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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 8
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Gmelin, L.: Das Kunstgewerbe auf der Berliner Gewerbeausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0081

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eine schlichtere, mehr gothisirende Ecke, die sich in ihrer
Einfarbigkeit sehr bescheiden ausnimmt, eine andere Ecke
mit den Möbeln für ein Boudoir aus purpurviolettem
Amaranthholz und Palisander, endlich ein Schlafzimmer
aus Glivenholz mit dunklen Thuya-Füllungen, die mit
bunten Intarsien belebt sind-eine Fülle von Phan-

tasie und Aunstgeschick — aber schade um das wunder-
bare Material und die überaus glänzende Technik! Zum
körperlichen und seelischen Behagen tragen solche rauschenden
Fanfaren Nichts bei — es sei denn, daß Jemand seine
größte Befriedigung darin findet, dem Nachbarn oder
Nebenbuhler sagen zu können: da schau her,
was meine „Mittel" mir Alles erlauben!

Daneben erscheinen selbst die Zimmer von
p. Gerson meist verhältnißmäßig einfach,
wenigstens unaufdringlicher und harmonischer;
hingegen haben hier die Accorde des Empire,
sowie englischer und amerikanischer Tonarten
schon eine ziemliche Herrschaft erlangt.

Wenn man die Entwickelung der Etilarten
nicht mit dem s 8. Jahrhundert als abgeschlossen
betrachten will, sondern auch dem „Empire"
den Rang eines selbstständigen alten Stils
einräumt, so gehören auch noch die sehr zahl-
reichen Empire-Möbel der Berliner Ausstellung
in das Gebiet der nachgeahmten „Etile"; da
die hieher zählenden Arbeiten aber in enger
Verbindung mit den, von englischen und ameri-
kanischen Ideen befruchteten,
modernen Forderungen stehen,
so kann dieses ganze, ain
meisten den entschieden mo-
dernen Tharakter tragende
Gebiet nur gemeinsam be-
handelt werden.

Den entschiedensten Tha-
rakter reichsten Empires trägt
ein Mobiliar von T. Pohl:

Mahagoni, Eandel- und Ao-
rallenholz, vergoldete Messing-
garnitur, hellfarbig, zum Theil
auch bunte Intarsien, Alaba-
stersäulchen, facettirtes Epiegel-
glas; Freunde dieses Etiles
müssen daran eine aufrich-
tige Freude haben. Auch bei
Ioh. Latz, Th. poese, Fr.

Thierichens u. A. finden sich einzelne sehr hübsche
und bezeichnende Etücke; iin Allgemeinen aber neigt die
„Mode" weniger zu einem entschiedenen Bekennen des
Empirestils als zu einem Verbinden desselben mit den
englischen Eachen der Eheraton rc. und mit amerikanischen
Verschrobenheiten, die oft zu ganz naturwidriger Verwendung
des Holzes oder auch (im Gefolge des Romunesc;ue-3ti!e
der Eteinarchitektur) zu romanischen Formen führten. Daß
manche dabei amerikanischer sein wollen, als die Amerikaner,
ist eigentlich bei einer Ausstellung selbstverständlich. In
dem rechteckigen Rahmwerk sitzen schiefwinklige sünsseitige
Füllungen, oder letztere werden, um recht originell zu
wirken, durch andre noch willkürlichere Umrißformen ge-

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bildet; dazu das viele Gitter-, Etab- und Bretterwerk.
Eine Firina hat ein Boudoir gebracht, bei dessen Aus-
stattung das Holz behandelt ist, als wäre es Gußeisen —
dünnes Etab- und durchbrochenes Grnamentenwerk, dabei
Alles hübsch dick angestrichen, damit man ja nicht merkt,
welches Material man vor sich hat, und daneben Mand-
inosaik aus amerikanischem Gpalescentglas in Bleifassung,
wodurch natürlich gerade die Echönheit dieses Glases, näm-
lich die Farbenwirkung bei durchfallendem Licht, erstickt
wird. Ähnlich gedankenlose Verschleuderung dieses köst-
lichen Materials findet sich auch noch sonst hin und wieder,
z. B. in der Rückwand eines Echreibtischs, an
Lüstern mit beiderseitiger Beleuchtung der Glas-
flächen, bei Fenstern, die auf Torridore gehen, rc.
Manche fast ohne Echmuck behandelte Möbel,
welche nur durch die solide Eauberkeit ihres
Baues Beachtung beanspruchen, wie z. B. ein
kleines Echlafzimmermobiliar aus polirtem
Ahorn von H. Echolz, erfreuen in ihrer An-
spruchslosigkeit mehr, als jene aufdringlichen
„Großthaten".

Der Versuch, aus den Elementen früherer
Etilweisen einen modernen Etil für die Wohnungs-
einrichtung zusammenzuschweißen, den Architekt
Herr Merle vor einigen Jahren mit viel Phan-
tasie und hervorragendem zeichnerischem Ge-
schick unternommen, ist von den Praktikern des
Möbelfaches vom theoretischen auf's praktische
Gebiet übertragen worden.
Dieß hat allerlei interessante
Früchte gezeitigt. Im Grunde
genommen steht Merle auf
dem Holz-Tonstructionsprinzip
der Gothik, dessen Gerippe er
aber mit den Echnmckelementen
aus andern Etilarten in zier-
lichster Weise verbrämt. Be-
zeichnende Arbeiten dieses
Mischstils finden sich bei H.
Gerson, Max Echulz 6c
To., F. Michert, Flatow 6c
priemer, Albrecht6cNoll,
Paul Lehmann, M. I.
Falkenberg, M. Raschky
6: To., T. Pr ächte!. Viel-
fach ist aus farbige Wirkung
besonders Rücksicht genom-
men; Gerson hat z. B. in dem betreffenden Zimmer
einen Hellen Aaminmantel aus schwach grünlich ge-
beizten: Ahornholz, daneben zwei etwas sonderbar auf-
gebaute Buffets aus dunkelem Eichenholz, deren Fül-
lungen theils aus tiefgelbem Eschenholz, theils aus ge-
triebenem und durchbrochenem Eisenblech gebildet sind,
während die sparsam geschnitzten Theile durch dunkelgrüne
Farben gehoben sind.*)

9 Als eine für gewisse Fälle recht nachahmenswerthe Neuerung
darf mau aus diesem Gemach wohl noch anführen, daß die zum
Aufsetzen der Schuhsohlen bestimmte Schrägfläche zwischen den Tisch-
füßen mit einer in Lisen gefaßten bsolzmatte überzogen ist.

;o;. Lüster für elektr. Glühlicht von Schäsfer & tDalcfer, Berlin.

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