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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 9
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Gmelin, L.: Das Kunstgewerbe auf der Nürnberger Ausstellung, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.7909#0092

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Den übrigen aus München gekommenen Feinmetallarbeiten
werden wir zumeist auf dein Gebiete des Frauenschmucks
begegnen; außer £>. Merk und M. Strobl (Sankt-
johannser's Erben), die überdieß kleine Schmuckschalen
und Aehnliches gebracht haben, muß hier indessen noch
besonders Aarl Rothmüller's rühmend gedacht werden.
Neben seiner schon von Ehicago her bekannten Eassette
stellte er einen Pandspiegel, Stockgriffe, Dosen und andere
ganz originelle und seine Dinge aus. Dazu ein Paar
ungemein zierliche Becher aus Silber mit eingravirten
Bildchen und darüber gelegter Rebenranke, deren Be-
wegung und Detaildurchbildung nicht schöner gemacht
werden könnten (Abb. s s3). — Auf diesem Gebiet haben
im Uebrigen nur noch Nürnberger Meister ausgestellt;
doch erreichen die betreffenden Arbeiten durchschnittlich
nicht die pöhe der Münchener. 3- Mich hat nach

Dem der Nürnberger Ausstellung.

\\2. Erker-Ecke von Aiöbelsabrikant Milh. strick-jdappenheim.

Entwurf von Prof. Fr. Brochier einen großen gothischen
Pokal in Silber getrieben, der — für das \2. deutsche
Schützenfest in Nürnberg P897) bestimmt — auf dem
Deckel eine Darstellung der Nürnberger Burg trägt; einem
ähnlichen Zweck dient wohl Gg. päberlein's Pokal,
welchem nach Direetor pammer's Angabe einer der be-
kannten „Dürerthürme" in Nürnberg als Motiv gedient
hat. Aitderen festlichen Veranlassungen verdanken einige
Treibarbeiten von Fr. Aainzinger ihr Dasein: eine
Ehroniklade (entworfen von Brochier) und ein Pokal
mit Platte (entworfen von Director Theod. v. Aramer).

Der Frauenschmuck zeigt hier in seinen materiell
kostbarsten Stücken so ziemlich dasselbe Gesicht wie ander-
wärts: zahlreiche Steine — meist Brillanten, etwa um
große Saphire oder Topase gruppirt —, welche zu Blumen
oder Ornamenten mosaikartig aneinander gereiht sind.
Das Metall ist dabei nicht viel mehr als das nothwendige
Nebel! 3- Mich, 3- A. Egersdörfer und Erhard

Topf *) in Nürnberg, sowie p. Merk-München sind die
wichtigsten und tüchtigsten Vertreter dieser Richtung. An-
lehnungen an alte Arbeiten sind zur Seltenheit geworden;
in den hierhergehörigen enmillirten Brachen, Ringen, An-
hängern der Gebr. p e mm erle-München erkennt man
unschwer die von ihrem Geschäftsvorgänger Elchinger ge-
schaffenen Modelle. Völlig neue Mege betritt Aarl Roth -
in ü l l e r. 3n ganz besonders reizvoller Meise versteht er
es, perlen und Steine zu Schmucksachen zu vereinigen, die
in jeder pinsicht originell genannt werden dürfen; z. B.
für seine Verwendung kleiner Bergkrpstalle in ihrer natür-
lichen Gestalt und Gruppirung zu Frauenschmuck wird man
schwerlich Vorbilder Nachweisen können. — Durch ihren
Farbenreiz bestechen die Schmucksachen von p. Gaßner-
Mindelheim: Feingolddoublswaaren mit ächtem Email
(weiß, roth, dunkel- und türkisblau, grün), sowie Granat-
waaren; manche kleinere Sachen — Brochen, Colliers,
Nadeln — sind von entzückender Wirkung.

3m Bereich des Feingusses in unedlem Metall
stehen die figürlichen Sachen von v. Miller-München
und von Ehr. Lenz-Nürnberg, sowie die Beleuchtungs-
geräthe von L. A. Riedinger - Augsburg schon seit
3«hren in so gefestigtem Ruf, daß Einzelbefprechungen
unabweislich zu Wiederholungen führen müßten. Dagegen
verdienen die Eisengüsse der Gebr. G i n a n t h in pochstein
und Eisenberg eine nähere Betrachtung. Die emaillirten
Oefen dieser Firma zeigen — soweit sie in der Farbe
einfach gehalten sind — ganz anerkennenswert!)e Versuche,
das stumpfe Grau der gußeisernen Offen durch an-
sprechendere Farben zu ersetzen. Geradezu schrecklich aber
sind die Nipptischchen und andere ähnliche Dinge! Es
gibt kaum eine Umrißlinie, die verschroben genug ist, um
nicht dennoch hier bei den Tischplatten der Verwendung
gewürdigt worden zu sein! Dazu werden Reliefs von
Landschaften, Seestücken, Sportsbildern u. s. w. als Schmuck
der Tischplatten verwendet. Angesichts solcher mißbräuch-
lichen Ausbeutung einer vorzüglichen Technik bedauert
man die Vervollkommnung der letzteren.

Viel bester ergeht es dem Schmied eisen. Es gibt
auch kaum ein Material, welches, auch wenn „Dutzend-
waare" daraus gemacht wird, sich doch so sehr der „Gleich-
macherei" entzieht und welches der überschwänglichen Aus-
zierung so hartnäckigen Widerstand entgegensetzt wie dieses.
Gewaltsarbeiten, wie sie auf der Ausstellung zu Ehicago
zu sehen waren, sucht man hier allerdings vergebens;
auch an speciellen Ausstellungsstücken hat das Schmiede-
eisen wenig geliefert. Dafür aber erhält man ein Bild
der normalen Leistungen. Dem prächtigen Thor von
A. Leibold & Sohn- Nürnberg (s. Taf. 36) kommen
die anderen gleichartigen Arbeiten — darunter mehrere
aus Augsburg — nicht nach; München ist auf diesem
Gebiet durch einen bisher nicht hervorgetretenen Meister —
Mich. ‘Kiefer — vertreten, dessen Ausstellungspavillon
sich namentlich durch die frische Behandlung des orna-

si Die Heine Gruppe Topf's verdient noch wegen ihrer origi-
nellen Ausstellungsweise besonders hervorgehoben zu werden; in Er-
innerung an die Neigung der Elstern, glänzende Dinge aufzulesen und
zu sammeln, sind die genannten Schmucksachen in einem Nest malerisch
vereinigt, das sich durch seine heranschwebenden Bewohner als ein
Elsternnest charakterisirt.
 
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