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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 6
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Kisa, Anton: Die Anfänge der rheinischen Glasindustrie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0058

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Man trifft sie zugleich init den Anfängen der Glasindustrie
in der Form des Gruben- wie des Zellenemails zuerst in
Aegypten, woher die Phönizier sie zu den Aelten brachten.
Zn Gallien entwickelte sich das Grubenernail zu einer
kunstreichen Industrie, welche auch auf die Bewohner des
Rheines überging, während sie in Italien nur durch
Import bekannt war. Im Rheinland sind emaillirts
Gewandnadeln gerade im {. Jahrhundert n. Ehr., zu Be-
ginn der Römerherrschaft viel zahlreicher als später. Die
heimische Provenienz derselben wird nicht nur durch die
Menge der Gräberfunde, sondern auch durch die vor zwei
Jahren in Mainz gelungene Aufdeckung einer Email-
werkstätte erwiesen.

Die Römer fanden demnach, als sie um die Mitte
des f. Jahrhunderts die Fabrikation von Gläsern nach

Gallien und an den Rhein verpflanzten, den Boden bereits
vorbereitet. Die zur Zeit des Augustus unter Leitung
alexandrinischer Arbeiter in Italien angelegten Betriebe
waren rasch emporgeblüht und konnten bereits unter Nero
mit den Stammfabriken wetteifern. Für die Ausdehnung
der neuen Industrie in die nordwestlichen Provinzen war
wieder die Auffindung geeigneter Sandlager maaßgebend.
In Gallien traf man sie in der Gegend des heutigen
Fontainebleau, bei Neinours und Chantilly, deren Glas
noch heute von vorzüglicher Qualität ist, in Belgien bei
Namur, am Rhein bei perzogenrath in der Gegend von
Aachen. Die meisten Werkstätten entstanden, nach den
Funden von Gläsern und den Spuren des Fabrikations-
betriebes zu schließen, in der Normandie, Picardie, an
den Ufern der Seine, bei Marseille und Lyon. Mehr-
fach sind uns auf dem Boden der Gläser Fabriksteinpel

mit Namen erhalten, am häufigsten wohl der einer
Officina frontiniana, welche um die Mitte des 2. Jahr-
hunderts in Gallia Belgica thätig war und viel exportirte.
Doch die Gegenden des heutigen Frankreichs werden an
Reichthum der Funde durch das Rheinland übertroffen,
und hier fpeciell ist der Boden von Aöln der ergiebigste.
Zu Tausenden zählen die Römergläser, von den einfachsten
bis zu den reichsten Luxusgesäßen, welche allein im Laufe
der letzten 30 Jahre den Gräbern der alten Colonia
Agrippina neu erstanden sind. Das Museum Wallras-
Richartz hat ausschließlich aus Lokalfunden im Laufe
weniger Jahre unter den Museen Deutschlands und
Oesterreichs die reichste Sammlung antiker Gläser zu-
sammengebracht, Vieles bergen die großen Privatfamm-
lungen der Tonsuls Nießen, Merkens u. A. Daneben
konnte noch der Aunsthandel auswärtige Museen und
Sammler reichlich versorgen, und es waren nicht die
schlechtesten Stücke, die zu einer Zeit, als das lokal-
historische Interesse weniger entwickelt war, fortwanderten.
Das Britische Museum, das Aensington - Museum, das
Louvre, die Sammlungen Slade und Tharvet zählen oder
zählten unter ihren antiken Gläsern großentheils Aölner
Funde. Daß sie Erzeugnisse einer blühenden Lokalindustrie
und nicht etwa Importwaare sind, geht aus Eigenthüm-
lichkeiten in der Technik und Decoration hervor, die
anderswo gar nicht oder seltener und später auftreten.
Gegenüber dem erzbischöflichen palaste in der Gereon-
straße lag eine Glaswerkstätte, in der noch große Massen
von Fritte erhalten waren. Von kölnischen Glasmachern
kennen wir einen Nero und einen Equalupio, die meisten
zeichnen, wenn überhaupt, ihre Waaren nur mit Initialen.
Außer Aöln, dem Pauptsitze der Industrie, blühten am
Rhein die Werkstätten von Trier, Bingen, Worms und
Straßburg.

Unsere Fundgruben römischer Gläser bilden fast aus-
schließlich die vor Zerstörung geschützten Orte, die Gräber.
Man gab den Verstorbenen Wein als Wegzehrung in
Flaschen, Oele und Essenzen in kugeligen oder schlauch-
förmig gestreckten Ampullen mit, die man früher Thränen-
fläschchen nannte, außerdem je nach Stand und Vermögen
mehr oder weniger werthvolle Stücke vom Pausrath.
Bis zur Mitte des 2. Jahrhunderts pflegte man den
Leichnam zu verbrennen und die Ueberreste in großen
Urnen aus Thon, häufig aber auch aus Glas, zu bergen.
Ts ist eine gewöhnliche, grünlich durchsichtige Sorte, die
Form kugelig oder breit cylindrisch, selten prismatisch
(Trier, Südfrankreich), erstere mit penkeln »alle colormette«,
letztere mit breiten, gerippten Handhaben; die Spitze des
kegelförmigen Deckels endet in einen Zapfen. Die Bei-
gaben befinden sich theils in der Urne, theils zwischen
dieser und der sie schützend umgebenden Steinkiste. Die
späteren Sarkophaggräber enthalten keine Urnen mehr,
dafür jedoch Gläser aller anderen Sorten in reicherer
Auswahl.

Vier Jahrhunderte währte die römische Herrschaft in
den Rheinlanden. Die moderne Aunst brauchte nicht
länger, um von der Renaissance bis zum Empirestil zu
kommen. Auch das römische Aunsthandwerk hat nicht
immer in denselben Formen und Techniken weitergearbeitet,
und wenn die Stilunterschiede auch nicht so scharf sind
 
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