressung, die Bestickung und
die Benialung. Für die Lederplastik in Form der Treib-
arbeit, ja eigentlich auch für den Lederschnitth, hat sich aus
dieser ganzen großen Zeit weder ein schriftliches noch ein
sachliches Document erhalten. Um so erstaunlicher ist es
daher, dieselbe in ganz ausgezeichneter Vollendung schon
an der bekannten Scheide des sog. Jagdmessers Aarl's des
Großen, im Domschatz zu Aachen, deren reiche, mannig-
faltige Grnamentation unzweifelhaft auf frühromanische
Zeiten hinweist, angewandt zu finden, pandelt es sich
hier wirklich um eine neuerfundene Technik der christlichen
Aunst, die sonst ja um diese Zeit in technischer Beziehung
fast nur von alten Traditionen zehrte, oder kannte
das Alterthum dennoch dieselbe, ohne uns
freilich Spuren davon zu hinterlassen?
Jedenfalls müßte, wäre Letzteres der
Fall, bei dem Fehlen aller Nach-
richten über ihre Anwendung sie
weder sehr allgemein, noch be-
sonders gewürdigt gewesen sein.
Bis zum Beginn des fp Jahr-
hunderts ward sie es auch nicht
in der christlichen Aunst.

Nur zwei Beispiele sind
bis jetzt bis zu diesem Zeit-
punkte bekannt geworden: die

fl An koptischen Sandalen
findet sich die Leberschälung, in ber
Abam (Jeitschr. f. christl. Kunst
1888, S. 272) die Anfänge des
Leberschnittes sehen will.
 
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