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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 6
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Kisa, Anton: Die Anfänge der rheinischen Glasindustrie, [1]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0062

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dem Körper hervorwachsendem Halse mit dem schmalen,
rund umgebogenen Randwulst, den man an die Lippen
setzen kann, ohne sich zu schneiden. Der ausgebauchte
Körper bekommt unten einen Eindruck oder einen Fuß-
ring und kann nun fest stehen. Freilich ist der Fuß noch
immer nicht ganz solid, denn das Glas an ihm ist nicht
dicker als an der Wölbung. Auch eine gewisse Sorte
cylindrischer Flaschen, den vorerwähnten alexandrinischen
ähnlich, kam damals aus. Sic sind in Formen geblasen,
an dem häufig tonnenartig ausgebauchten Körper mit
vortretsnden Reifen versehen und erinnern, wenn sie nicht
durch Gravirung oder Schliff decorirt sind, in kleineren
Dimensionen an unsere modernen Tintenflaschen. Der
Erfinder dieses -— man kann sagen unsterblichen — Typus
scheint der erwähnte Frontinus zu sein, dessen Stempel
sich nur auf dieser Sorte findet. Aber auch die kölnischen

7p Diaüet-Glas im Antiquarium zu München.

Ungefähr 2/3 der wirk!. Größe.

Glasmacher Nero und Equalupio signiren blos solche
Fäßchenflaschen, deren Namen auf die Ableitung der Form
von den hölzernen Weinfässern hinweist, welche in Gallien
und am Rhein zuerst anstatt lederner Schläuche und großer
Thonamphoren in Gebrauch kamen. In größeren Dimen-
sionen, manchmal bis zu <|0 cm Hohe, wurden sie zum
Abfüllen des Weines verwendet und figuriren so auf den
Grabreliefs des sog. Todtenmales. Eine andere, für
Wein und Getränke bestimmte Flaschenform entlehnte
man dem gallischen Trinkbecher aus rochen:, gewöhnlich
schwarz gefirnißtem Thon. Sie ist kugelig oder eiförmig,
hat einen breiten, cylindrischen Hals, der vom Ende des
2. Jahrhunderts ab von unten aus trichterförmig er-
weitert wird, was sonst nirgend anderswo vorkommt.
Kleine Gefäße dieser Art dienten als Trinkbecher, doch
zog n:an es vor, hierzu in Glas die classifche Form der
flachen oder halbkugeligen Schale ohne Fuß zu verwenden,
die nur auf den Rand ausgestellt werden konnte.

Die Verwendung farblos-durchsichtigen Glases er-
forderte eine andere Decoration als die des farbigen.

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Man erzielte sie in erster Linie durch plastische Gliederung,
zu welcher man die Muster aus der heimischen Thon-
industrie nahm. Geblasene Gefäße versah man mit
scharfen, senkrechten Eindrücken, zwischen welchen das
Glas wulstartig hervorquoll, oder man gab ihnen runde
Vertiefungen, zumeist fünf, den Fingern beim Anfassen
entsprechend. Oft sind die Eindrücke so stark, daß das
Gefäß wie in Falten gelegt erscheint. Im 3. Iahr-
hundert, als in der Architektur gewundene Säulen beliebt
und Sarkophage strigilirt, d. h. mit gewundenen Riefen
versehen wurden, führte man auch an Gläsern die Riefen
und Rinnen schräg oder gewunden. Dünne Rippen und
Tanelluren wurden durch Blasen in Formen hergestellt
und dann nachgeschliffen.

Mit steigender Virtuosität wurde in dieser Periode
die Verzierung durch den aufgelegten Glasfaden geübt
und diese alte Technik in origineller Weise ausgestaltet.
Es wurden damit die Henkel der Gefäße belegt, mit der
Zange eine Reihe stacheliger Spitzen ausgezogen, und am
oberen Henkelanfatze eine große Schleife gebildet. Der
Ursprung der venezianischen Flügelgläser wird uns damit
klar. Die sog. Flügel sind ursprünglich nichts als kleine
Henkel, an welchen durch Ausziehen des Fadens und An-
fetzen von Verzierungen phantastische Formen entstehen.
Den Namen Flügelgläser, calice8 alatae, kannte schon das
Alterthum. Man bezeichnete damit Becher in Tantharus-
form mit großen Henkeln, welche das durchsichtige Krystall-
glas beiderseits wie Flügel umgaben und es noch leichter
und luftiger erscheinen ließen. Auch in Zickzack-, Wellen-
und Kettenbändern zog man den Faden um das Gefäß
oder umspann es ganz mit Netzwerk. Eine besondere
Art desselben zeigen Gläser der Bingener Werkstätten,
das aus wellenförmig aneinandergereihten Fäden besteht,
wozu noch kettenförmige Henkel kommen. Am geschicktesten
aber wurde der Glasfaden in den kölnischen Werkstätten
gehandhabt. Man bildete damit Ranken und die Um-
risse von Thierfiguren, wie auf einem Glase der ehe-
maligen Disch'schen Sammlung, kunstvolle Rosetten, Guir-
landen und Blätter, wie auf einer flachen Pilgerflasche
des Museums Wallraf-Richartz, welche ein Seitenstück in
einer angeblich aus Trefeld stammenden Flasche des
Britischen Museums hat. Die dünnen weißen, blauen
und vergoldeten Glasfäden sind hier mit erstaunlicher
Sicherheit und graciofem Schwünge behandelt. Selbst
Rauter, der Director der Rheinischen Glashütten-Actien-
gesellschaft in Ehrenfeld, der so viele antike Gläser vor-
trefflich nachgebildet hatte, zögerte, dieses Glas zu copiren,
da ein moderner Arbeiter nicht so virtuos den Faden zu
handhaben verstünde, selbst nicht ein Muraneser. Außer
geonretrischen und Naturformen wurden in Köln eigen-
thümlich phantastische Schlangenwindungen gebildet, die
manchmal an arabische Schriftzüge erinnern. Kn einzelnen
Stellen wurde der Faden plattgedrückt und gerieft, so daß
nicht nur in den Farben, sondern auch in den Formen
des Fadenschlingwerkes reicher Wechsel eintrat. Von da
war es nur ein Schritt, verbreiterte Formen dadurch her-
zustellen, daß man das Glas, anstatt es in gleichmäßigem
Faden zu ziehen, flüssig aus dem Malhorne aufgoß, ähn-
lich wie der Zuckerbäcker heute feine Torten verziert.
Diese Technik, die sog. Barbotine, trat in der Mitte des
 
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