Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

DOI issue:
Heft 8
DOI article:
Gmelin, L.: Das Kunstgewerbe auf der Berliner Gewerbeausstellung
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0083

DWork-Logo
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
X

7\ +

Ausnahmen davon gibts natürlich immer noch. Paul
Telge steht mit seinen vortrefflichen Nachahmungen alter
Lachen — aus der römischen Antike, aus der Völker-
wanderungsperiode, aus der vorcolumbischen Zeit Mexikos rc.
auf einein ganz besonderen Standpunkt. Aber auch Andre
geben das kostbare Alte nicht so leichten Aaufes preis;
ja man kann sogar behaupten, daß die Silbergeschirre des
f8. Jahrhunderts noch sehr vielfach als Vorbilder gedient
haben. D. Vollgold & Sohn 3. 23., zu deren schönsten
Stücken immer noch die Topien älterer Arbeiten zählen,
stehen mit einem ihrer Pauptstücke auf diesem Boden;
es ist ein großer Tafelaufsatz mit zwei Armleuchtern -
ein Geschenk des Vereins für die
bergbaulichen Zntereffen in: Vber-
bergamtsbezirke in Dortmund für
den Fürsten Bisnrarck ((890), nach
Entwurf von Baurath peyden mo-
dellirt von G ö tz und B a u in b a ch
(Abb. (O-j); wie unerquicklich erscheinen
daneben die zahllosen Ehrengeschenke
von Sy und Wagner! — fast lauter
Modelle zu Alonumentalbrunnen,

Reiterdenkmälern u. dgl., nur keine
Feinmetallarbeiten! Das edle Metall
hat auf die Tomposition und die
Durchbildung nicht den geringsten
Einfluß geübt.

Die klassische Renaissance, welche
bei diesen letzteren Arbeiten noch
immer den Grundcharakter bcstiiiiiiit
hat, ist beim Silbergeschirr völlig
in's Hintertreffen gerathen; im Vor-
dergrund stehen die späteren Stil-
arten bis zur modernsten. Am
vielseitigsten und tüchtigsten erweist
sich hierin wieder Vollgold, nicht
nur mit seinem für das Verloofungs-
unternehmen der Ausstellung gefer-
tigten Silberservice1), sondern auch
mit andern Arbeiten, für welche er
tüchtige bildhauerische Hilfskräfte in
Anspruch genommen hat; an ihn
reihen sich 3- Ls. Werner, dessen
Pauptstolz die nach des deutschen
Aaisers eigenhändigen Skizzen ge-
fertigten Ehrenhumpen rc. zu fein
scheinen, und Gebr. Friedländer, deren besten Stücke
— Theegeschirre und Toilettegeräthe — in japanesischem
Charakter mit hochausliegendem Gezweig gehalten sind.
Ganz originell ist auch, wie diese Firma bei einem großen
Tafelaufsatz, ein« Meerscene mit Schiff, Nixen rc. dar-
stellend, Fruchtgewinde angebracht hat, irr welche haselnuß-
große Glühlichtchen eingeflochten sind; aber dasselbe Deco-
rationsmotiv an Leuchtern anzubringen, zwischen deren
Aerzenarmen die Glühlichtranken sich hindurchschlingen,
paßt nicht.

Beim eigentlichen Schmuck hält fast allein noch
3- 5chaper den Grundsatz aufrecht, daß nicht das Material

tz Abbildungen auf Tafel 2;, sowie im Text Seite SS, Abb. 97.

X

den Schmuck ausmacht, sondern die Arbeit; kein anderer
Aussteller versteht es so wie er, durch feine Wahl und
Zusammenstellung des Materials oder durch Email, die
bezauberndste Wirkung hervorzurusen, sei es, daß er sich
dabei ait alte Vorbilder anlehnt, fei es, daß er modernen
Zdeen nachgeht (siehe Tafel 29). Nur Einer noch —

3. Lj. Werner — legt bei seinen Schmucksachen hohen
Werth aus die künstlerische Arbeit; er hat eine ganze Reihe
sehr origineller Brochen, theils mit, theils ohne Steine,
ausgestellt, inoderne Sachen im besten Sinn des Wortes,
interessante Versuche mit naturalistischen Motiven. Im
Uebrigen herrscht die mosaikartige Aufhäufung von Bril-
lanten und andern Edelsteinen zu
„Taillenranken", „Plastrons", „Tor-
fages", Diademen rc., die zunr größ-
ten Theil nur Merkmale des Geld-
protzenthums siird. Die Runst ist hier
sehr Nebensache, denn der Geschästs-
credit, den der Börsenbaron genießt,
hängt viel weniger von dessen Runst-
geschmack ab, als von der Zahl und
Größe der Brillanten, welche feine
Gattin bei der Ballparade sehen
läßt!!

Fast unübersehbar dehnt sich das
Gebiet der Broncen aus; von den
trefflichen figürlichen Güssen von
Gladenbeck, Barillot, Spangen-
berg u. A., den vorzüglichen cise-
lirten Möbelbeschlägen von Roh los f
und T. t). Preetz bis hinab zu den
schrecklichsten, von der „Vrnamen-
tiasis" heimgesuchten Aurzwaaren
sind alle Schichten vertreten. Wir
beschränken uns darauf, von den
besseren Arbeiten jene herauszuheben,
welche dem Gebiet der Beleuchtungs-
geräthe angehören, namentlich deß-
halb, weil hier wirklich bedeutende
Fortschritte und Leistungen vorliegen.

Die nähere Bekanntschaft mit den
gleichartigen amerikanischen Arbeiten
hat hier gute Früchte getragen; man
hat sich die Vortheile, die das elek-
trische Glühlicht in Bezug auf seine
Unabhängigkeit von der aufrechten
Stellung bietet, zu nutze geinacht und gleichzeitig die schöne
Wirkung des egalisirenden wie des geschnittenen Glases
nach Möglichkeit ausgebeutet. Die Firmen Schäffer &
Walker, 3. Spinn & Sohn, sowie T. p. Stob-
wasser & Tie. verdienen da in erster Linie genannt zu
werden. (Vgl. die Abbildungen 99—(03.)

An getriebenem Aupser bietet die Ausstellung wenig:
von Bernh. Heinrich ein romanisches Taufbecken, eine
recht beachtenswerthe Treibarbeit, — von W. Gtto eine
Reihe von Gesäßen, die ein recht gesundes Rönnen ver-
rathen. Sehr ansehnlich dagegen steht die Gruppe des
Schmiedeisens da, nicht nur an Menge, sondern auch
an innerem Werth; man kann unbedenklich dieser Gruppe
hinsichtlich der durchschnittlichen Höhe ihrer Leistungen eine

103. Armleuchter für elektrisches Glühlicht von
I. Spinn & Sohn, Berlin.

X
 
Annotationen