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gleiche Farbe (braunrot!;, schwarz oder grün mit gold)
als zusammengehörig gekennzeichnet.
Dieses System kann ■— zu weit getrieben — Nüchtern-
heit nach sich ziehen; es kann auch hin und wieder einem
Einzelnen schaden. Aber ohne Unterordnung unter eine
feste Disciplin werden auch auf dem friedlichen Aampf-
platz keine großen Siege errungen; und wenn durch
dieses Vorgehen der Berliner Ausstellungsarchitekten —
wie man uns berichtet — mancher tüchtige und ausstel-
lungslustige Geschäftsmann zurückgeschreckt wurde, so ist
dennoch dieses Vorgehen zu loben, weil es einem gesunden,
für die Gesammterscheinung einer Ausstellung maaßgeben-
den, für den nachhaltigen Eindruck unentbehrlichen Ulacht-
mittel zum Siege verholfen hat. Respect vor der wirth-
schaftlichen Ulacht irgend eines Industriezweiges bekommt
man auf einer Ausstellung viel mehr, wenn derselbe eine
geschlossene, einheitlich vorgeführte Gruppe darstellt, als
wenn er sich in lauter Sonderausstellungen verzettelt.
98. Theetischchen von Jul. Zwieuer, mit Bronce montirt.
Tausend zusanrmengelaufene Söldner ohne Schulung und
Führung bedeuten nichts gegen hundert wohlgeführte und
wohlgeschulte Soldaten! — Ulag sich bei Aunst und Aunst-
gewerbe auch manche Ausnahme von obigem Grundsatz
als berechtigt erweisen; für eine Waarenvereinigung —
und das ist jede Gewerbeausstellung ihren: ganzen Wesen
nach —• sollte ihm volle Geltung verschafft werden.
Bei den: steten Wechsel, dem unser Schaffen, nament-
lich gegenüber den Anforderungen der Blöde, unterworfen
ist, drängt sich bei jeden: Ausstellungsbesuch erneut die
Frage auf: „wohin steuern wir?" — eine Frage, die
n:an sich aus der Betrachtung der Gegenstände zu beant-
worten sucht, nicht um schleunigst das Gleiche zu nmchen,
sondern um den puls zu fühlen!
Da läßt sich denn von vornherein feststellen, daß der
Stil der Zukunft auch hier noch nicht gefunden ist, daß
:nan noch vielfach alte Bluster schlecht und recht nach-
ah:::t, wobei :nan häufig zu viel Schmuckformen verwendet,
und daß man noch nicht überall von der Nothwendigkeit
durchdrungen ist, sich ehrlich und aufrichtig den Forde-
rungen des Zweckes, des Materials und der Technik zu
fügen, daß man immer noch zu viel sich darnach richtet,
was die Leute dazu sagen werden.
Trifft der letztere Vorwurf mehr das kaufende Publi-
kum als den Handwerksmeister, so ist der letztere oder
der häufig an seine Stelle getretene „Fabrikant", der nur
das Aaufmännische, nicht aber das Technifch-Aünstlerifche
versteht, der Pauptmitschuldige, wenn so viel gemacht
wird, was der Erzeugungsweise des Gegenstandes wider-
spricht. Vor allen Dingen betrifft dies die Thätigkeit der
immer weiter um sich greifenden pilfsmaschinen; mag
man dieselben für das Aunstgewerbe für ein Bebel oder
(wie das Th. Volbehr kürzlich gethan hat), für einen
Segen halten, keinesfalls können wir uns heute ihrer Blit-
hilfe entschlagen, viel weniger sie völlig ignoriren.
Daß die maschinelle Beihilfe dem specifisch Aünst-
lerischen von besonderem Vortheil sei, gehört in das
Eapitel moderner Schwärmereien. Sind aber die prak-
tischen Aunst Handwerker durch wirthschaftliche Verhält-
nisse genöthigt, die Maschine zur Mitarbeiterin zu machen,
dann lasse :nan ihr auch den gebührenden Antheil am
„Geschäft"; wenn man sie in die „Gesellschaft" auf-
nehmen muß, so zwinge man sie nicht, eine höfische
Sprache anzunehmen, die nur tölpelhaft, ungeschickt er-
scheint, sondern lasse sie gewissermaaßen reden, „wie ihr
der Schnabel gewachsen ist". Sache der Gesellschaft ist
es dann, sie nicht lauter zu Worte kommen zu lasten, als
ihrer Bedeutung entspricht. In dieser Beziehung werden
namentlich in der Bnedelmetallindustrie grobe Fehler ge-
n:acht. Ein Fabrikant von Alfenidewaaren fertigt seit
Jahren nur glatte Tafelgeschirre, die schon durch ihre
leicht zu erhaltende Sauberkeit erfreuen und dadurch ganz
besonders die Ansprüche des Hygienikers erfüllen. Da
naht die Ausstellung, und der Fabrikant geräth in Sorgen
darüber, ob seine appetitlichen, aber einfachen Bannen
und Platten nicht für die schaulustige Menge zu glatt und
zu nüchtern seien, und in dieser Angst läßt er ein Paar
Servirplatten mit schrecklichen Gravirungen versehen, und
er beauftragt außerdem einen geschickten Bildhauer, ihm
einen Tafelaufsatz zu modelliren, der in der schönen Aus-
führung all' feine anderen gewöhnlichen Arbeiten in den
Schatten stellt, dem aber jedes halbwegs offene Auge
sofort ansieht, daß er nicht im eigentlichen Arbeitsbereich
der Fabrik entstanden ist.
Und wie viel wird erst bei den Broncen und deren
Surrogaten gesündigt!! Das Surrogatwesen ist das ärgste
Geschwür am deutschen Aunstgewerbe. Lessing hatte nur
allzusehr Recht, als er in seinem Vortrag auf dem Aunst-
gewerbetag 2) zu Berlin die Mängel unseres Aunstgewerbes
hauptsächlich als die Folge socialer, nicht künstlerischer
Mißstände hinstellte. Weil die große Blasse es den Wohl-
habenderen wenigstens im Aeußeren gleichthun möchte,
werden die für ein besseres Material und eine vornehmere
Technik erfundenen Formen siüchtiger und in minder-
werthigeren: Stoff hergestellt, und es werden den Maschi-
nen und den: Großbetrieb Aufgaben aufgebürdet, die
außerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit liegen.
Wenn man bei den Broncen der Berliner Ausstellung
st Sn seinem am z. Juni in der Berliner Ausstellung gehaltenen
Vortrag: Maschine und Aunsthandwerk.
st Siehe hierüber Aunstgew. Rundschau Nr. 7 S. 74.
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gleiche Farbe (braunrot!;, schwarz oder grün mit gold)
als zusammengehörig gekennzeichnet.
Dieses System kann ■— zu weit getrieben — Nüchtern-
heit nach sich ziehen; es kann auch hin und wieder einem
Einzelnen schaden. Aber ohne Unterordnung unter eine
feste Disciplin werden auch auf dem friedlichen Aampf-
platz keine großen Siege errungen; und wenn durch
dieses Vorgehen der Berliner Ausstellungsarchitekten —
wie man uns berichtet — mancher tüchtige und ausstel-
lungslustige Geschäftsmann zurückgeschreckt wurde, so ist
dennoch dieses Vorgehen zu loben, weil es einem gesunden,
für die Gesammterscheinung einer Ausstellung maaßgeben-
den, für den nachhaltigen Eindruck unentbehrlichen Ulacht-
mittel zum Siege verholfen hat. Respect vor der wirth-
schaftlichen Ulacht irgend eines Industriezweiges bekommt
man auf einer Ausstellung viel mehr, wenn derselbe eine
geschlossene, einheitlich vorgeführte Gruppe darstellt, als
wenn er sich in lauter Sonderausstellungen verzettelt.
98. Theetischchen von Jul. Zwieuer, mit Bronce montirt.
Tausend zusanrmengelaufene Söldner ohne Schulung und
Führung bedeuten nichts gegen hundert wohlgeführte und
wohlgeschulte Soldaten! — Ulag sich bei Aunst und Aunst-
gewerbe auch manche Ausnahme von obigem Grundsatz
als berechtigt erweisen; für eine Waarenvereinigung —
und das ist jede Gewerbeausstellung ihren: ganzen Wesen
nach —• sollte ihm volle Geltung verschafft werden.
Bei den: steten Wechsel, dem unser Schaffen, nament-
lich gegenüber den Anforderungen der Blöde, unterworfen
ist, drängt sich bei jeden: Ausstellungsbesuch erneut die
Frage auf: „wohin steuern wir?" — eine Frage, die
n:an sich aus der Betrachtung der Gegenstände zu beant-
worten sucht, nicht um schleunigst das Gleiche zu nmchen,
sondern um den puls zu fühlen!
Da läßt sich denn von vornherein feststellen, daß der
Stil der Zukunft auch hier noch nicht gefunden ist, daß
:nan noch vielfach alte Bluster schlecht und recht nach-
ah:::t, wobei :nan häufig zu viel Schmuckformen verwendet,
und daß man noch nicht überall von der Nothwendigkeit
durchdrungen ist, sich ehrlich und aufrichtig den Forde-
rungen des Zweckes, des Materials und der Technik zu
fügen, daß man immer noch zu viel sich darnach richtet,
was die Leute dazu sagen werden.
Trifft der letztere Vorwurf mehr das kaufende Publi-
kum als den Handwerksmeister, so ist der letztere oder
der häufig an seine Stelle getretene „Fabrikant", der nur
das Aaufmännische, nicht aber das Technifch-Aünstlerifche
versteht, der Pauptmitschuldige, wenn so viel gemacht
wird, was der Erzeugungsweise des Gegenstandes wider-
spricht. Vor allen Dingen betrifft dies die Thätigkeit der
immer weiter um sich greifenden pilfsmaschinen; mag
man dieselben für das Aunstgewerbe für ein Bebel oder
(wie das Th. Volbehr kürzlich gethan hat), für einen
Segen halten, keinesfalls können wir uns heute ihrer Blit-
hilfe entschlagen, viel weniger sie völlig ignoriren.
Daß die maschinelle Beihilfe dem specifisch Aünst-
lerischen von besonderem Vortheil sei, gehört in das
Eapitel moderner Schwärmereien. Sind aber die prak-
tischen Aunst Handwerker durch wirthschaftliche Verhält-
nisse genöthigt, die Maschine zur Mitarbeiterin zu machen,
dann lasse :nan ihr auch den gebührenden Antheil am
„Geschäft"; wenn man sie in die „Gesellschaft" auf-
nehmen muß, so zwinge man sie nicht, eine höfische
Sprache anzunehmen, die nur tölpelhaft, ungeschickt er-
scheint, sondern lasse sie gewissermaaßen reden, „wie ihr
der Schnabel gewachsen ist". Sache der Gesellschaft ist
es dann, sie nicht lauter zu Worte kommen zu lasten, als
ihrer Bedeutung entspricht. In dieser Beziehung werden
namentlich in der Bnedelmetallindustrie grobe Fehler ge-
n:acht. Ein Fabrikant von Alfenidewaaren fertigt seit
Jahren nur glatte Tafelgeschirre, die schon durch ihre
leicht zu erhaltende Sauberkeit erfreuen und dadurch ganz
besonders die Ansprüche des Hygienikers erfüllen. Da
naht die Ausstellung, und der Fabrikant geräth in Sorgen
darüber, ob seine appetitlichen, aber einfachen Bannen
und Platten nicht für die schaulustige Menge zu glatt und
zu nüchtern seien, und in dieser Angst läßt er ein Paar
Servirplatten mit schrecklichen Gravirungen versehen, und
er beauftragt außerdem einen geschickten Bildhauer, ihm
einen Tafelaufsatz zu modelliren, der in der schönen Aus-
führung all' feine anderen gewöhnlichen Arbeiten in den
Schatten stellt, dem aber jedes halbwegs offene Auge
sofort ansieht, daß er nicht im eigentlichen Arbeitsbereich
der Fabrik entstanden ist.
Und wie viel wird erst bei den Broncen und deren
Surrogaten gesündigt!! Das Surrogatwesen ist das ärgste
Geschwür am deutschen Aunstgewerbe. Lessing hatte nur
allzusehr Recht, als er in seinem Vortrag auf dem Aunst-
gewerbetag 2) zu Berlin die Mängel unseres Aunstgewerbes
hauptsächlich als die Folge socialer, nicht künstlerischer
Mißstände hinstellte. Weil die große Blasse es den Wohl-
habenderen wenigstens im Aeußeren gleichthun möchte,
werden die für ein besseres Material und eine vornehmere
Technik erfundenen Formen siüchtiger und in minder-
werthigeren: Stoff hergestellt, und es werden den Maschi-
nen und den: Großbetrieb Aufgaben aufgebürdet, die
außerhalb der Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit liegen.
Wenn man bei den Broncen der Berliner Ausstellung
st Sn seinem am z. Juni in der Berliner Ausstellung gehaltenen
Vortrag: Maschine und Aunsthandwerk.
st Siehe hierüber Aunstgew. Rundschau Nr. 7 S. 74.