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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 8
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Gmelin, L.: Das Kunstgewerbe auf der Berliner Gewerbeausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0082

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Den sehr zahlreichen Musikinstrumenten hat zu-
meist kein kunstgewerblicher Stern geleuchtet; selbst unter
jenen der berühmten Firma Be ch st ein ist nur ein Flügel
— in Boulearbeit nach Entwurf von Baurath Georg
Sch wechten — wirklich sehr befriedigend, während ein
anderer, dessen drei Füße durch die Rheintöchter gebildet
werden, zumal bei der schrecklichen Bemalung, recht be-
denklich ausgefallen ist.

Auch an Rüchen- und Ladeneinrichtungen
fehlt's nicht. Dis ersteren berücksichtigen theilweise viel zu
wenig den Umstand, daß in der Rüche allerlei herum-
gestellt und gehängt wird, daß also für Unruhe und Leben
reichlich gesorgt ist; statt dessen werden die Borde rc. nach
allerlei phantastischen Linien ausgeschweift, durchbrochen
und bunt angestrichen, so daß schließlich das Auge vor
lauter Wirrwarr Nichts mehr finden kann. Am vortheil-
haftesten stellt sich jedenfalls die Rüchen-
einrichtung von p. Raddatz & Eo.
dar, in welcher der eben gerügte Fehler
am meisten vermieden ist. Nicht min-
der erfreuen Fr. Rahn's appetitliche
Bureaueinrichtungs-Möbel aus polirtem
Tannenholz.

Die Hilfskünste bei der Möbel-
fabrikation — Drechslerei, In-
tarsien, Schnitzerei — treten fast
gar nicht selbständig auf. Ein Wand-
bord mit vortrefflich aus Doppelspiralen
gedrechselten Säulchen von Rud. Bran-
kisch ist der einzige erwähnenswerthe
Gegenstand auf dein genannten Ge-
biet. Unter den Schnitzereien verdienen
die durchbrochenen Reliefauflagen aus
hellein Holz auf dunklein Grund von
H. W. Rrause besondere Beachtung,
während die von einer anderen „Fabrik"
gebrachten bunteii und einfarbigen In-
tarsien — flach uiid in Relief — nur
durch starke Beihilfe von Strichlagen
halbwegs eine gute Wirkung erreichen.

Einen ziemlich großen Umfang hat die
Elfenbeinschnitzerei auf der Ausstellung;
künstlerisch schwanken die Arbeiten auch bei einzelnen
Ausstellern — namentlich bei den figürlichen Sachen —
in ziemlich weiten Grenzen. Die Runst ist hier eben nur
noch Handelswaare, Geschäftsobject; sie erhebt sich darum
selten über das Durchschnittsmaaß. Eine heimkehrende
siebenköpfige Musikbande, deren Elfenbeinfarbe durch
sanfte Tönung differenzirt ist, von Singer & Hahn und
die aus Elfenbein und Buchsholz zusammengesetzten
Statuettchen von Tarl Gustav Löwe dürften wohl als
die gelungensten Sachen bezeichnet werden.

Zu den wichtigsten Hilfskünsten bei der Zimmeraus-
stattung hat sich in den letzten Jahrzehnten die Leder-
technik aufgeschwungen. Was G. Hulbe in dieser Rich-
tung leistet, ist zu weltbekannt, als daß es nöthig wäre,
über feine Arbeiten viel Worte zu machen; aber es darf
doch mit Genugthuung festgestellt werden, daß die weit-
gehende Reliefbildung der Lederschnitt- und Treibarbeit,
wie auch die überkrästige Bemalung, welche bei manchen

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früheren Arbeiten den Tharakter des Leders unterdrückt
haben, zum Vortheil des ganzen Eindruckes sehr zurück-
gedrängt worden sind. Die andern Ledertechniker halten
sich, so auswandvoll sie zum Theil auch austreten, doch
noch in ziemlichem Abstand von Hulbe. Welch' breiten
Boden übrigens diese schöne Runst in Liebhaberkreisen er-
obert hat, kann man in der Schulabtheilung beobachten,
wo z. B. Frl. Helene Scheu dl er eine Reihe ganz achtungs-
werther Schularbeiten in Lederschnitt ausgestellt hat. —
Erfreulich ist, daß die so naheliegende Nachahmung der
Ledertreibarbeit durch maschinelle Prägung sich in sehr
bescheidenen Grenzen hält; sie kommen gegenüber den
glatten, einfarbigen Ledersachen, Geldbeutel, Röfferchen,
Albums, Rähmchen oder Dosen, — wie sie von Alb. Rosen-
heim, Loth 8c Weinland, 5. Markiewicz, R. G.
D e h m e l u. A. zur Ausstellung gebracht sind, — die nur
durch die Appetitlichkeit der Mache,
durch ansprechend milde Farben sich
Geltung verschaffen wollen, gar nicht
auf — es fehlt nur noch manchmal,
daß auch der aufdringliche Aufputz mit
schlecht gepreßten Metallornamenten
oder mit schablonenhaft gemalten Blu-
mensträußchen beseitigt wird. An die
Stelle des Leders tritt bei Reisetäschchen
und ähnlichem bisweilen Schlangen-
haut oder Rrokodilsleder (von jungen
Thieren), wobei sogar die faustgroßen
Rrokodilsköpse decorativ verwerthet
sind — als Taschenverschluß, den „schön"
zu nennen indessen keine Veranlassung
vorliegt.

Der gleiche Aussteller — (D. Lun-
dershausen — hat sich auch mit
Ledereinlagen versucht, aber das Haupt-
gebiet dieser Technik ist das der Buch-
einbände, welches in W. Tollin und
mehr noch in T. W. Vogt & Sohn
vortreffliche Vertreter gefunden; nur
selten begegnet es hier Einem, daß
die Schönheit sich dem Verlangen nach
Rsichthum hat unterordnen müssen,
und besonders unter den Vogt'fchen Einbänden befinden
sich manche Muster an einfacher Vornehmheit, denen
zugleich das untrügliche Merkmal innerer Solidität aus-
geprägt ist.

Wie das Mobiliar, so ist auch das Geräthe und
Geschirr aus Feinmetall der Mode in hohem Grad
unterworfen; die Rostbarkeit des Materials stempelt derlei
Dinge zu den begehrenswerthen Objekten der oberen
Zehntausend, und da diese in der Regel das Neueste
haben müssen, so ergibt sich von selbst der Schluß,
daß unter diesen Verhältnissen kein Gold- oder Silber-
schmid es wagen darf, die „Neuheiten" zu ignoriren,
wenn er nicht seine Existenz untergraben will — mag
er sich noch so sehr z. B. gegen die Neuerung wehren,
ein Theeservice ganz glatt von Hand zu arbeiten, was
doch eigentlich die maschinelle Arbeit bezeichnet. Damit
hängt auch die Ueberhandnahme des blank polirten Silbers
zusammen.

\02. Wandleuchter für elektr. Glühlicht von
I. Spinn 6c Sohn, Berlin.

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