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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 9
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Gmelin, L.: Das Kunstgewerbe auf der Nürnberger Ausstellung, [2]
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Linie. Ebenbürtig damit sind die vortrefflichen Gold-
und Silberpapiere von Leo Paenle-München.

Ein kunstgewerblich sehr kleines Eontingent hat die
Textilkunst gestellt. Die Weberei insbesondere geht
so sehr in der internationalen, modischen Großindustrie
auf, daß man bei aller Trefflichkeit und Solidität im
Einzelnen kaum besonders eigenartige Züge in künstleri-
scher pinsicht entdecken kann, ■— und die Stickerei ist
außer bei den mit der „kirchlichen Kunst" zu besprechenden
Paramenten inehr durch tüchtige Liebhaber- und Schul-
arbeiten als durch Berufsarbeiten vertreten; eine Anter-
laffungsfünde wäre es indessen, auch die Weißstickereien
und Durchbrucharbeiten von Erhard D r e ch s e l - Polle
(Oberfranken) zu überMhen — Arbeiten, die an Fein
heit nicht leicht übertroffen und doch von der Mehrzahl
der daran vorüber-
gehenden Damen
übersehen werden.

Tharakteristischer
als die Erzeugnisse
der Weberei sind
die producte der
mit letzterer nahe-
verwandten Flech-
terei; namentlich
ist es die Korb-
waarenfabrikation
in Lichtenfels, wel-
che hier in Betracht
kommt. Die Zu
saminenfaffung die-
ser Gruppe in eine
Tollectivausstellung
durch welche ein
klarer Ueberblick
über einen bedeuten-
den Industriezweig
ermöglicht wird, be-
weist deutlicher als
allesAndere,wicun-
vortheilhaft das bei
der Ausstellung an-
genommene System
der Kreisausstellungen für dis Beurtheilung der einzelnen
Industriezweige ist. — Bei der Korbflechterei im weitesten
Sinne zwingt schon die Art des Materials zur Einhaltung
gewisser, durch den Materialstil vorgezeichneter Wege; so
lange die Arbeiten sich auf diesen Wegen halten, was
man von sehr vielen Stücken sagen darf, werden sie immer
materialgerecht, also in gewissem Sinne schön sein. Aber
jeder Versuch, dieselben in eines der historischen Stilschemen
einzuzwängen, wird zu materialwidrigen Absonderlichkeiten
führen; zu ebenso unerquicklichen Producten werden natür-
lich die aus Weidengeflecht ic. gefertigten Paletten, Schiffe,
Lyren u. f. w., die man nur als stilistische Ungethüme be-
zeichnen kann. Traurig genug, daß solcherlei Zeug markt-
gängig ist! Man sollte aber nicht schon in der betreffen-
den Fachschule solche Dinge zeichnen lassend) — Soviel

') Die Schulen liegen zwar außerhalb des für den Ausstellungs-
bericht angenommenen Rahmens; die oben gemachte Ausnahme recht-

Gutes auch übrigens geleistet wird, so erstaunlich ist es
doch, wie gering augenscheinlich der Einfluß der wunder-
baren japanischen Arbeiten hier ist, während sie doch z. B.
in pamburg sehr tief eingewirkt haben. And während
man die Phantasie mit Erfindung neuer Formen abquält,
vergißt man beinahe ganz, welch' außerordentlicher Reiz
und welche unendliche Manchfaltigkeit in der bei allen
Urvölkern angewandten und durch Farbenwechsel zu be-
reichernden geometrischen Musterung schlummert; es gibt
für Flechtarbeiten kein naturgemäßeres und wirksameres
Mittel der Ausschmückung!

An Edelmetall arbeiten ist die Ausstellung nicht
übermäßig reich. Das rührt zuin großen Theil daher,
daß von bcn bedeutenderen Münchener Meistern sich nur
wenige zur Beschickung entschließen konnten.

Im Bereich des
Silbergeschirrs und
ähnlicher Dinge übt
E. Wollen w e b e r -
München die stärkste
Wirkung aus. Sein
Pauptstück, eine
Nachbildung des
mit einem Theil
der Rothschild'schen
Sammlung nach
Paris gewanderten
Iamnitzer'schen
Tafelaufsatzes, ruft
schmerzlicheEmpfin-
dungen wach, weil
es kein Mittel ge-
geben, dieses Paupt-
stück deutscher Gold-
schmiedekunst der
peimath zuerhalten.
Die Nachbildung
kann selbstverständ-
lich nicht eine ur-
kundlich getreue
Topie des alten Ori-
ginals sein; aber in
seinem architektoni-
schen Aufbau, sowie in der Behandlung und Durch-
führung des Details spiegelt sich das Original unver-
kennbar wieder. Zum Mindesten liefert sie den Be-
weis, daß die heutige Goldschmiedekunst jener der Alten
nicht nachsteht. Es wäre eigentlich Ehrensache der
Stadt Nürnberg, diese treffliche Nachbildung
der bedeutendsten heimischen Go Id schmiede -
arbeit zu erwerben. Auch unter den anderen Sachen
Wollenweber's befinden sich prächtige Stücke (Doppelbecher,
Traubenbecher, Münzhumpen rc.), welche theils im Stil
alter Arbeiten gedacht, theils wohl direct copirt sind; aber
auch da, wo moderneren Strömungen Rechnung getragen
wird, sind die Arbeiten doch nicht völlig vom Alten los-
gelöst. Das prächtige, mattvergoldete Silberservice, das
auf unserer Tafel 35 dargestellt ist, bestätigt dies. —

fertigt sich durch die enge Verbindung, in welcher hier Schule und
Praxis stehen.

von der Nürnberger Ausstellung.

Aus dem Schlafzimmer von Fritz S ch ei d i g - Fürth, (vgl. tqeft s, S. 76.)

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