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Zeitschrift des Bayerischen Kunstgewerbe-Vereins zu München: Monatshefte für d. gesammte dekorative Kunst — 1896

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Heft 10
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Halm, Philipp Maria: Dürer und Holbein und ihre Beziehungen zum Kunstgewerbe
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der That aber geistlose Tendenzsucht, verbunden
mit anmaßender Selbstüberschätzung, die sich
nicht unterordnen mag, in unseren modernen,
weltberühmten porzellanmanufacturen und
Goldschmiedcwerkstätten hervorbringt." Selten
finden wir pandzeichnungen älterer Meister so
häufig reproducirt, wie diese Entwürfe polbein's
für das Goldfchmiedehandwerk.

Die zweite Pauptgtuppe der Goldschmiede-
entwürfe bilden die Waffen, die Dolchscheiden
und die Degengriffe. Finden wir bei den
Gefäßen, den Bechern und Schalen das rein
Ornamentale vorherrschend, das nur ab und
zu von einem figürlichen Medaillon oder Aehn-
lichein unterbrochen wird, fo überwiegt bei den
Waffen die figürliche Decoration, fei es, daß
völlig abgerundete Scenen zur Darstellung ge-
langen, fei es, daß dem figürlichen Element
im Ornamente reicherer Raum gegeben wird.
Die erftere Art finden wir namentlich bei den
Dolchfcheidcn, die zweite bei den Degengriffen.
Eine in sich abgeschlossene figürliche Scene an
den Degengriffen anzubringen, war durch die
allgemeine Form ausgeschlossen; aber dennoch
sucht polbcin einen gewissen Zusammenhang
der im Ornamente verwertheten Figuren unter
sich zu erzielen, indem er sie als im Kampfe
miteinander liegend darstellt, eine für ein Schwert
gewiß sehr geeignete Idee.

Die dritte Gruppe nehmen die Entwürfe
für Geräthe des Toilettentisches, wie Spiegel,
Kämme, Bartbürsten, ein. Den größten Theil
derselben bewahrt das britische Museum auf.
Auch hier geht des Künstlers Bestreben stets
dahin, einen tiefsinnigen Gedanken in üppige
Formen zu kleiden. Auch zu einer Uhr -
Uhren gehörten zu den beliebtesten Luxus-
gegenständen am englischen Pose — lieferte
Polbein einen herrlichen Entwurf, der eine der
letzten Arbeiten polbein's überhaupt war. Er-
trägt die Inschrift: „Neujahrsgeschenk für den
Uämmerer des Uönigs und von ihni zunr
Jahresanfang ^ent Königs verehrt."

Damals war Polbein schon tod.

Unzählig ist die Zahl der Entwürfe
für kleinere Goldschmiedearbeiten.
Da finden wir die reichsten Motive für Agraffen,
Anhänger, Monogramme, Schnallen für Gürtel
oder Säbelgehänge, Bucheinbände und orna-
mentale Füllftücke für die verschiedenartigsten
Zwecke. Neben einfachen Linien- und Flächen-
ornamenten, wie sie namentlich polbein's Zeit-
genosse Peter Flötner liebte, begegnen wir den
verschiedensten andern Arten und namentlich
zwei reizenden versuchen, Blumen möglichst in
Anlehnung an die Natur ornamental zu ver-
werthen. So umgibt er eine Broche, welche
die Inschrift: »Origo mundi melioris« trägt
und eine Verkündigung Mariä darstellt, mit
einem Aranze von gelben Astern und grünen

\23. Randleiste nach
ks. ks o l b e i n.

Blättern; eine andere Broche mit der Scene
einer Dreifaltigkeit zeigt ein zierliches Kränzchen
von rotheil Rofeil. Wie weit sind diese stilisirten
Blumen von dem gothischen Stilcharakter ent-
fernt, wieviel erinnern sie uns an die modernen
versuche, den zierlichen Kindern der Natur
durch eine zarte und möglichst geriilge Stili-
sirung nicht zu viel von ihren Reizen zu nehmen,
sondern sie vielmehr niöglichst naturgetreu
wiederzugeben I

Wer polbein's Thätigkeit im Goldschmiede-
handwerk vollständig kennen lernen will, den:
wird die große Anzahl von Porträts eine reiche
Ausbeute geben. Neben den einfachsten Perlen-
halsbändchen, wie wir sie häufig an Damen
des englischen pofes sehen, erblicken wir die
reichsten, verschiedenartigsten Variationen von
prunkbetten, Gnadengeschenken des Königs,
und namentlich des Posenbandordens. Es ist
begreiflich, daß unter dem kunstgewerblichen
Kraftgenie die ganze englische Goldschmiede-
kunst sich beugen mußte, um so inehr, als der
pof, für den ja Polbein zunächst arbeitete, als
maaßgebend für den niederen Adel und die
Bürger galt. Noch heute dürfen wir stolz da-
rauf sein, daß fast alle Goldschmiede, die für
den englischen pof all diese prunkenden Ge-
schmeide ausführten, Deutsche waren, die aber
nicht etwa sich nur vorübergehend in England
aufhielten, sondern dort ansässig waren, so daß
ein Bericht vom Jahre s6s3 sagen konnte, bis
vor nicht langer Zeit seien alle Goldschmiede
in London Deutsche gewesen.

Die zweitgrößte Gruppe kunstgewerblicher
Entwürfe polbein's nehmen die Glasgeinälde
ein. Im s5. und s6. Jahrhundert erfolgte ein
bedeutender Aufschwung in der Technik der
Glasmalerei. Augsburg und Nürnberg und
namentlich die Schweiz wandten sich zunächst
dieser Kunst zu; in der Schweiz gehörte es so-
zusagen zum guten Ton, daß sich verwandte
oder befreundete Familien mit einem einfacheren
oder reicheren Glasgemälde beschenkten. Was
war natürlicher, als daß Polbein, wie so viele
der zeitgenössischen Künstler, wie z. B. Urs
Graf, sich auch mit den: Entwerfen von Glas-
gemälden beschäftigte? Großentheils sind es
Wappentafeln, doch zeigen die betreffenden Ent-
würfe polbein's in der Tomposition wenig
Unterschied von denen anderer Künstler, da hier
die allgemeine Form für Wappenbilder maaß-
gebend war.

Welche Mannigfaltigkeit tritt aber bei rein
figürlichen Darstellungen auf! So stellt er ein-
mal die Madonna in einer Muschelnische dar,
ganz ähnlich wie auf der berühmten Madonna
zu Darmstadt und erzielt dadurch gegenüber den
meisten ähnlichen gleichzeitigen Entwürfen einen
ruhigen, die Figur selbst mehr hervorhebenden
pintergrund. In noch bedeutsamerer Weise
 
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